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Stadtleben

Sag', wie ist es dir ergangen?

Der Fotograf Olivier Colin über seinen neuen Leipzig-Bildband

  Sag', wie ist es dir ergangen? | Der Fotograf Olivier Colin über seinen neuen Leipzig-Bildband

Grelles Knattern, manchmal auch leises Säuseln, der Lärm der Baustelle oder das Murmeln eines Sees. Leipzig ist in Bewegung und Olivier Colin ist der Stadt mit seiner Fotokamera auf der Spur. Er versucht ihren Rhythmus zwischen damals und heute in seinen Bildern einzufangen. »Leipzig, wir sind deine Kinder«, ein Bildband, der mit fundierten Textbeiträgen für so manch einen Ur- aber auch für Neu-Leipziger interessant sein dürfte, ist noch auf Hilfe einer Crowd angewiesen.

kreuzer: Vor zehn Jahren hast du Leipzig schon einmal besucht, bist sogar regelmäßig gependelt. Hat sich dein Eindruck von damals zu heute geändert?

OLIVIER COLIN: Ich habe damals schon gespürt, dass es gerade einen Aufbruch gibt. Die Straßenbahnhaltestelle vor dem Hauptbahnhof wurde zum Beispiel gerade gebaut. Es war der Anfang einer neuen Infrastruktur. Im Zentrum ist mit dem Augusteum auch ein Stück schöne, moderne Architektur entstanden. An einem Ort, wo früher tatsächlich eine Kirche ihren Platz hatte, steht heute eine Reminiszenz daran.

kreuzer: Die Eindrücke oder Bilder in dem Fotobuch »Leipzig, wir sind deine Kinder« sind in den letzten rund zwei Jahren entstanden. Wie hat die tiefere Auseinandersetzung mit dem Stadtleben hier begonnen?

COLIN: Ich habe mir Zeit gegeben, die Stadt zu erkunden. Grünau war da ein erster Anlaufpunkt. Dort hat sich im Vergleich zum Zentrum nicht so viel geändert. Aber genau deshalb gibt es dort viele Geschichten zu entdecken. Die Alte Messe ist noch ein anderes Stück der Geschichte, das für die Stadt und international von Bedeutung ist, auch im Hinblick auf die immer noch präsente Ost-West-Debatte.

kreuzer: Die Alte Messe wird auch auf dem Cover deines Buches zu sehen sein. Nach welchen Maßstäben wählst du deine Motive aus?

COLIN: Meistens ziehe ich mit meiner analogen Kamera los und schaue, was mir passiert. Dann unterhalte ich mich mit Personen auf der Straße und lerne so ein bisschen von deren Leben kennen. Früher habe ich mir viel von Cartier-Bresson, Helmut Newton und Robert Capa angesehen. Diesen Augenblick, den Cartier-Bresson »le moment décisif« nennt, nach dem halte ich Ausschau. Sehr intensiv, sehr intim muss es dann zwischen mir und dem Fotografierten werden. Das kann ein Überraschungsmoment sein. Egal ob Kinder, die Leute am Kiosk nebenan oder die Jugendlichen auf dem Kinderspielplatz.

kreuzer: Dein Stil hat also eher dokumentarischen Charakter? Ähnelt die Bilderserie einer Reportage oder siehst du dich als Künstler?

COLIN: Vielleicht treffen alle drei Dinge zu. Es ist eine sehr aktuelle Dokumentation von dem, was alltäglich gerade in Leipzig passiert. Das quadratische Format ist dahingehend etwas Neues. Seit sieben oder acht Jahren reise ich mit der Kamera durch verschiedene Länder. In Mexiko-Stadt habe ich angefangen, seriöser zu arbeiten und durch eine Agentur auch für die Regierung zum Thema Gewalt gegen Frauen fotografiert. Mexiko ist ein Land, in dem viel passiert. Doch man muss sich intensiv mit der Geschichte und der Kultur auseinandersetzen, um das zu verstehen.

kreuzer: So wie es dir auch mit Leipzig ergangen ist. Das Fotobuch erzählt nun deine Geschichte der Stadt.

COLIN: Nicht unbedingt. Es gibt keine Chronologie. Ein Journalist wird zu wichtigen Themen, die wir uns gemeinsam überlegt haben, Texte schreiben. Im Buch sollen sie dann auf Deutsch, Französisch und Englisch zu lesen sein. Dieser Band ist für alle. Aber für die Leipziger ein bisschen mehr. Deshalb habe ich auch eine Crowfunding-Aktion auf einer Leipziger Internetplattform gestartet. Der Mitteldeutsche Verlag greift mir zwar bei der Veröffentlichung unter die Arme, aber für die tatsächliche Umsetzung fehlt dann leider doch noch etwas. Ich möchte mir nun in Leipzig meine Basis aufbauen. Die Stadt bewegt sich und ist homogen, das gefällt mir. Leipzig hat die richtige Größe im Gegensatz zu den Megametropolen, in denen ich bisher gelebt habe.


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