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Filmkritik

Freiheit heute ist illusorisch

Zwei Leipziger mit dem tansanischen Präsidentensohn auf den Kilimandscharo

  Freiheit heute ist illusorisch | Zwei Leipziger mit dem tansanischen Präsidentensohn auf den Kilimandscharo

Benjamin Leers und Maurice Hüsni werfen in ihrem Dokumentarfilm »The Teacher's Country« einen Blick auf Tansania 50 Jahre nach der Unabhängigkeit des Landes und begleiten Madaraka Nyerere, den jüngsten Sohn des ersten Präsidenten, auf den Kilimandscharo. Die Besteigung zieht sich als roter Faden durch den Film, der mittels kleiner Porträts eines Lehrers, einer Köchin und eines Pfarrers ein authentisches Bild Tansanias nach der Unabhängigkeit von Großbritannien zeigt.

Die Besteigung auf den 5.895 Meter hohen Kilimandscharo im Dezember 2011 steht unter keinem guten Wetter-Stern. Es regnet stark. Der Weg hoch auf den Berg ist alles andere als leicht begehbar. Anlässlich des 50. Jahrestages der Unabhängigkeit Tansanias begleiten die Filmemacher Benjamin Leers und Maurice Hüsni Madaraka Nyerere, Sohn des tansanischen Gründungspräsidenten, der Jahr für Jahr auf den Gipfel steigt, um Spenden für gute Zwecke zu sammeln. Ihr Film »The Teacher’s Country« dokumentiert diesen Aufstieg und zieht zugleich Bilanz über 50 Jahre Unabhängigkeit. Kennengelernt hat Benjamin Leers den Präsidentensohn bei einem Tansania-Aufenthalt 2010. Ursprünglich wollte der gebürtige Leipziger einen Film über dessen Vater Julius Nyerere drehen.

Während des fast einwöchigen Aufstiegs schwelgt der Tansanier nicht nur in positiven Erinnerungen über seinen Vater, der das Land 35 Jahre bis 1985 führte. Offenherzig äußert er sich mal vor der Kamera, mal aus dem Off über dessen Politik und spart auch deren negative Auswirkungen nicht aus. Die politische Klasse denke vorrangig an sich selbst und weniger ans Land. Für diese Äußerung im Film erntete Nyerere bei der internationalen Premiere in Belgien im März dieses Jahres eine Spitze vom tansanischen Botschafter.

Die Bergsteiger-Etappen, die den Rahmen des Films vorgeben, werden immer wieder unterbrochen durch ganz persönliche Stellungnahmen anderer Tansanier. Betha ist traurig, dass sie aus Geldnot ihre Ausbildung zur Krankenschwester abbrechen musste. Nun arbeitet sie rund um die Uhr als Köchin in einer Glaubensgemeinschaft und verbringt nur wenig Zeit mit ihrer Tochter. Anhand der Einzelschicksale versucht der Film jenseits klassischer Afrika-Bilder und Stereotypisierungen ein Porträt des heutigen Tansanias zu zeichnen und unterschiedliche Stimmungsbilder einzufangen.

Insgesamt sechs Wochen dauerten die Dreharbeiten in Tansania. Wirklich Zeit, um mit den einzelnen Protagonisten in die Tiefe zu gehen, blieb leider nicht. Finanziert haben Leers und Hüsni den Aufenthalt mit einer Crowdfunding-Aktion (siehe kreuzer 10/2011), die mehr als die erhofften 5.895 Euro – für jeden Höhenmeter einen Taler – einbrachte. Der Renner bei der Kampagne war die 20-Euro-Hürde, die eine Postkarte aus Tansania versprach. »Wir haben bestimmt über 100 Karten geschrieben und da stand nicht nur Viele Grüße drauf«, sagt Leers lachend.

Nyerere schafft es im Film nicht ganz bis auf den Berggipfel. Am sogenannten »Stella Point« – wer es bis hier hin an den Kraterrand schafft, hat den Kilimandscharo offiziell bezwungen – muss er dieses Mal aufgeben. Angesichts der »Spitze der Freiheit«, wie der Gipfel des Kilimandscharo genannt wird, fasst der angestrengte Nyerere einen ernüchternden Schlussgedanken über sein Heimatland: Freiheit sei heute in einer Nation wie Tansania illusorisch.


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