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Heavy Celeste

Metal by Nature?

Die Metalkolumne besinnt sich diesmal auf die Natur

  Metal by Nature? | Die Metalkolumne besinnt sich diesmal auf die Natur

Wehklagen über den Verlust der Natur ist typisch Metal. Das gibt’s jetzt auch in Buchform und liest sich als durchaus stimmiger Cocktail aus Weltschmerz, Hass und Pinkeln im Schnee.

»So gab ich mehr und mehr der seligen Natur mich hin und fast zu endlos.« Hölderlin wäre ein großer Blackmetal-Poet geworden. Immer schön druff auf Pathos und Patina. Lauschen wir seinem Hyperion: »Wie Eis zerschmolz, was ich gelernt, was ich getan im Leben, und alle Entwürfe der Jugend verhallten in mir; und oh ihr Lieben, die ihr ferne seid, ihr Toten und ihr Lebenden, wie innig Eines waren wir!« Tja, das Natursehnen hat nicht erst Mitte der 1980er in norwegischen Wäldern das trübe Licht der Welt erblickt. Auch der Hass auf Kultur und Abscheu vor dem Menschgemachten ist nicht ganz neu: »Und Einmal sah ich noch in die kalte Nacht der Menschen zurück und schauert und weinte vor Freuden, daß ich so selig war und Worte sprach ich, wie mir dünkt, aber sie waren, wie des Feuers Rauschen, wenn es auffliegt und die Asche hinter sich läßt«.

Klar, dass sich Metalheadz nicht nur an Nietzsche, sondern auch am anderen Fritze, also dem Hölderlin, lyrisch-musikalisch abarbeiten. »Diotima«, nach Hyperions Brieffreundin, nannten die Black-Metal-Experimentatoren Krallice ein ganzes Album. Hören wir zur Einstimmung mal hinein in »The Clearing«, die Lichtung:

Ja ja, die Entfremdung von der Elefant, Pusteblume & Co., der Rausschmiss aus dem Garten Eden, das Abnabeln aus dem Schoß der Mutter sind schon ein scharfes Schwert. Das will stets geschliffen sein, weshalb der Gang in die Natur – bei Hölderlin heißt es »Der Gang aufs Land« – ein Grundrauschen im Metal ist. Auch in der Metal-Literatur, manchem mag das Wort als bitter-süßer Widerspruch aufstoßen, ist das natürlich Thema.

Auf der Buchmesse stolperte ich über ein Cover und dachte erst, ich sei auf eine Plattenbörse geraten. »Skogtatt«, rief es aus einer Bücherecke in tiefem Schwarz hervor und stieß mir wie ein waschechtes Metal-Logo erst einmal unleserlich vor den Kopf. (Der Erschaffer Aaron Turner, neben vielem Gitarrist und Sänger bei Isis, möge es verzeihen.) »You shall not pass!«, donnerte ein unsichtbarer Gandalf und ich griff zum Buch. Der Name »Skogtatt« setzt sich wie folgt zusammen, erfuhr ich: »Im Norwegischen bedeutet ›bergtatt‹: verzaubert, gefesselt, gebannt, und: von den Unterirdischen in den Berg gelockt. In diesem Buch ist es der Wald, der ›skog‹, der unerbittlich lockt.« Es geht also um den Sog der Natur, in den ein Metal-Musiker – im Buch heißt er einfach junger Mann – gezogen wird. Vom Proben in den Winterwald verschlagen, geht er in der unbarmherzigen Harmonie von Flora und Fauna auf. Kurz ärgert er sich noch über mögliche Erfrierungen der Finger: Wie soll er da noch Gitarre, dabei ist die doch unnatürliches Kulturprodukt, spielen können? Dann ist das alles nicht mehr wichtig. Stimmig hat Autorin Ulrike Serowy den Zivilisationsaustritt des jungen Misanthropen, der Einlass in die Welt aus Eis und Kälte begehrt, inszeniert. Schwarz-Weiß-Zeichnungen und die liebevolle Aufmachung in fadengehefteter Pappästhetik geben den treffend düsteren Rahmen für ihre Metal-Erzählung. Die Black-Metal-Attitüde findet sich hier gelungen in einen Text übersetzt. Beim Lesen meint man, Kapellen wie Eïs als Soundtrack aus dem Orkus herüberhallen zu hören. Hölderlin schloss pathetisch: »Wie der Zwist der Liebenden, sind die Dissonanzen der Welt. Versöhnung ist mitten im Streit und alles Getrennte findet sich wieder. Es scheiden und kehren im Herzen die Adern und einiges, ewiges, glühendes Leben ist Alles.« Bei Serowy heißt es wunderbar lapidar: »Fetzen und Tosen / Und die Luft ist erfüllt von Schnee und rasender Musik.«

Weil meine Buchmessen-Nachlese gerade erst begonnen hat, kommt’s nächstes Mal erst bücherbandwurmdick. »Metal Störies« werden aufgetischt und ganz finster ins »Grimm« geschaut. Und was erwartet uns musikalisch? Der »Doom over Leipzig« tobt noch bis Samstag im UT und ist jede Empfehlung wert. Ein Abstecher ins Bandhaus am Freitag zur »The Awakening«-Record-Release-Party ist aber auch aller Ehren wert. »Crack The Balls« heißt es dort unter anderem mit den Brutal-Death-Bluesern von Endemicy passend zu Ostern. Eierlikör und mehr werden versprochen. Slainte!


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