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Kultur

»Ich frage mich regelmäßig: warum Leipzig?«

Choreografin Marlen Schuhmann über unmögliche Verbindungen und das künstlerische Arbeiten in Leipzig

  »Ich frage mich regelmäßig: warum Leipzig?« | Choreografin Marlen Schuhmann über unmögliche Verbindungen und das künstlerische Arbeiten in Leipzig

Mit »Connection Impossible«geht die dritte Produktion der mixabled Company der Villa im Lofft an den Start. Die künstlerische Leiterin Marlen Schuhmann spricht über das Zusammenspiel des Ensembles und warum sie sich für Leipzig immer wieder neu entscheiden muss.

kreuzer: »Connection Impossible« ist die dritte Produktion mit der mixedabled Company. Wie wichtig ist diese Kontinuität für dich?

MARLEN SCHUHMANN: Kontinuität besteht darin, dass es ein paar Beteiligte gibt, die, in welcher Form auch immer, seit dem ersten Stück dabei sind. Und natürlich, dass die Villa, in Person von Marion Müller, sich immer wieder dafür einsetzt, dass solch eine Arbeit möglich wird. Der Reiz besteht aber auch darin, dass immer wieder neue Leute hinzukommen. Es ist nicht explizit eine Arbeit mit einem festen Ensemble. Für mich ist es die erste Produktion mit der Villa, in der ich als Choreographin dabei bin. In den ersten beiden Produktionen hatte ich die Rolle einer Tänzerin. Die Arbeit  ist nun eine ganz andere Herangehensweise als vorher.

kreuzer: Inwiefern?

SCHUHMANN: Es geht ja hauptsächlich um die Differenz Profi-Laie. Ich versuche, bestimmte Qualitäten herauszuarbeiten, die ich mit Profis nicht mehr erarbeiten muss. Da wir ein gemischtes Ensemble sind, hilft hier die Selbstverständlichkeit der Profis, zu performen. Dass es sich dabei um Performer handelt, die andere Körperqualitäten haben, ist für mich inhaltlich kein Thema. Vielmehr ist es eine Herausforderung, allen die Möglichkeit zu geben, sich optimal auszudrücken. Das ist natürlich etwas schwieriger als mit »perfekten, mobilen« Tänzern.

kreuzer: Wie entstehen die Choreografien?

SCHUHMANN: Von Einstudierung halte ich nichts. Ich bin immer sehr daran interessiert, was die Tänzer, die am Ende dem Ganzen Ausdruck verleihen, zu einem Thema zu sagen haben. Was sind ihre Erfahrungen, Probleme oder Fragen dazu? Für »Connection Impossible« habe ich jedem Tänzer am Anfang der Proben einen kleinen Fragenkatalog gegeben. Alle haben die sehr persönlichen Fragen ehrlich beantwortet. Aus diesen Antworten heraus habe ich Themen entwickelt und mir wieder Fragen gestellt. Daraus haben sich dann langsam Schwerpunkte ergeben, die sich dann in der direkten Probenarbeit nochmal verschieben. In der Arbeit gebe ich auch fast keine Bewegungssequenzen vor, sondern arbeite mit der konkreten Bewegungssprache eines Tänzers. Zusammen mit den Tänzern und ihrem Material entwickle ich dann zusammenhängende Bewegungssequenzen und setze Bilder und Szenen.

kreuzer: Wie kamst du auf das Thema: unmögliche Verbindungen?

SCHUHMANN: Zuerst einmal geht es natürlich um die eigene Verbindung zu sich selbst. Denn wenn ich selbst nicht weiß, wer ich bin oder was ich will, ist auch die Außenkommunikation schwierig. Und da geht es schon in die Gesellschaft. Ich denke, das hängt zusammen – die persönliche Verbindung zu mir und meinen Wünschen und Bedürfnissen und dann der Kontakt zu meiner Umwelt. Es ist allerdings nicht so sehr Thema, wie die Gesellschaft an sich kommuniziert. Der Zuschauer kann sicher das eine oder andere Bild mehr oder weniger für sich finden. Es gibt Anregungen, vielleicht auch selbst mal in sich reinzuschauen. Wo hab ich meine Kontakte und Verbindungen und wo hakt es in der Leitung, sprich: zu mir, meine Bedürfnissen, Wünschen, Fragen oder auch zu anderen Menschen?

kreuzer: Du gehörst zu den wenigen Tanzschaffenden, die in Leipzig ihr kreatives Zentrum haben. Lohnt es sich hier?

SCHUHMANN: Die Frage ist: Was muss sich lohnen? In Leipzig kreativ mit anderen Menschen zu arbeiten, ist an sich kein Problem und inhaltlich lohnenswert. Ich schätze die Partner, die ich hier gefunden habe, sehr. Wenn ich die Frage nach dem wirtschaftlichen Lohn stelle, dann geht der Daumen natürlich nach unten. Ich weiß aber nicht, ob das in Berlin oder einer anderen Stadt anders wäre. Dafür ist aber die Infrastruktur für Tanz/darstellende Kunst in anderen Städten anders. Da gibt es regelmäßige Trainings oder eigene Initiativen, die Räume anbieten, Workshops und einen regelmäßigen künstlerischen Austausch. Das fehlt eindeutig in Leipzig. Wobei ich das Gefühl habe, dass sich da seit einer kurzen Zeit mehr tut. Die Entscheidung für Leipzig muss ich immer wieder treffen. Regelmäßig stelle ich mir natürlich die Frage: warum Leipzig? Es kann schon möglich sein, dass ich die Frage irgendwann nicht mehr mit »Ja, es ist Leipzig« beantworten kann. Das wäre schade.


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