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Kultur

»Was soll die lahme Scheiße?«

Ein Kneipenbesuch mit der Schlagzeugerin Anna-Leena Lutz

  »Was soll die lahme Scheiße?« | Ein Kneipenbesuch mit der Schlagzeugerin Anna-Leena Lutz

Rufen wir gleich am Anfang die Grundthese in den virtuellen Raum, dass es keine Objektivität gibt. Im Journalismus selten, und in diesem Text sowieso nicht. Mal ganz abgesehen davon, dass die Autorin dieses Artikel sowieso großer Fan der Gruppe Die Heiterkeit ist, führte dann auch noch das anberaumte Interview mit der bis dato persönlich nicht bekannten Schlagzeugerin Anna-Leena Lutz zu einem ungeplanten, aber gepflegten Besäufnis.

Treffpunkt Hafenbar. Endlich. Der Termin war schwer zu finden, obwohl wir beide quasi um die Ecke wohnen. Denn Lutz ist viel unterwegs zurzeit. Neben der Hamburg-Berliner Band Die Heiterkeit spielt sie auch noch bei Half Girl, studiert zudem in Merseburg Angewandte Kultur- und Medienwissenschaft. Mit den Goldenen Zitronen waren Die Heiterkeit zuletzt auf Tour, ihre eigene folgt jetzt. »Da mussten wir hardcoremäßig proben«, erzählt sie, während die Bardame Bier und Weißweinschorle bringt. Lutz war nicht von Anfang an bei Die Heiterkeit, sie kam letztes Jahr für Stefanie Hochmuth, als die Songs für das zweite Album »Monterey« bereits geschrieben waren. Sängerin Stella Sommer brachte die Fragmente in den Proberaum, zu dritt entwickelten sie dann weiter. So entstand ein Album voller unaufgeregter, tiefstimmig vorgetragener Lieder über Kapitäne, müde Pferde oder Cary Grant.

»Das Album polarisiert total«, hat Lutz beobachtet. »Es kommen oft Leute und sagen: Was soll die lahme Scheiße?« Andere dagegen bejubeln es. Schon der Vorgänger »Herz aus Gold« schlug ein in den Feuilletons: mit Lässigkeit und Eleganz, unaufgeregten Indiegitarren, an Nico erinnerndern Gesang und Textzeilen wie »Für den nächstbesten Dandy werd' ich dich verlassen«. In die Radiocharts kommen sie damit aber eher nicht, glaubt Lutz. »Zu wenig gutgelaunte Frühlingssongs.«

Schlagzeugerin wurde sie, weil ihr Vater, der Musiker Chris Imler, ihr ein Schlagzeug ins Zimmer stellte. Gitarren- und Klavierunterricht waren nicht so erfolgreich. Also fing sie an, sich selbst das Trommeln beizubringen. »Richtig Spaß machte das erst, als ich eine Band hatte.« Mit Punk wäre die wohl am ehesten zu beschreiben. Später gründete sie mit der Sängerin Julie Mies Half Girl, eine Sixties-Garagerock-Band mit einer gewissen Verehrung für Lemmy von Motörhead. Die anderen Heiterkeits-Musikerinnen sahen sie auf einem Half Girl-Konzert und fragten, ob Lutz nicht auch bei ihnen mitmachen wolle. Sie überlegte erst, dann wollte sie. Langsam und zurückhaltend hier ihr Schlagzeugspiel, bei Half Girl laut und schnell. »Da tun mir danach immer die Arme weh«, sagt sie und dreht die nächste Zigarette.

Seit viereinhalb Jahren wohnt Lutz nun in Leipzig. Wir fangen an, über Orte (»Warst du eigentlich schon mal im Goldhorn?«) zu reden, dann über die Leute (»Eine richtige Szene gibt es hier nicht, oder? Bei Staatsakt ist das zum Beispiel immer wie ein Familientreffen«). Und natürlich über Jungs und Mädchen. »Wieso betont man das denn immer so, dass wir eine Mädchenband sind?«, fragt Lutz. »Das macht man doch bei Jungs auch nicht.« Auch Die Heiterkeit selbst betonen das nicht, thematisieren die politischen Fragen des Feminismus nicht weiter, sondern spielen einfach – wenn auch nicht auf Ladyfesten. »Da werden wir aber auch nicht eingeladen«, glaubt Lutz, bemerkt aber dennoch, dass Mädchen sich oft weniger trauen als Jungs. Das sollte man ändern.

Wir arbeiten sofort dran, planen Karaokeabende, weitere Bandgründungen, Konzertbesuche. Aber erst mal noch ein neues Bier, einen neuen Weißwein. Dann zeigt ein Blick auf die Uhr, es ist zwei Uhr nachts. Ein Blick ins Portemonnaie, es ist leer. Zeit zu gehen.


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