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Zehn Minuten Fahnenschwenken

  Zehn Minuten Fahnenschwenken |
Die Kundgebung der NPD in der Roscherstraße ist zu Ende, bevor sie richtig begonnen hat, das Aktionsbündnis »Leipzig nimmt Platz« setzt ein klares Zeichen. Auch in Wahren gehen die Ansagen der Neonazis im Lärm der Gegendemonstranten unter.
Mit mehr als eineinhalb Stunden Verspätung rollte der NPD-Tross aus Dresden am Donnerstagnachmittag vor der Al-Rahman-Moschee im Zentrum-Nord ein. Geplant war eine Kundgebung gegen »Asylmissbrauch und Islamisierung«. Doch der Plan ging nicht ganz auf. Nachdem der Fahrzeugkonvoi der Rechten auf dem Weg nach Leipzig offenbar mehrmals aufgehalten wurde, erreichte er sein Ziel erst zwanzig Minuten vor Ende des Zeitfensters, das für die Aktion der NPD von den Behörden genehmigt wurde. Plakate und Fahnen waren gerade ausgerollt, etwa 30 Rechte hatten sich in Position gebracht, da mussten sie einsehen, dass sie ohne die Megafone – deren Benutzung ihnen per Auflage untersagt worden war – nur schwer gegen etwa 150 bis 250  lautstarke Gegendemonstranten ankommen konnten. Mit Trillerpfeifen, Sprechchören und Samba-Perkussion störten couragierte Leipziger erfolgreich die Kundgebung. Das Aktionsnetzwerk »Leipzig nimmt Platz« hatte zu der Gegenkundgebung gegen Ausländerfeindlichkeit und Islamophobie aufgerufen. Umrahmt von einem massiven Polizeiaufgebot blieb den Rechtsradikalen nichts weiter, als zehn Minuten lang ihre Fahnen zu schwenken, um gleich darauf wieder zu verschwinden. [nggallery id=154] Auch in Wahren verstummte der Gesang der etwa 15 Teilnehmer der NPD-Kundgebung, die gegen 17.30 Uhr mit der Beschallung der Gegend begann. Zum dritten Mal hatte eine Polizeisprecherin den NPD-Aufzug aufgefordert, das Singen aller drei Strophen des Deutschlandliedes einzustellen; dies würde gegen die Auflagen der Kundgebung verstoßen. Zuvor schon wurde ihre Lautsprecheranlage durch die Polizei abgedreht, weil die Dezibelzahl über der erlaubten Marke lag. Zwischen Deutschlandfahnen und Einhand-Transparenten waren NPD-Chef Holger Apfel und Konsorten – der stellvertretende Landesvorsitzende Maik Scheffler war auch dabei – immer nur kurz zu sehen. Der Inhalt ihrer Reden ging aufgrund schlechter Akustik und unter dem Lärm der Gegenprotestierenden unter. Mit einem Hamburger Gitter und einer Polizeikette waren sie zur Georg-Schumann-Straße hin abgetrennt. Auf der anderen Straßenseite hatten sich knapp 100 Gegendemonstranten versammelt – auch sie hielt eine Polizeikette vom Betreten der Georg-Schumann-Straße ab. Die Beamten in voller Einsatzmontur waren mit einem massiven Aufgebot vor Ort, verhielten sich aber zurückhaltend. Ein paar andere Grüppchen protestierten mit Rufen und Tröten in der Nähe, so dass man wohl von insgesamt 150 Protestieren sprechen kann. Wahrener Bürger waren nicht darunter auszumachen. Ein paar Kreuzungen stadteinwärts fand zeitgleich eine Mahnwache von Bürgern vor der ökumenischen Begegnungsstätte Lebens-L.U.S.T statt. Einige hielten Kerzen in den Händen. Als sich die Nazis um 18.30 Uhr endlich unter dem Beifall der Protestierer trollen und ihren LKW stadtauswärts in Bewegung setzen, wurde ein Transparent in der Pittlerstraße sichtbar, das wohl Wahrener aufgehängt hatten: »Geht alle nach Hause«, steht dort geschrieben, »wir haben euch nicht gerufen!« Ob damit die Nazis gemeint sind, die zuvor von der Bürgerinitiative als linksextrem kriminalisierten Gegenproteste oder die Asylsuchenden, geht aus dem Transparent nicht hervor. Zurzeit veranstaltet die NPD in verschiedenen Städten in Sachsen ausländer- und islamfeindliche Kundgebungen im Rahmen einer laut NPD-Pressesprecher Jürgen Gansel »inländerfreundlichen« Aktionswoche.

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