anzeige
anzeige
Filmkritik

Eisenbahner und andere Arbeiter

Die Kinostarts im Überblick und was sonst Filmisches in der Stadt geschieht

  Eisenbahner und andere Arbeiter | Die Kinostarts im Überblick und was sonst Filmisches in der Stadt geschieht

Der Vorsteher eines kleinen Bahnhofs im Sudetenland, Alois Nebel, wird von der Vergangenheit eingeholt. Jaromír Svejdík verpackt Nebels Geschichte in einen außergewöhnlichen, ästhetisch eindrucksvollen Animationsfilm, der heute die Animierten Filmtage in der Kinobar Prager Frühling eröffnet und zugleich seinen deutschen Kinostart feiert. »Workers«, der in der Schaubühne Lindenfels anläuft, ist ein absurdes wie nachdenkliches Porträt. Im LURU-Kino in der Spinnerei startet der Film »Sonnwende«, der auf sensible und nuancierte Weise die Geschichte eines jungen Mädchens erzählt. Und Steffi Kühnert überzeugt mit ihrem unprätentiösen Spiel in »Die Frau, die sich traut«. Darüber hinaus gibt es noch Mitmach-Märchen-Kino, das Filmriss Filmquiz heute Abend im Conne Island, spannende Experimentalfilme aus dem Center for Contemporary Art Tel Aviv, das Horror-Doppel mit Donis und der neue Hobbit-Teil.

Der Fahrdienstleiter Alois Nebel ist ein ruhiger, störrischer Kerl, der seine Zeit am liebsten mit Rauchen und Trinken verbringt. Doch die Ruhe an der Bahnstation in Bílý Potok im Jahr 1989 ist trügerisch. Ein geheimnisvoller Unbekannter wird unweit von Nebels Arbeitsplatz durch den Wald gejagt. Hunde bellen, Schüsse fallen. Schwarzes Blut spritzt über graue Blätter. Auch Nebel wird nachts von alptraumhaften Erinnerungen eingeholt. Die Ereignisse, die Autor Jaroslav Rudiš in der literarischen Vorlage von »Alois Nebel« beschreibt, geben einen ungewöhnlichen Einblick in die Vergangenheit der deutsch-tschechischen Grenzgeschichte im ehemaligen Sudetenland. Doch lassen sich die Erlebnisse des Eisenbahners nicht als bloßes Vertreibungsdrama abstempeln. Die Erzählung steckt voller Witz, Poesie und sogar ein wenig Romantik. Ursprünglich erschien die Geschichte als Graphic Novel mit den Zeichnungen des Künstlers Jaromir 99. Die schwarz-weiße Szenerie setzte Regisseur Tomáš Luňák auf grandiose Weise mit Hilfe des Rotoskopie-Verfahrens um. Die ganze Kritik können Sie im aktuellen kreuzer nachlesen.

»Alois Nebel«: 12./13., 15.12., Kinobar Prager Frühling, 26.-29.12., Schaubühne Lindenfels

Bereits in dem Dokumentarfilm »Milagro del Papa« (2009) hat sich José Luis Valle mit der mexikanischen Gesellschaft beschäftigt. In seinem Spielfilmdebüt »Workers« verharrt sein Blick ganz auf dem monotonen Alltag zweier Arbeiter in Tijuana an der mexikanisch-amerikanischen Grenze. In zwei parallel verlaufenden Handlungssträngen, die sich lediglich zu Beginn des Films und auch am Ende fast traumwandlerisch kreuzen, erzählt der Film von Rafael (Jesus Padilla) und Lidia (Susana Salazar). Rafael arbeitet in einer Glühbirnenfabrik, Lidia arbeitet im Haus einer sehr reichen Dame. Rafael wird der wohlverdiente Ruhestand verwehrt und Lidia erfährt, dass die alte Dame, die sie über 30 Jahre gepflegt hat, alles ihrem verwöhnten Hund vermacht hat. Beide sinnen auf Rache. In langen Einstellungen und mit einer geradezu starren Kamera fängt Valle sorgfältig kadrierte Bilder ein, die trotz ihrer Schönheit die Sehgewohnheiten kitzeln. Die erzählerische Ruhe durchbricht Valle immer wieder mit Einsprengseln subtil-skurrilen Humors. Lidia trägt die Hündin zum Wagen mit Chauffeur, der das Tier für den Sonnenuntergang ans Meer fahren soll – als sei es das Selbstverständlichste auf der Welt. Die ganze Kritik können Sie im aktuellen kreuzer nachlesen.

»Workers«: 12.-14., 17.-19.12., Schaubühne Lindenfels

Anja (Roxane Duran) lebt mit ihren Eltern in einer Kleinstadt irgendwo in Deutschland. Sie steht kurz vor dem Abi, doch am Wochenende wird meistens gefeiert. Als Anja eines Morgens von einer Party nach Hause läuft, wird sie auf der Landstraße von einem Auto angefahren. Anscheinend ist nicht viel passiert. Nachdem sich der erste Schock gelegt hat, sind alle erleichtert, dass der Unfall so glimpflich verlaufen ist. Zunächst. Doch dann fällt den Freunden und Eltern immer deutlicher auf, dass Anja nicht mehr dieselbe ist. Am wenigsten aber kann Anja selbst leugnen, dass mit ihr etwas nicht stimmt: Sie schläft schlecht, leidet unter Panikattacken und Wahnvorstellungen. Ihr ist, als ob sie seit jener Partynacht von düsteren Schatten verfolgt wird. So sehr Anja auch versucht, sich zusammenzureißen – sie hat undefinierbare Schmerzen und ihr Körper erscheint ihr fremd. Es verunsichert sie zutiefst, dass ihr Gedächtnis sie im Stich lässt und sie sich nicht erinnern kann, was in jener Nacht tatsächlich alles geschah.

»Sonnwende«: ab 12.12., LURU-Kino in der Spinnerei, am 17.12. in Anwesenheit der Regisseurin

http://www.zorrofilm.de/index.php?id=108%2F%2F

 

Die 50-jährige Mutter, Oma und Angestellte Beate (Steffi Kühnert) möchte ihr Leben ändern. Früher war sie einmal Leistungsschwimmerin und nun, da der Arzt bei ihr Krebs diagnostiziert hat, will sie es noch einmal wissen: Entgegen aller Ratschläge möchte sie sich den Traum erfüllen, einmal durch den Ärmelkanal zu schwimmen. Unterstützung bekommt Beate zunächst nur von ihrer besten Freundin Henni (Jenni Schilly). »Die Frau, die sich traut« ist ein Film, der vor allem durch das Spiel seiner Hauptdarstellerin Steffi Kühnert hervorsticht.

»Die Frau, die sich traut«: ab 12.12., Passage Kinos, Premiere am 14.12. in Anwesenheit des Regisseurs und der Hauptdarstellerin, am 15.12. Sonntags-Matinee mit Milchkaffee und Gebäck

Die Tatsache, dass er mit seiner Familie nach Berlin umzieht, gefällt dem fünfjährigen Paul (Ezra Finzi) überhaupt nicht. Er mag das ruhige Landleben, denn dort konnte er sich ausgiebig dem Lesen von Märchen hingeben. In der chaotischen Hauptstadt angekommen, stellt sich bei dem kleinen Jungen schnell das Gefühl von Einsamkeit ein. Durch einen magischen Vorfall ändert sich das jedoch schlagartig. Mitmach-Märchen-Kino für die ganze Familie.

»Aschenbrödel und der gestiefelte Kater«: ab 12.12., Passage Kinos

Nachdem sie die ersten Gefahren überstanden haben, sind Bilbo Beutlin, Gandalf und die der Zwergentrupp um Thorin Eichenschild nicht mehr weit von deren ehemaliger Heimat, dem Berg Erebor, entfernt. Doch über ihrer Reise tobt der zornerfüllte Schatten des Orkkönigs Azog. Auf der Flucht gelangt die Gruppe in die dunklen Gefilde des Düsterwalds. Vom Großbären Beorn über gigantische Spinnen im Düsterwald bis hin zu einem unerschöpflichen Vorrat an mordlustigen Orks reichen die Kampfszenarien, aus denen Hobbit und Zwerge auch dieses Mal erstaunlich unbeschadet hervorgehen, findet unser Autor Martin Schwickert. Was er sonst noch zum zweiten Teil der Verfilmung von Tolkiens »Der kleine Hobbit« zu sagen hat, können Sie hier nachlesen.

 

Filmfutter jenseits der Neustarts:

Sukuma Award

Zum ersten Mal wird der Sukuma Award auch in Leipzig ausgeschrieben! Bis 15. Dezember 2013 kann man seine Kinospot-Ideen zum Thema Bankgeheimnisse noch einreichen. Die besten werden dann mit Profis umgesetzt und verfilmt. Die nächsten fünf Einsendungen gewinnen automatisch einen Kinogutschein für die Cinémathèque Leipzig. Mehr Infos unter www.sukuma-award.de

 

Animierte Filmtage

Die Kinobar hat sich im Dezember dem Animationsfilm verschrien. Eröffnet wird die Reihe mit dem ästhetisch eindrucksvollen tschechischen Animationsfilm »Alois Nebel« (siehe oben), der die Geschichte des Bahnhofsvorstehers Alois Nebel erzählt, der von den Schatten der Vergangenheit, der Vertreibung der Sudetendeutschen aus seiner Heimat nach dem Ende des Krieges, verfolgt wird. Auch zurück in der Zeit reist ein ebenso visuell umwerfendes, atmosphärisches Melodram: »Der Mohnblumenberg« von Goro Miyazaki erzählt von einer Gruppe Teenager in Yokohama, die ihr baufälliges Clubhaus vor dem Abriss im Zuge der Olympiade 1964 bewahren wollen. Ein Ari Folman-Spezial vereint die beiden animierten Streifen »Waltz With Bashir« und »The Congress« des isrealischen Regisseurs. Und eine Auswahl kurzer animierter Streifen rückt nicht nur ein vermeintlich schreckliches außerirdisches Monster in den Fokus, sondern auch einen Pinguin, der dem Weihnachtsmann einen Brief schreiben möchte.

12.-18.12., Kinobar Prager Frühling, www.kinobar-leipzig.de

 

Filmriss Filmquiz

Sie graben in der dunklen oder auch unterhaltsamen Vergangenheit der Stars und Sternchen, graben lustige Fotografien von früher aus und wissen spannende Drehnotizen – Lars Tunçay und André Thätz fragen sich wieder quer durch die Filmgeschichte und haben jede Menge toller Preise im Gepäck. Obwohl im Januar eigentlich die Winterpause ist, wird es ausgelagert aus dem Conne Island ein ganz besonderes Filmquiz geben und auch dafür wird es heute Abend schon Karten zu gewinnen geben.

12.12., Conne Island

 

MIMA – Videokunst aus dem CCA Tel Aviv

Die Galerie KUB hat das Vergnügen in der ersten Ausgabe von MIMA in der Cinémathèque und dem Center for Contemporary Art Tel Aviv zu kooperieren. Diana Shoef baut im CCA seit 1999 die beeindruckende Sammlung an experimentellen Filmen und Videokunst des CCA auf. Gezeigt werden internationale Experimentalfilme von 1963 bis 2013.

15.12., Cinémathèque in der naTo, in Anwesenheit von Diana Shoef

 

Horror-Doppel mit Donis

In der neuen Ausgabe des Horror-Doppels wird der Spannungshorror-Bogen von einem nicht wirklich idyllischen Häuslein, auf dem offensichtlich ein erbitterlicher Fluch liegt zu einem uralten Schloss, auf den bereits mehrere Menschen durch mittelalterliche Folterinstrumente zu Tode gequält wurden. »The Amityville Horror« (1979), von dem es bereits unzählige Fortsetzungen gibt, folgt dem geisteskranken Ronald, der eines Nachts seine Familie brutal umbringt und ein Jahr später, die neue Familie, die einzieht, drangsaliert. In »Das Spukschloss des Grauens« (1963) jagt die junge Schlossherrin Mary Garson einen grausamen Täter und stößt im Anblick der »Eisernen Jungfrau« in der Rüstungskammer, die berüchtigtste Tortur mittelalterlicher Tribunale, auf ein schreckliches Geheimnis.

18.12., LURU-Kino in der Spinnerei

Weitere Filmbesprechungen und -tipps finden Sie hier und in unserer Printausgabe. Gute Unterhaltung im Kinosessel!


Kommentieren


0 Kommentar(e)