anzeige
anzeige
Heavy Celeste

Höhen, Tiefen, Untote und Abgründe

Auch in der Metalkolumne weihnachtet es langsam. Und sogar Luther wird zitiert

  Höhen, Tiefen, Untote und Abgründe | Auch in der Metalkolumne weihnachtet es langsam. Und sogar Luther wird zitiert

Ho, ho, ho: Mimosis und Totenmond locken – X-mas kann Mensch Metal dafür gewaltig.

Oh my fucking Goblin: Der Basser von Hate Eternal hat angekündigt, eine »Death Metal Christmas« zu veröffentlichen. »Hellish Renditions Of Christmas Classics« soll Feiertagsevergreens mit leicht diabolischer Umdeutung – Todesengel Azrael steht hier textlich im Zentrum – enthalten. »Azreal is coming to you«? Gähn. Heavy Metal Christmas – auch Bad Religion machen da mit –, geht’s noch? Ja, dann hilft’s auch nicht, darauf hinzuweisen, was, wie und wo am Jahresendfest alles heidnisch ist. Und über den Fronleichnahmszug des Rotbemützten will ich auch gar nicht sprechen, genauso wenig wie über die »Lichtläufe« in Gohlis, Schönfeld und Schneeberg. Zu diesen nur so viel, weil wir uns doch in der Luther-Dekade befinden, sei er als mildtätiger Christ zitiert: »Es ist ein überaus gerechtes Gesetz, dass die Zauberinnen getötet werden. Wenn du solche Frauen siehst, sie haben teuflische Gestalten, ich habe einige gesehen. Deswegen sind sie zu töten.« Heute sind es eben andere »Hexen«, gegen die zu Pogromen aufgerufen wird.

Metal-Christmas ist ja mal wieder eine großartige Vermarktungsidee. Mit Weihnachten geht wohl alles. Jaja, immer wieder diese Kommerzkacke. Nichts gegen Erfolg, aber mit so billigem Schrot aufs Konsumentenherz zielen, ist so armselig wie das Anlegen der SED-Eliten auf angebundenes Rotwild. Das soll jetzt gar keine große Subkultur- oder Underground-rules-Disko werden. Schon klar, dass Musik nicht widerständig sein kann – es aber hübsch als krachender Ohrwurm zu suggerieren, gelingt ihr ganz gut. Noch jede Subkultur hat sich gut verkaufen lassen und das ist die Message des Pop, zu dem eben auch der Metal zählt. Das Scheitern des Pop als sozialer Sabotageakt lässt sich – noch ein Gabentischtipp gefällig? – im Aufsatzband »Sabotage« nachlesen: »Die Subkultur und der Subversionsmythos Pop sind gut verkäufliche Waren« oder »Oppositionelle Haltungen werden nicht verfolgt, sondern vermarktet. Erst, wenn sie nicht mehr vermarktbar sind, wären sie wirklich subversiv bzw. gegenkulturell.« Andererseits zerstört so etwas lärmend Schrapnellartiges wie Extrem-Metal eben auch – hier dem Freejazz gar nicht so unähnlich – die Harmonieillusion, die andere Poprichtungen gern ausmalen. So sind Lärm, Dreck, Gestammel und Kaputtheit wenigstens dem Klang ihrer unharmonischen Strukturen nach wirkungsvoll: »Die Zerstörung und Ruiniertheit soll bleiben, sie soll sich ausbreiten und tatsächlich als ausweglose gegenwärtig sein: ein ausgehaltener, ein nicht zu heilender Schmerz, eine offene Wunde. ... Der kaputte Mensch, der auf uns zukommt, ist Teil meiner Welt. Die Kaputtheit ist genau dieser Schmerz, dieses Begreifen der eigenen Zerstörtheit, der Desintegration aller idealen und gelingenden Selbstbilder.«

Zur nächsten Gelegenheit, hübsch Kaputtes live zu erleben und die integrative Kraft der Desintegration zu spüren, rufen Mimosis. Um ein Lebenszeichen, ja, kann man bei dem Namen »The Rising Dead« wohl so nennen, von sich zu geben, ballert das Leipziger Fünferpaket eine Mini mit zwei Songs heraus. Am 29.11. wird das Kleinstteil im Bandhaus vorgestellt. Es macht höllisch Lust auf mehr – ein neues Album schießen Mimosis im Frühjahr nach. Die beiden Songs sind eine hübsche musikalische Berg-und-Tal-Fahrt in einer beinharten Murmelbahn, deren Ziellauf in eine Kegelbahn aus Gebeinen mündet. Abwechslungsreich wie die Struktur fällt auch die Stimmleistung aus, die vom Howling mühelos in den Klargesang taucht und zurück.

Auf Totenmond und Warhammer am 7.12. im UT hinweisen muss ich hier nicht wirklich. Das traditionelle Jahresendfest der Metalheadz dürfte sich nach zehn Jahren langsam mal rumgesprochen haben. Zwar führt die Veranstaltung auch das X-mas im Namen, mit Firlefanz um Lametta und Baumbehang hat diese Knüppelnacht nichts zu tun. Also hingehen:

PS: Warum die Hölle nach Schwefel stinkt, erzähle ich dann wirklich beim nächsten Mal – großes Indianerehrenwort!


Kommentieren


0 Kommentar(e)