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Netzkolumne

Aus dem Netz auf die Straße

Der virtuelle Stammtisch – die neue Netzkolumne befasst sich heute mit Legida

  Aus dem Netz auf die Straße | Der virtuelle Stammtisch – die neue Netzkolumne befasst sich heute mit Legida

Der kreuzer hat jetzt auch eine Netzkolumne. Vom Alkoholgenuss rackert sich die Onlineredakteurin durch die Tiefen des Netzes, wird dabei sehr schnell politisch und fordert endlich mal gute Stammtischparolen.

Eigentlich sollte das hier eine Kneipenkolumne werden. (Chef: »Ey, wolltest du nicht mal eine Kolumne schreiben?« Ich: »Ja, nur worüber?« »Was machst’n grade?« »Sitz inner Kneipe.«) Aber nach gut und gerne 15 Jahre andauernder intensiver Recherche in verschiedensten Etablissements (Übrigens, schon gehört? Der Tempel macht zu – und das Vmax auch) stellte sich raus: Ach, nö. Die völlig Gestörten und die Typen, in die man sich verknallt, die blödesten Stammtischparolen und die sinnlosesten und daher spannendsten Diskussion findet man ja dann doch nicht nur am Tresen. Sondern vielmehr überall, weltweit – Internet, you know. Also Netzkolumne jetzt. Kannst dir trotzdem ein Bier aufmachen.

Und welches Thema beherrscht die Netzgemeinde seit Tagen und Wochen, bald Monaten (also seit Ewigkeiten, so in Katzenvideolängen gerechnet)? Legida-pegida-PopoGida.

Da deren Forderungen hier schon auseinandergenommen wurden, sei hier inhaltlich dazu nur gesagt: Auch ich bin sehr oft unzufrieden mit Politikern, mit dem Fernsehprogramm, mit Entwicklungen nach der Wende, mit meiner finanziellen Situation, mit was auch immer. Und ja, man sollte dagegen viel öfter aufbegehren. Aber was bitte hat der Islam damit zu tun? Was der Flüchtling aus Syrien? Wie kann man, wenn man doch auf gar keinen Fall ein Rassist sein will, zu einer Demo gehen, die von Nazis instrumentalisiert wird? Ich weiß es nicht.

Ich weiß aber auch nicht, wann oder ob ich es schon mal erlebt habe, dass gefühlt jeder, der durch Liken, Followen oder Freundschaftsanfragen virtuell mit mir verbunden ist und in Leipzig lebt, einer Meinung ist oder zumindest an der selben Veranstaltung teilnehmen möchte. Nämlich an der #nolegida-Demonstration am Montag. Das ist zumindest schon mal erfreulich, wenn man bedenkt, dass die Gegenproteste in Dresden irgendwie nicht so richtig in Fahrt kommen wollen. Als sächsisches Problem wird Pegida inzwischen ausgemacht, weil in Städten wie Köln, München oder Berlin überproportional mehr Menschen für Weltoffenheit und Toleranz auf die Straße gehen als für irgendein Abendland. Doch in Dresden waren es letzten Montag 4.000 Gegendemonstranten bei etwa 18.000 Pegida-Mitläufern. Also wirklich ein sächsisches Problem? Weil die CDU-Regierung gerne ein bisschen mitschwimmt, von Asylverschärfungen und Sondereinheiten für straffällig gewordenen Asylbewerber schwadroniert? Weil die Justiz seit Jahren vor allem damit beschäftigt ist, Blockierer von Nazi-Demos anzuklagen (ob Politiker, Priester oder Punk ist ganz egal) und Gegendemonstranten abzuhören? Ja, es gibt offensichtlich sächsische Probleme. Und die werden nächsten Montag nicht gelöst werden.

Auch wenn mein selbst zusammengeklickter Stammtisch leider nicht den Rest der Republik repräsentiert, besteht ein wenig Hoffnung, dass es in Leipzig weitaus mehr Gegendemonstranten geben könnte: TdjW und Schauspielhaus haben ihre Proben für Montag abgesagt und alle aufgefordert, zu den Gegendemos zu gehen, die Poetry Slammer haben gestern einen eigenen Nolegida-Slam veranstaltet, der Bürgerverein Waldstraßenviertel fordert alle auf, ganz laut Beethoven zu hören, die Menschen, die man noch nie auf einer Demo getroffen hat, sprechen einen in der Kneipe (da sind wir wieder) an, ob wir uns am Montag dort treffen. Fordert irgendwer eigentlich nicht auf, zur Gegendemo zu gehen?

Denn gerade nach dem grauenvollen Anschlag in Paris, den Pegida/Legida sofort für ihre Meinungsmache verwendeten und zum Beispiel auffordern, in Trauerflor zu kommen, ist es umso wichtiger, ein Zeichen gegen Islamophobie zu setzen.

Wenn alles gut und jeder mitläuft, der auf Facebook auf Teilnehmen geklickt hat, könnte dieses Zeichen klappen. Wenn die Leute aus dem Netz auch auf die Straße gehen. Wir sehen uns da. Und danach gehen wir ein Bier trinken und denken uns mal richtig gute Stammtischparolen aus.

PS: Um von seinem Optimismus wieder runterzukommen, muss man natürlich nur die Kommentare auf der Legida-Seite lesen oder den Tweets von Erika Steinbach folgen.

 

Top 5 der Lieblingslinks

1 Einfach mal die Domain legida.de besorgen und dann die Demo absagen. http://legida.de/

2 Die Dresdener Band Yellow Umbrella hat zusammen mit dem Dancehallartist Ronny Trettmann einen Song gemacht, der vieles auf den Punkt bringt https://soundcloud.com/yellowumbrella2/no-pegida-yellow-umbrella-ronny-trettmann-tiny-dawson

3 Alle Wege führen zum Waldplatz https://www.google.com/maps/d/viewer?mid=zMi1BvmCf4Rk.kmJFvDZAD8fc

4 Der Terroranschlag in Paris und wie AfD, NPD und Pegida darauf reagieren http://www.publikative.org/2015/01/07/profiteure-des-hasses/

5 Katzenvideo!? Nein, aber Matthias Schweighöfer. Der ist ja ähnlich süß. Weil es wichtig ist, dass sich nicht nur linke Intellektuelle gegen Pegida äußern, sondern auch Menschen, die Til Schweiger mögen https://www.facebook.com/matthias.schweighoefer/posts/10152969137504406


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