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Kultur

Exitus der Mumie

Dosenstechen und Wickelarbeit im »Imaginärem Museum«

  Exitus der Mumie | Dosenstechen und Wickelarbeit im »Imaginärem Museum«

»Imaginäres Museum« bringt Kunst und Archäologie zusammen. Letztere kann es brauchen, droht doch die Schließung des Leipziger Instituts an der Universität.

»Große Verschwender sind in die Geschichte eingegangen, Sparfüchse wurden vergessen.« Man kann es einen Glücksfall für die gebeutelte Archäologie an der Universität Leipzig nennen, dass sie seit Dezember zusammen mit der HGB das Projekt »Imaginäres Museum« verwirklicht. So hatte nicht nur Uni-Dozent Frank Zöllner die Sparvorgaben der Landesregierung (s. kreuzer 03/2014), aufgrund welcher die Uni-Leitung die Schließung der Klassischen Archäologie erwägt, als »Armut im Geiste« kritisiert: »Sparen ist die fleischgewordene Fantasielosigkeit.« Das Ausstellungsvorhaben streicht auch die Relevanz dieser Wissenschaft – sofern man solches Kriterium seinerseits für relevant in der Beurteilung von Wissenschaft hält – heraus. Der Mensch versteht sich auch aus seiner Geschichte heraus; ohne historische Bildung sind Aufklärung und Gegenwartsbewusstsein nicht zu haben.

Studierende der HGB sind also in einen künstlerischen Dialog gegangen mit den Universitätssammlungen. Am 10. April eröffnete die zweite Etappe dieses Austauschs – direkt an den Orten der Objektsammlungen selbst. Das Innere der Antikensammlung hat ein Lichtkonzept in grüne Illumination gehüllt. Man mag sich an Grasnarben erinnert fühlen, die Artefakte einst vorm Blick des Ausgräbers verbargen, oder Meeresgrün, in dessen Weiten die Objekte auf ihr Bergen warten. Im seltsamen Licht zeigen sich die antiken Fundstücke dem Besucher auf neue Weise. An Büsten, deren Nasen abgeschlagen sind, hat eine Witzboldin Riecherker aus Schokolade drapiert. In Tuch eingewickelt thront eine Titanen-Amphore im Saal. Meist sind die Kunstwerke erst nach und nach auszumachen, man muss sie unter den Artefakten erst erspähen.

In den Arbeiten steht immer wieder die Ordnung der Dinge auf dem Prüfstand, wie eine Arbeit zeigt, die den Eingangssaal im Ägyptischen Museum  dominiert. Die Installation »New World Disorder« hat die Anmutung einer Vitrine in Obeliskenform. Auf ihren Glasböden sind diverse Gegenstände und Materialien verstreut. Welche Gedankenordnung, welche Raster und Muster beim Sortieren und Anlegen von Sammlungen zu tragen kommen, haben auch andere Werke zum Inhalt. Sammelsticker zeigen die Ikonen und Totems von heute. Im Vitrinengang des Obergeschosses findet sich eine Ansammlung von Büchsen und Dosen, von denen die Farbe abgekratzt ist. Nur Details sind noch sichtbar, ein Axt schwingender Wikinger auf einer Faxe-Dose, ein Rathausturm auf einer Fischbüchse, ein Alter Schwede auf einer Bierhülse. Ein anderer hat von der Schutzbrille bis zum Stahlsplitter den ägyptischen Artefakten moderne hinzugesellt.

Eine Performance als Wickelarbeit zeigt den Prozess der Mumifizierung am Beispiel einer jungen Frau. Das kann als Exitus-Sinnbild dafür herhalten, dass die Archäologie in Leipzig und damit auch die Sammlungen bedroht sind. Mögen die Entscheider gewarnt sein. Frei nach einem altägyptischen Grabfluch: »Der große Gott wird über all jene richten, die dieses Institut zu einer Begräbnisstätte machen oder ihm Böses zufügen.«


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