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Politik

Hier gekürzt, dort geschenkt

Was versprechen die Parteien in ihren Kommunalwahlprogrammen? Ein Überblick

  Hier gekürzt, dort geschenkt | Was versprechen die Parteien in ihren Kommunalwahlprogrammen? Ein Überblick

Am Sonntag wird gewählt. Neben der Europawahl kann der Leipziger auch bestimmen, wer im neuen Stadtrat sitzen soll. Aber wen soll man wählen, für was stehen die Parteien? Falls irgendjemand es nicht mehr schaffen sollte, bis zum Wochenende alle Wahlprogramme der Leipziger Parteien durchzuackern, hat Markus Kowalski eine durchaus launige Übersicht erstellt. Für alle anderen verlinken wir auch die vollständigen Programme.

 

CDU

Die Leipziger Christdemokraten können eines sehr gut: mit blumigen, schön klingenden, aber wenig konkreten Floskeln ihr Programm füllen. Die »Volkspartei« begnügt sich dabei mit mageren 16 Seiten Wahlprogramm. Der ausgeglichene Haushalt habe oberste Priorität, dafür wollen sie freiwillige Ausgaben streichen, sprich: Bildungs- Sozial- und Kulturausgaben. Bei Sozialleistungen dürfe die Stadt nicht überfordert werden, Bedürftige sollen sich an der Arbeitssuche beteiligen. Wahlgeschenke gibt es mit der CDU auch, bevorzugt an Rentner: Günstigere Tickets für Bus und Straßenbahn für »ältere, aktive Senioren«. Revolutionär wird die Verbesserung der »Ampelschaltungen, die einen reibungslosen Verkehrsfluss garantieren«. Regiert dann mehr »Grün« auf Leipzigs Straßen anstatt »Rot«? Innovativ sollen eine »Park-App« und freies WLAN in Bus und Bahn werden. Beim Lieblingsthema Sicherheit hat die Partei klare Anweisungen parat: Es werden »wilde Müllablagerungen umgehend geräumt und Graffiti konsequent entfernt«. Außerdem müsse die Stadt vermehrt als »Sicherheitsbehörde« auftreten. Bei Drogen geht es weiter: Umschlagplätze an öffentlichen Plätzen sollen langfristig »ausgetrocknet« werden.

Das vollständige Wahlprogramm der CDU hier.

 

FDP

In schnoddrigem Ton beschweren sich die Leipziger Liberalen über die unnötige Überregulierung der Stadt, welche ihre Freiheit einschränkt. Um die Gründung neuer Unternehmen zu fördern, wollen sie die Bürokratie abbauen: »Der Amtsschimmel muss in den Galopp wechseln!« Das schließt auch die Abschaffung der Umweltzone »und anderer Reglementierungen« mit ein. Aus der Schuldenfalle des Haushaltes will die FDP raus, indem sie die Effizienz bei freiwilligen Ausgaben überwacht. Kommunale Unternehmen sollen, so weit es geht, privatisiert werden. Das Geld aus diesem »Abspecken« wollen sie in die Schuldentilgung oder die Schulen und Kitas fließen lassen. Auch bei der Kultur fordern sie Effizienz durch verpflichtende Einsparungen ab 2022 um jährlich 10 Millionen Euro. Gegen Videoüberwachung sprechen sich die Liberalen zwar aus, stattdessen dringen sie auf präsente Polizeibeamte als Ansprechpartner vor Ort. Kontrovers dann die Stadtentwicklung: Zwar soll eine Überregelung der Stadtgestaltung vermieden werden, bei »kritisch diskutierten Einrichtungen« wie solchen verschiedener Glaubensgemeinschaften oder Asylbewerberunterkünften müssten jedoch »geeignete Plätze in der Stadt« gefunden werden.

Das vollständige Wahlprogramm der FDP hier.

 

Linke

Die Vision von einer Stadt, in der die Linke leben will, scheint weit weg: Der fahrscheinlose Nahverkehr und ein völlig überarbeitetes Finanzkonzept sind nur ein Vorgeschmack auf die ehrgeizigen Vorhaben der Partei. Wahlgeschenke gehen hier in Form von kostenlosen Kitaplätzen mit gesundem Mittagessen und einem 10-Euro-Mindestlohn bei städtischen Arbeitsaufträgen über den Tisch. Die Arbeit des Jobcenters soll durch die Mitbestimmung von Stadträten transparenter werden. Bei den Finanzen will die Partei um eine gerechte Fördermittelvergabe für die Stadt kämpfen: weniger Geld an das Land Sachsen und die Stadt Dresden, mehr Geld für Leipzig! Um das grundsätzliche Problem der klammen Kommunen zu lösen, soll das Finanzkonzept zwischen Bund, Ländern und Kommunen komplett neu geregelt werden. Verkehrspolitisch wollen die Linken mit autofreien Sonntagen und dem Verzicht auf weitere Parkplätze im Innenstadtring für eine autoarme Innenstadt sorgen. Eine umweltpolitische Agenda ist ebenso umfangreich: Verbot von Heizpilzen, Schutz des Auenwaldes, weniger Lichtverschmutzung. Zum Thema Sicherheit setzen sich die Linken gegen Videoüberwachung und verdachtsunabhängige Kontrollen ein.

Das vollständige Wahlprogramm der Linken hier als PDF und hier als MP3.

 

Grüne

Es ist eines der umfangreichsten Parteiprogramme und listet klare Arbeitsanweisungen auf: Die Bündnisgrünen haben auf 40 Seiten eine Flut von Zielen formuliert. Beim Thema Finanzen sehen sie einen Ausweg aus den Schulden durch Kürzungen bei der Stadtverwaltung und durch mehr Zuschüsse von Bund und Ländern. Die Geschlechtergerechtigkeit soll konsequent in Kitas, den Jugendämtern und der Verwaltung durchgesetzt werden. Beim Thema Drogenhilfe fordert die Partei, mit Modellprojekten aus anderen Städten die kontrollierte Abgabe von illegalen Drogen zu testen. Bei der Energiewende sind die Ziele ambitioniert: Kommunale Betriebe sollen bis 2030 ausschließlich erneuerbare Energie verwenden, um ein Vorbild für private zu sein. Für den Ausbau von schnellem Internet setzen sie sich ebenso ein wie für die Förderung von Freifunk in der Innenstadt. Um die Kultur zu erhalten, denken die Grünen über die Einführung einer Kulturtaxe für Touristen, wie bereits in Dresden, nach und wollen die Clubs »Distillery« und »Conne Island« unbedingt erhalten. Exotisch sind die Vorhaben zur »essbaren Stadt«: Urbane Landwirtschaft soll auf städtischen Brachflächen und Gemüsegärten in Parks gefördert werden.

Das vollständige Wahlprogramm der Grünen hier zum Lesen und hier zum Hören.

 

SPD

Die Leipziger Sozis haben einen bunten Strauß an kleinen politischen Zielen zusammengestellt. Beim Thema Sicherheit setzen sie sich für mehr Drogenpräventions- und Repressionsarbeit und gegen den Polizei-Stellenabbau ein. Außerdem wünschen sie sich mehr legale Graffitiwände. Um die Sauberkeit im öffentlichen Raum zu gewährleisten, sollen Menschen über den zweiten Arbeitsmarkt beschäftigt werden, im Klartext: Billige, staatliche subventionierte ABM-Kräfte putzen dann die Innenstadt. In der Stadtentwicklung will sich die Partei für einen Mindestanteil an bezahlbarem Wohnraum in jedem Viertel einsetzen. Doch hier gibt es, wie häufig im Programm, keine konkreten Zahlen. So legen sich die Sozialdemokraten bei vielen Problemthemen nur vage fest. Außerdem bekräftigen sie, dass sie Initiativen, Projekte, Kleingärtner, Vereine, die freiwillige Feuerwehr und das Jugendparlament unterstützen. Auch Flüchtlinge und Homosexuelle sind ihnen willkommen. Doch mehr als »in den Dialog treten« versprechen sie nicht: Vielmehr ist es ein Wohlfühl-Programm, welches niemanden vor den Kopf stoßen will und damit kein scharfes Profil hat.

Das vollständige Wahlprogramm der SPD hier.

 

WVL

Die »Wählervereinigung Leipzig« ist keine klassische Partei, sondern ein eingetragener Verein. Und so versteht sich die WVL als Repräsentantin der engagierten Bürgerschaft, die abseits der Parteilager auch mal mitreden will. Ihre Werte sind Solidarität, Rücksichtnahme und Verantwortung. Das Stadtgebiet will die Vereinigung in Ortschaften gliedern, mit eigenständigen Räten, Verfassungen und Budgetrecht. Die Frage, ob und wieso diese kleinen Parlamente dann die kommunalen Probleme lösen können, bleibt allerdings unbeantwortet. Thematisch engagieren sie sich in den Gebieten Transparenz, Arbeit und Senioren. Als Besonderheit hat die Gruppe ihre konkreten Ziele nach Wahlkreisen geordnet, wie beispielsweise die Verkehrsberuhigung auf der B2 in Rückmarsdorf im Wahlkreis 7. Trotz ihrer gut gemeinten Ziele, wie dem Kampf gegen prekäre Beschäftigung, finden sich im Programm kaum Ansätze, wie sie diese Ziele erreichen will. Daran hat die WVL bis zum Redaktionsschluss noch gearbeitet, es standen lediglich die Anliegen fest. Es scheint also, dass die Gruppe selbst erst kurz vor der Wahl aktiv wird, wie sie es bei den klassischen Parteien bemängelt.

Kein Wahlprogramm zu finden: http://www.wv-leipzig.de/

 

Piraten

Im kurzen Programm beschränken sich die Piraten auf ihr Kernthema, das Internet. Sie fordern dabei, im Gegensatz zu den meisten anderen Parteien, für die bekannten großen Probleme digitale Lösungen. So soll ein Online-Portal transparent und tagesaktuell darstellen, nach welchen Kriterien die Kitaplätze vergeben wurden. Beim Jobcenter sollen alle Arbeitsanweisungen und Mitarbeiter-Kontaktdaten auf der Jobcenter-Website veröffentlicht werden, damit deren Arbeit transparent wird. Beim Thema Kultur und Freizeit halten sie sich kurz: Eine Zurückhaltung der Stadt und der Verzicht auf umfassende Reglementierung soll den selbstbestimmten Bürger ins Zentrum stellen. Ebenso dürfen der Straßenverkehr und der öffentliche Raum aus Piraten-Sicht nicht unnötig überreguliert werden. Für die Stadtverwaltung fordern sie allerhand: Bürger sollen über E-Mails mit den Behörden kommunizieren können, dazu soll eine Verschlüsselung eingerichtet und genutzt werden. Als Vision wollen die Piraten einen Runden Tisch »Leipzig 2.0 – Digital« einrichten und dort die digitale Revolution für Leipzig planen.

Das vollständige Wahlprogramm der Piraten hier.

 

Neues Forum

Für mehr Bürgerbeteiligung und »die Kraft der Argumente« kämpfend sieht sich das Neue Forum geschichtsträchtig als fortwährende Stimme der Bürger von 1989 im Stadtrat. Als wichtiges Ziel sollen Bürgerentscheide über Verkehrsprojekte, große öffentliche oder private Bauvorhaben entscheiden. Ebenso will die Gruppe durch die Einrichtung von Ortschaftsräten mit eigenem Budgetrecht die Stadtteile stärken und »öffentliche Räume vor Verwahrlosung bewahren«. Auch bei ihnen gibt es zahlreiche Wahlgeschenke: Ein fahrscheinloser Nahverkehr soll ausprobiert, der kostenlose Zugang zu städtischen Bibliotheken und Archiven ermöglicht werden. Dazu wollen sie die Zweitwohnungssteuer abschaffen. Beim Thema Finanzen sind sie strikt gegen die Privatisierung von kommunalen Betrieben. Einsparen soll die Stadt bei »unsinnigen Bauprojekten«. Welche Vorhaben ihrer Meinung nach »unsinnig« sind, lassen sie aber ungeklärt. Ihre vorausschauende Wirtschaftspolitik soll den Umweltschutz und den Erhalt von Arbeitsplätzen im Blick behalten. Aber was wollen sie konkret beschließen? Das bleibt ebenso ungewiss.

Das vollständige Wahlprogramm des Neuen Forums hier.


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