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Theaterkritik

Flimmerstunde Varieté

Der Krystallpalast rollt den roten Teppich zum Winterprogramm aus

  Flimmerstunde Varieté | Der Krystallpalast rollt den roten Teppich zum Winterprogramm aus

Menschen, Bierchen, Sensationen: Das Krystallpalast Varieté schickt sein Programm für die kalte Jahreszeit auf Sendung. Zum Glück enttäuscht »Winterflimmern« alle Vorahnungen an glitzernde Schneewelten und Glühweinheimeligkeit. Die will ja in diesem goldenen November, der sich erst seit Kurzem als Nebelmonat zeigt, noch gar nicht aufkommen. Denn die Betonung liegt auf dem Flimmern und der Kleinkunsttempel lädt zum hauseigenen TV-Programm.

Wie Promis werden die Zuschauer einzeln über einen roten Teppich in den Saal geführt, dürfen Bedeutsames oder ein Lächeln in die Kamera senden. Dann beginnt die Fake-Fernsehsendung (R: Urs Jäckle). Die fügt sich zu einem schillernden Mosaik aus spektakulären Einzelnummern. Der Conferencier Brian O’Gott zieht – seinem gruseligen Künstlernamen zum Trotz – ein Wortspiel nach dem anderen aus der Scrabble-Tüte und führt so gewandt wie geschwind durch diese Flimmerstunde Varieté. Besonders lustig ist sein Märchen, in welchem sich die Geschichte an Ortsnamen entlang hangelt. Wenn Menschen »Kempten im Allgäu« oder ein Ritter mit dem »Schwerte« unter Priestern gefürchtet war für sein »Paderborn«, entwickelt sich das zum kurzweiligen Vortrag.

Der mit 20 Jahren jüngste deutsche Berufszauberer und BRD-Meister Luke Dimon verschafft einem Pärchen via Gedankenübertragung ein Blind Date, muss aber aufgrund der für einen Magier schwierigen Publikumssituation etwas rudern. Doch fast alle Verblüffungen bleiben als Tricks auch für jene Zuschauer auf dem Rang verborgen, die ihm ein bisschen mehr in die Karten gucken können. Auf mehreren übereinandergeschichteten Koffern und Rollen (Rola Bola) leistet ein Artist einen mulmig machenden Balanceakt. Vertikale Tuch- und Kettennummern sowie Seilspringen verführen das Poesie suchende Auge. Höhepunkt ist in diesem Programm aber ein Comedy-Act im Rhönrad-Studio. Hier werden Krawatten zu Uhren, ein »Kumpelhammer« fliegt magisch von Hand zu Hand und ein Bierchen trotzt der Schwerkraft. Seltsam? Aber so wird es gesendet. Der Krystallpalast beweist auch im neuen Programm, dass Kleinkunst nicht abgeschmackt und anbiedernd ausfallen muss, sondern selbst mit Fokus aufs breite Publikum Sensationelles bis zum Kammerflimmern auftischen kann.


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