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Kultur

Medea hat ihr dunkles Band ...

Zum 22. Mal feiert die Euro-Scene das europäische Theater

  Medea hat ihr dunkles Band ... | Zum 22. Mal feiert die Euro-Scene das europäische Theater

»Es ist die Pflicht lokaler Politiker, dieses Festival am Leben zu erhalten!« Auf der Eröffnungskonferenz der Euro-Scene am Dienstag Mittag stellt Regisseur Romeo Castellucci klar, wie sehr er sich dem Festival für zeitgenössisches europäisches Theater verbunden fühlt. Das sage er »aus tiefstem Herzen«, fügt der italienische Theatermacher hinzu, die Euro-Scene besitze einen wichtigen Stellenwert in der Festivallandschaft des Kontinents. Seit 1997 ist er bereits zum fünften Mal mit einer Produktion auf dem Festival vertreten, das vom 6. bis 11. November stattfindet. Die Euro-Scene bringt in ihrer 22. Ausgabe Künstler aus ganz Europa auf die Leipziger Bühnen.

Zwölf Gastspiele aus neun Ländern werden auf 23 Vorstellungen in acht Spielstätten zu erleben sein, darunter sieben Deutschlandpremieren – so viel zur Statistik. Das Spektrum der Gastspiele reicht vom Sprechtheater über Tanz bis in den Performancebereich und bündelt sehr verschiedene Handschriften in Choreografie und Regie. Das Festival steht diesmal unter dem Motto »Herbstzeitlose« und dieses passt leider allzu gut. Das krokus-ähnliche, der antiken Zauberin Medea zugeschriebene Gewächs wurde 2010 zur Giftpflanze des Jahres gekürt. »Krankheit und Leid gehören auch zum Leben«, meint die Festivaldirektorin Ann-Elisabeth Wolff zum Motto – auf ein Festival lässt sich das auch münzen. Denn da der Hauptsponsor BMW – wie seit Jahren angekündigt – sein Engagement in Höhe von 200.000 Euro für die Euro-Scene ab 2013 einstellt, ist die Kassenlage prekär. Immerhin wurde der städtische Etat für das Festival von 200.000 auf 275.000 Euro erhöht. Das Land Sachsen hingegen hat eine Anhebung abgelehnt. Auf der Vorbereitungspressekonferenz im September gab sich Kulturbürgermeister Michael Faber leicht zuversichtlich, was die Zukunft der Euro-Scene betrifft. So würden erhebliche Kosteneinsparungen entstehen, weil das Festival das Centraltheater komplett als Aufführungsort nutzen könne. Auf kreuzer-Nachfrage, ob das mit Enrico Lübbe vertraglich vereinbart wurde oder Faber den Fehler seines Amtsvorgängers wiederholt und über den Kopf eines designierten Intendanten hinweg entscheidet (s. kreuzer 05/2008), ließ er wissen, man befände sich in Gesprächen.

Während man also für die kommende Ausgabe noch auf die Hoffnung und die Wirkung von Romeo Castellucci bauen muss, gilt es zunächst, keine der Theater-Perlen zu verpassen, die sich im Festivalprogramm aufgereiht finden. Castelluccis Produktion »Über das Konzept des Angesichts von Gottes Sohn« bildet am Dienstagabend den Festivalauftakt. In einer Zeit, wo gefordert wird, religiöse Gefühle unter Artenschutz zu stellen, ist diese Setzung ein starkes Stück. Anderenorts gab es Proteste von religiösen Rechten gegen diese Aufführung. Erstmalig in einem Gotteshaus zu sehen, wird die Inszenierung sicher auch in der Peterskirche Diskussionen anstoßen, wenn die Zerbrechlichkeit des Menschen vorm Christusporträt verhandelt wird. »Das Vorhandensein des Bildes schafft Probleme, deshalb wurde es auch ausgewählt«, erklärt der Regisseur. Es ginge ihm weder um Provokation noch Illustration, sondern um jene Denkanstöße, die Ungereimtheiten eben erzeugen. Mit »Yue Medlin Yue« präsentiert die Gruppe Qendra Multimedia aus Prishtina ein spannendes Thema: Sie zeigt eine aus Deutschland abgeschobene Roma-Familie bei ihren schwierigen Versuchen, im Kosovo Fuß zu fassen. Basierend auf Shakespeares »Der Sturm« bildet »Miranda« des Vilniuser Theaters OKT als berührendes Zweipersonenstück einen intensiven Programmhöhepunkt. Rainer Behr, langjähriger Tänzer bei Pina Bausch, stellt mit dem Bielefelder Tanztheater die zum Festivalmotto passende Choreografie »Herbstzeitlose« vor, während nach zehn Jahren mit Anne Teresa De Keersmaeker wieder eine wichtige Choreografin Europas in Leipzig gastiert. Und das Marionettentheater der Compagnie Moment aus dem slowenischen Maribor mag man als prophetisch ansehen. Es heißt: »Handlung ohne Worte«.


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