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Dhaka Walk

Depesche aus Dhaka, Teil 2: Streetart erreicht Bangladesch

  Dhaka Walk | Depesche aus Dhaka, Teil 2: Streetart erreicht Bangladesch

Sie ist unsere Frau in Bangladesch. Die Performance-Künstlerin Diana Wesser
gibt in der 13-Millionen-Stadt Dhaka einheimischen Künstlern einen Workshop zum Thema Performance im öffentlichen Raum. Und schreibt hier auch über ganz andere Schwierigkeiten. Heute: Baumpflanzen als Kunst.

Als ich hier ankomme, habe ich bereits seit einem Jahr einen klaren Plan, was ich machen möchte. Der »Dhaka Walk« sollte ein Spaziergang durch die Stadt werden, entlang einer Route mit von Künstlern gestalteten Stationen, die den Blick auf den Stadtraum verändern, schärfen oder verklären. Nachdem schnell klar ist, dass weder die Begriffe »Zuschauerbeteiligung«, »Flashmob« oder »Street Art« bekannt sind (»Hm, also einmal hab ich hier so was gesehen, aber ich dachte, das sei Vandalismus …«), zeige ich Arbeiten anderer, westlicher Künstler und spreche von »Outcats« und »Revers Graffiti«, um Impulse zu geben. Interkulturelle Kommunikation ist immer schwierig, aber hier ist wirklich alles anders. Wie spricht man über etwas, das der andere nicht kennt, in einer fremden Sprache? Für mich stand darüber hinaus im Vordergrund, nicht nur lediglich meinen westlichen Blick zu implantieren.

Vor allem der Künstler Mohammad Ismail Hossain Neloy öffnet sich dem Neuland. Er versucht den ersten Flashmob Bangladeschs zu initiieren und entwickelt ein Projekt, das Dhaka grüner machen soll: Auf grünen Papierbäumen, die er an die Häuserwände klebt, lässt er sich das schriftliche Versprechen geben, einen Baum zu pflanzen. Vermutlich ist dies die erste bewusste Streetart, die Dhaka je gesehen hat! Gemeinsam mit Jane Finley, einer australischen Künstlerin, die auf der Suche nach Streetart in Dhaka zu uns gestoßen ist, gestalte ich öffentliche Mülltonnen als Kommentar auf die gängige Praxis, Müll einfach auf den Boden fallen zu lassen. Da einige Menschen vom Müllsammeln leben, haben wir das Logo angepasst: Der Müll darf auch wieder entnommen werden. Gemeinsam mit Neloy fordern wir Passanten auf, sich an einer gemeinsamen Reinigungsaktion zu beteiligen. Tatsächlich ist es gerade das Publikum, das hier völlig anders agiert als in Europa. Es ist einfach, Passanten zum Mitmachen zu bewegen: Man muss sie nur auffordern. Binnen Sekunden bildet sich eine riesige Menschentraube und selbst die Polizei kommt neugierig näher und kümmert sich nicht darum, dass der Verkehr wegen uns fast zum Erliegen kommt.

Ich habe den Eindruck, dass die Künstler hier vom Rest der Welt etwas isoliert leben. Schon als ich versucht habe, weitere Fördermittel zu finden, wurden die Absagen auch damit begründet, dass Bangladesch so arm sei, dass es keine Kunst brauche. Im Zuge des Workshops führte ich viele lange und ausführliche Gespräche über Bangladesch, dessen Geschichte und den Kampf der Menschen darum, als mehr wahrgenommen zu werden als das Armenhaus Asiens und die Kleiderkammer der Welt. Selbst in Leipzig dachten viele, ich würde nach Indien reisen, als ich von Bangladesch sprach. »Um als Land wahrgenommen zu werden‚ muss man entweder sehr böse oder sehr gut sein.« Kunst, da sind wir uns alle einig, ist eine Möglichkeit dazu. Und die Künstler, die ich hier kennen lerne, verdienen es alle, dass man auch außerhalb Bangladeschs von ihnen hört!


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