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Kultur

Nerven und Schweiß wegen Wanderhure

Voland & Quist darf Julius Fischers Buch wieder verkaufen

  Nerven und Schweiß wegen Wanderhure | Voland & Quist darf Julius Fischers Buch wieder verkaufen

Bei Voland & Quist klingelt gerade den ganzen Tag das Telefon. Der kleine Leipziger Verlag taucht derzeit in der Presselandschaft der gesamten Republik auf. Schuld daran: die Wanderhure, ihre Wanderwege und die Frage, was Satire darf.

Der Leipziger Autor Julius Fischer hatte sein Buch »Die schönsten Wanderwege der Wanderhure« genannt und sich damit ziemlich offensichtlich auf die durch Sat.1-Fernsehfilme und eine Buchreihe bekannte Wanderhure bezogen. Der Verlag Droemer Knaur fand das nicht so witzig und klagte gegen den Titel. Mit Erfolg. Im März erwirkte er vor dem Landgericht Düsseldorf eine einstweilige Verfügung und damit ein vorübergehendes Vertriebsverbot des Buches. Denn das Gericht kam zu der eben doch »fernliegenden« Annahme:

»Es erscheint nicht fernliegend, dass der Verkehr (gemeint sind Menschen, Anm. d. Red.), der sich nicht mit dem Inhalt des Werks beschäftigt hat, den Titel wörtlich nimmt und tatsächlich davon ausgeht, er diene der Kennzeichnung eines Werks, welches sich auf der Grundlage der bei Droemer verlegten Romane mit der Beschreibung von Wanderwegen befasse, zumal die Titelfigur als ›Wanderhure‹ umherzieht.«
Es war ein Urteil für Eigentumsrecht und gegen Kunstfreiheit und Satire. Die Verleger von Voland & Quist fanden das ungerecht und gingen in Berufung. Ein finanziell riskantes Unterfangen, das sie vor allem dank einer Crowdfunding-Kampagne umsetzen konnten, die innerhalb von vier Tagen über 14.000 Euro einbrachte (und dank der großzügige Spender nun gemeinsam mit Julius Fischer durch die Sächsische Schweiz wandern dürfen). »Ohne diese Unterstützung wäre es sehr schwierig für uns geworden, nochmal vor Gericht zu ziehen«, sagt Sebastian Wolter, einer der beiden Verlagsgründer. Doch »kommerzieller Erfolg muss parodierbar bleiben«, forderten sie. Schließlich sei ja der Sinn von Satire, andere zu stören.

Das sah jetzt auch das Oberlandesgericht in Düsseldorf so. Da der Titel in seiner satirisch-ironischen Formulierung eine Kombination des heutigen Vergnügens an »schönen Wanderwegen« mit einer mittelalterlichen »Wanderhure« schaffe, sei er bereits selbst Kunst, hieß es im Urteil. Damit hat Voland & Quist gewonnen. Doch ist noch nicht ganz klar, ob es nicht noch ein Verfahren geben wird. Gegen die Entscheidung des Oberlandesgericht bestehen zwar keine Rechtsmittel, aber Droemer Knaur könnte nun ein Hauptsacheverfahren anstrengen und klagen. »Ich weiß nicht, was sie machen werden«, sagt Wolter. Aber er hoffe, dass das Ganze jetzt nicht nochmal von vorne losgeht. Das durch das Crowdfunding eingenomme Geld, das nach den angefallenenen Kosten übrig bleibt, werden Voland & Quist dem Kurt-Tucholsky-Museum spenden.

Und da es jetzt wieder erlaubt ist, werden sie die zweite Auflage von »Die schönsten Wanderwege der Wanderhure« drucken. Hat sich die ganze Aufregung also gelohnt? So viel Medienrummel hatte der kleine Verlag wohl noch nie. »Das war keine PR-Aktion«, betont Wolter. »Mir wäre lieber, wenn wir die ganze Arbeit und den Ärger nicht gehabt hätten. Das hat doch auch ganz schön viel Nerven und Schweiß gekostet.«


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