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Konzertkritik

Den Arsch wundspielen

No Age zeigten sich geübt in jahrelangem Underground

  Den Arsch wundspielen | No Age zeigten sich geübt in jahrelangem Underground

Im UT Connewitz treffen oft Welten zusammen, auf der Bühne wie auf den Brettern des hundertjährigen Saals. An diesem Abend gibt es ein Wiedersehen mit einer längst vergessenen Zeit, die gerade eine ziemlich überschätzte Renaissance erlebt. Die Rede ist von den 80er Jahren. Bevor jetzt ein Aufschrei kommt, ein schlichtendes Zitat meiner Oma: »Nicht alles war damals schlecht, min Jung!«

Den Vorkasper der kalifornischen DIY-Band No Age geben am Samstagabend Messer aus Münster, die mit einem zugegeben geilen Bandnamen, aber mit einem Makel in den Abend starten. Mein Begleiter stellt beim Bier vor dem UT nämlich ernüchternd fest: »Hab mir die Vorband angehört, ist so angestrengter Indie-Hardcore-Deutschpunk. Da geht doch nichts über Rachut!« Mit Dackelblut im Ohr und Oma Hans vor den Augen betreten wir die Hallen des altehrwürdigen Union-Theaters. Ungeahnte Leere, Leipzig tanzt bei den Designer’s Open. Schade! Aber so hat man seine Lieblingsband für sich.

Messer belegen leider die Vorankündigung meiner Begleitung, sind merkwürdig hüftsteif, etwas zu kühl und irgendwie fehl am Platz. Die Darbietung gleicht einer 80er-Punk-Wave-Band in Ostdeutschland, mit dem Herzen dabei, aber nicht so recht wissend, was man da eigentlich macht. Leider kann der schwache Sound den Gesamteindruck nicht retten. Bass und Snare prägen den Matsch, der da von der Bühne brüllt. Schade, denn die Texte scheinen wirklich besser als der Rest zu sein. Die Gitarre erahnt man leider nur. Der letzte Song wirkt dann befreiend für Band wie Publikum zugleich. Der Sänger übt sich in einer halben Ian-Curtis-Gedächtnis-Arm-Bewegung. Feierabend.

Zu No Age ist dann das UT doch noch halbvoll (oder halbleer). Das scheint die Jungs aus LA nicht zu stören, denn sie legen los wie die Feuerwehr. Und da sieht man dann den kleinen, aber feinen Unterschied zur Vorband: No Age sind geübt in jahrelangem Underground, spielen sich den Arsch wund und sparen sich jeglichen aufgesetzten Habitus. Der Geist der 80er Hardcore-Bewegung um Minor Threat und Black Flag weht, es riecht nach Aufbruch und Veränderung. Bevor man sich in revolutionären Gedanken verliert, holt die Musik des Duos einen in das Hier und Jetzt zurück.

No Age sind Punk, aber eben kein Drei-Akkorde-Punk. Dean Spunt und Randy Randall (der heißt wirklich so wie eine Comicfigur) beherrschen die Klaviatur der Rock- und Popmusik. Punk ist da nur der kleinste Nenner. Das dreidimensionale Effektboard des Randy Randalls steht bezeichnend dafür. Spunt kloppt auf sein Schlagzeug, während Randall stocksteif ins Mikro skandiert. Dream-Punk oder No Wave nennen das ausgebuffte Musikjournalisten. Sei´s drum, das Publikum schüttelt die Mähnen. In der ersten Reihe steppen ein paar Indie-Mädels und auch einige Alt-Punks recken das Bier in die Höhe.

Ungewohnt wird es nur, als Schlagzeuger Dean sich den Bass schnappt und zwei Nummern gänzlich ohne Schlagzeug auskommen. Das ist neu im No-Age-Kosmos, rockt aber nicht wirklich. So wird auch der Tanz-Flow der Meute jäh unterbrochen, was in ihrem DIY-Punk-Kosmos durchaus Sinn ergibt, denn dort sind keine Grenzen gesetzt, weder in der Instrumentierung noch im Songwriting.

Randy outet sich auf der Bühne als Club-Mate-Junkie, denn das Koffein-Gesöff gibt es wohl in den USA nicht. Und erklärt dann lapidar: »We play two more songs, before we pretend to leave stage and play some more, if you want us to!« Mal’ne ehrliche Ansage, sind Zugaben eh eine Farce sondergleichen. Aber we want them to.


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