anzeige
anzeige
Kultur

»Wir sind überall«

Das Bildermuseum zeigt zwei ungleiche Ausstellungen

  »Wir sind überall« | Das Bildermuseum zeigt zwei ungleiche Ausstellungen

Es herrscht Halbzeitpause im 250. Jubiläumsjahr der Hochschule für Grafik und Buchkunst. Die Feierlaune hält konstant an, denn nach Ausstellungen in der Kunsthalle der Sparkasse, der Galerie für Zeitgenössische Kunst und im Museum für Druckkunst gelangte die HGB nun im Bildermuseum an. Diese Emsigkeit vor Ort spricht eine klare Sprache: An ihr kommt niemand vorbei, sie ist wichtig, und das ist auch richtig. Wäre da nicht diese fast schon atemberaubende Kluft zwischen Anspruch und Wirklichkeit, die sich nicht nur im erfolgreichen Verdrängen eines Teils von Hochschulgeschichte zeigt. Natürlich ist es einer Institution zuzumuten selbst den Feierrahmen abzustecken. Aber wenn uns 2014 Einblicke in die tägliche Hochschularbeit und »das breite Netzwerk« versprochen werden und dann die Diplomausstellung selbst nur eine Woche zu sehen ist, fallen mal wieder Theorie und Praxis gehörig auseinander.

So scheint das Motiv zur Ausstellung »Herz, Reiz & Gefühl« in weiser Voraussicht gewählt. »Groteske« heißt die Studie vom ersten Akademiedirektor Adam Friedrich Oeser, die allerdings auch als Wegbeißen interpretiert werden könnte.

Heute bildet Oeser im Untergeschoss des Bildermuseums die Schnittstelle zwischen zwei sehr ungleichen Ausstellungen, die bis Mitte Herbst zu sehen sind. Seitens der HGB wählte Ralf F. Hartmann, künstlerischer Mitarbeiter der Klasse für Bildende Kunst (Astrid Klein) und Prorektor für Forschung und Hochschulentwicklung, 14 Positionen der Abschlussjahrgänge 1993 bis 2012 aus. Sie sollen nicht nur die Präsenz bei internationalen Kunstgroßereignissen beweisen, was die im Katalog zu findenden Kurzbiografien allerdings nicht wiedergeben, sondern auch das künstlerische Arbeiten an kulturellen, politischen und sozialen Fragestellungen. Allein unter diesen Aspekten hätten sicherlich noch ganz andere Positionen das Museum beleben können. Den Arbeiten selbst kann bis auf wenige Ausnahmen – da schon zu oft gesehen oder zu möchtegerndiskursiv – kein Vorwurf gemacht werden. Denn auch sie legen in ihren stärkeren Momenten den Finger in das offensichtliche HGB-Wundmal: Dekonstruktion von Mythen kann zu Geschichten führen, die eben noch nicht das x. Mal gehört werden müssen. Und da kommt das Museum selbst ins Spiel. Wer hätte nicht gern einmal gesehen, wie sich die beiden Institutionen zwischen 1933 und 1945 zueinander verhielten? Oder wie das Museum beispielsweise mit den im Mai 1945 entlassenen Lehrkräften in der Nachkriegszeit umging?

Mit »Kunst. Schule. Leipzig. Malerei und Grafik nach 1947« relativiert die von Frédéric Bußmann organisierte Ausstellung diesen Geschichtsverlust etwas. Sie stellt jeweils eine Arbeit aus dem Bestand des Museums und der Peter und Irene Ludwig-Stiftung der über 60 am Fachbereich Lehrenden von 1946 bis zur Gegenwart vor. Sie will weder ästhetische Entwicklungslinien noch Heldengeschichten erzählen, dafür über die Netzwerke vergangener Zeiten und heute anhand der nebenstehenden Kurzbiografien aufklären. Hier finden sich nun einige Schlüsselwerke der Leipziger Kunst: Sei es das »Bildnis Alfred Frank« von Walter Münze, das auf die von KPD-Seite geprägte Kunstentwicklung vor 1933 verweist, in der der spätere Rektor Massloff eine führende Rolle spielte, oder das »Gruppenporträt Leipziger Künstler« von Harry Blume (1961), das einen Teil der ersten Generation Studierender mit Wolfgang Mattheuer, Heinrich Witz, Werner Tübke, Hans Mayer-Foreyt, Bernhard Heisig und Blume selbst vereint.

Die Leerstellen im Bestand, die sich nun an der Wand manifestieren, sollen laut Museumsdirektor Schmidt Appetit darauf machen, Werke von beispielsweise Ingo Garschke oder Heribert C. Ottersbach zu stiften. Auf einen anderen Aspekt weist er bereits zum wiederholten Male hin: Dass ihm keine andere Kunstakademie bekannt sei, in der Generationen vom Studium über das Angestellten-/Beamten-Dasein bis zur Rente walteten. Er spricht gar vom Familienbetrieb – manchem käme möglicherweise auch der Begriff von Vetternwirtschaft in den Sinn. Auch das wäre ein weiterer Grund, um endlich eine objektive Aufarbeitung in Gang zu bringen, die dann wiederum den Wunsch der Rektorin nach 250 Jahren Zukunft eine stabile Basis geben könnte.


Kommentieren


0 Kommentar(e)