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Kultur

»Dionysisch angeflanscht«

Hipsterselig und ein bisschen gaga: Oliver Schwerdt übers »Euphorium-Minifestival«

  »Dionysisch angeflanscht« | Hipsterselig und ein bisschen gaga: Oliver Schwerdt übers »Euphorium-Minifestival«

Euphorium: Der Name ist Programm – irgendwie. Zwischen ausgelassen mitreißendem Vortrag und dadaistischem Unfug ist alles dabei, wenn die lose große Gruppe um Oliver Schwerdt loslegt und schon mal ein Harmonium durch den Winterwald schleppt. Jetzt wollen sie eine Fleischerei mit Alkoholausschank inszenieren. Warum und wie das geht, erklärt Schwerdt höchstpersönlich.

kreuzer: Was macht das Westpaket auf Südbesuch?

OLIVER SCHWERDT: Zum letzten Westbesuch pilgerten 5.244 Leute auf die Karl-Heine-Straße. Umgekehrt ist vielen Hippern und Hipperinnen wiederum das alte subkulturelle Zentrum der Südvorstadt unbekannt. Das macht nichts. Tatsächlich produziert auch das Euphorium jetzt in Lindenau. Hier hat die intellektuelle und ästhetisch akzentuierte Geselligkeit einfach momentan seinen höchsten Siedestand eingewinkelt. Darum bieten wir einmalig für eine privilegierte Hundertschaft eine Abenteuerreise zu einer alten Legende. Die naTo hat die beste Bühne!

kreuzer: Warum inszenieren Sie eine Fleischerei?

SCHWERDT: Die Fleischerei Reinhard Tempels ist eine ehemalige. Seit Ronny Schmieger und André Schütze im Sommer 2013 hier eine Kneipe eröffnet haben, gilt noch die Fleischverkaufslizenz für den Tag. In der Nacht gibt es einfach keinen Alkoholausschank. Das ist der Hintergrund. Vordergründig scheint der Tempel eine Disco für Polizisten und Intellektuelle, Bauarbeiter und Studierende der örtlichen Kunsthochschule zu sein. Das hat uns fasziniert. Auch dass ein Thomaner, der nicht Thomas heißt, die Musik der Band Dackelblut auflegen kann. Das inspiriert, hey.

kreuzer: Wird das ein Tempel des Fleisches oder was passiert da?

SCHWERDT: Die inszenierte Tempel-Bühnenkneipe in der naTo wird sich als Verschränkung von privaten Erzählebenen, symbolischen Formen, Originalmobiliar und Glas aus Nice konstituieren. Meine Rechnung ist, dass eine Künstlerin wie Peggy Pehl im Nu eine gesamte Gesellschaft umdrehen kann. Experimentell ist die Konstellation dadurch, dass hier ein verdichteter Sozialkörper von Tempel-Personal und Stammkundschaft tatsächlich zum Alkohol greift. Das kann nur die Bühne.

kreuzer: Welche Zielgruppe peilen Sie an?

SCHWERDT:
Es ist vorgesehen, dass die Lindenau Natives – also die Ureinwohner des hippen Viertels – Schlange stehen, aber bevorzugt eingelassen werden. Das Einlassregime orientiert sich zudem am Faktor des jeweiligen HGB-Künstlerhonorars. Es gibt niemanden, der in Dresden studiert. Dabei wird in der ersten Dezemberwoche um Marktpreise gespielt. Titus Schade, Ronny Szillo, Enrico Meyer und Justus Jager überhaupt. Außerdem erwarten wir den 6-aus-49-Klaus, Bernd Garry Lübitz, der gemeinsam mit Niklas Rauch den Kraftsport erfand. Ganz spannend ist auch, dass angesagte Illustratorinnen, Galeristinnen, Fotografinnen, Literatinnen wie die Frauen Schaller, Chwaszcza, Bender, Önder keinen Platz auf der Bühne einnehmen. Das sind alles Aspekte, deren Wirksamkeit nicht auf einen hermetischen Kunstraum beschränkt bleibt.

kreuzer: Wie passen Theater und Freejazz zusammen?

SCHWERDT: Tatsächlich schreibt die Tempel-Inszenierung ein neues Kapitel von erweiterten Spieltechniken in das Pianoforte ein. Wie sich das konkret ereignet, will ich an dieser Stelle nicht verraten. Die Passgenauigkeit von Free Jazz und Theater kondensiert sich namentlich an Ernst-Ludwig Petrowsky, der auf der Bühne der naTo das erste Mal zum zweiten Mal 80 Jahre alt ist. So viel kann ich versprechen: Die sinnliche Garnitur des Abends ist eingespeist zwischen dem auditiven Schenkel einer balkanesischen Hirtendiade und dem visuellen Spektakel, welches dionysisch angeflanscht die lautere Heiterkeit der Tempelfeminine heftet.

kreuzer: Warum haben Sie keine Lust auf »Vollbartbodos« mehr? Und was werden Sie im Gesicht tragen?

SCHWERDT: Nice! Das Problem mit den Vollbartbodos des Vorjahres. Dietmar Diesner, einer der alten Männer, die 2013 diese Landschaft performativ bestellten, trug weder Haupt- noch Barthaar. Ich selbst werde nicht auf dem Boden der Bühnenkneipe zu sehen sein. Mein Gesicht ist nicht zu sehen. Getragen wird auch nichts, sondern gestemmt. Ich hebe den Tempel auf. Es ist ein historisches Ereignis.


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1 Kommentar(e)

Denis 06.11.2023 | um 10:24 Uhr

Schwerdtiiiiiiiii XD -Denis