anzeige
anzeige
Kultur

»Wer keine Nazis verteidigen möchte, darf nicht Polizist werden«

Feine Sahne Fischfilet über Pegida, Aktenschreddern und ihr neues Album

  »Wer keine Nazis verteidigen möchte, darf nicht Polizist werden« | Feine Sahne Fischfilet über Pegida, Aktenschreddern und ihr neues Album

Am Samstag spielen Feine Sahne Fischfilet in Leipzig, um ihr aktuelles Album »Bleiben oder Gehen« vorzustellen. Ob man denn lieber bleiben oder gehen sollte, wenn man auf dem Land zur Antifa gehört, erklärt Trompeter Max Bobzin im Interview. Und was sie letztens in Dresden gemacht haben.

kreuzer: Als ihr am 13. Februar einen Gig in Dresden hattet, habt ihr vorher spontan bei der »Statt Opfermythos – Verantwortung übernehmen«-Demo gespielt. Wie wars?

MAX BOBZIN: Es ist schon bemerkenswert, an dem Tag in Dresden zu spielen, an dem noch vor fünf Jahren bis zu 7.000 Neonazis durch die Stadt marschiert sind. Wir waren damals fast jedes Mal dabei und haben versucht, den bis dato größten Naziaufmarsch Europas einzudämmen. Das ist definitiv durch die vielen engagierten Menschen und die vielen Arten und Weisen gelungen. Dieses Jahr sind die Nazis selbst ja gar nicht mehr an dem Tag gelaufen, sondern zwei Tage später an einem Sonntag – überraschenderweise. Die Teilnehmerzahl blieb dabei jedoch übersichtlich. Das weiß man in Dresden nicht immer allzu genau, wenn man an die Montagsdemos denkt. Die sind ja sehr schnell aus dem Ruder gelaufen.

kreuzer: Für viele kam Pegida überraschend. Ihr macht schon immer mobil gegen Rassismus. Wie nehmt ihr die Bewegung in den letzten Monaten in Sachsen wahr?

BOBZIN: Sie ist eine logische Konsequenz aus vielen Dingen, die schief laufen. Zu allererst aus der in allen Gesellschaftsteilen schon immer vorhandenen Fremdenfeindlichkeit. In Verbindung mit der Unzufriedenheit über die eigene Lebenssituation wird dann wenig bis gar nicht reflektiert und lieber nach simplen Lösungen und Projektionsflächen gesucht. So hat man schnell den Sündenbock gefunden und ruft »Ausländer raus«. Dass in dieser Verknüpfung kein logischer Zusammenhang bestehen kann, sollte uns der gesunde Menschenverstand sagen. Ich würde es begrüßen, wenn diese mediale Aufmerksamkeit positiv genutzt und vermittelt wird, wo genau Rassismus anfängt. Nämlich genau in der Herabsetzung des »Anderen«.

So überraschend wie die selbsternannte »Bewegung« gekommen ist, hat sie sich übrigens auch wieder gespalten, zerschossen oder zumindest ins Abseits katapultiert. Da wurde sicherlich auch von den Medien viel aufgeblasen, aber wenn innerhalb von wenigen Wochen so viele Menschen auf die Straße gehen, ist das einfach ein Zeichen dafür, wie tief rassistische Einstellungen in der Gesellschaft verankert sind.

kreuzer: In Mecklenburg-Vorpommern, wo ihr lebt, sind Neonazis vor allem auf dem Land ein Problem. Ihr spielt immer wieder in kleinen Clubs in kleinen Städten, um dort die Antifa zu unterstützen. Wie kann man junge Menschen motivieren, dort zu bleiben, wo es nicht wie in Leipzig oder anderen Städten eine große antifaschistische Szene gibt, sondern man jeden Tag Angst haben muss, auf die Fresse zu kriegen?

BOBZIN: Das sollten die Leute schon gut für sich selbst abschätzen. Ich kann gut verstehen, wenn diese Leute irgendwann keinen Bock mehr haben, Opfer rechter Gewalt zu sein. Wir wollen diesen Leuten aber auch zeigen, dass sie nicht allein sind. Wir wollen sie ermutigen zu ihrer antifaschistischen Haltung zu stehen, egal wo. Denn das ist nichts, wofür man sich verstecken braucht.

kreuzer: »Bleiben oder gehen« ist auch die Frage auf eurem Album. Was spricht für bleiben? Was für gehen?

BOBZIN: Bleiben muss nicht stillstehen heißen, gehen heißt nicht gleich verändern. Dennoch sollte man in jeder Lebenssituation ausreichend reflektieren und vor allem irgendwann Entscheidungen treffen. Denn es ist keine Option, diesen Zwiespalt zu einem Dauerzustand zu machen.

kreuzer: Ihr singt auch Zeilen wie »Niemand muss Bulle sein«. Euren Song »Staatsgewalt« spielt ihr nicht mehr, oder? Ist es nicht zu einfach, auf der Polizei rumzuhacken?

BOBZIN: Es wäre einfacher für unser persönliches Wohlbefinden, wenn wir nicht auf Demos gehen würden, wo wir mit Polizeigewalt konfrontiert werden. Da wir aber eine politische Meinung haben und es nicht zulassen wollen, Nazis marschieren zu sehen, sind wir zwangsläufig in dieser Konfrontation. Wer keine Nazis verteidigen möchte, darf nicht Polizist werden. Wer Polizist werden will, hat es sich auch ausgesucht, Nazis zu verteidigen. »Staatsgewalt« spielen wir übrigens wirklich nicht mehr. Das war ein Ausdruck persönlicher Erfahrungen und des Gefühls von Ohnmacht gegenüber staatlicher Willkür und Gewalt.

kreuzer: Apropos: Was macht der Verfassungsschutz?

BOBZIN: Vielleicht bauen sie gerade wieder einen weiteren NSU auf. Diesmal in Sachsen? Ist ja nicht so weit von Thüringen entfernt. Zumindest werden sie aktiv daran arbeiten, dass nicht alle Verstrickungen der vergangenen Mordserie an das Tageslicht gelangen. Aktenschreddern ist auch ein Hobby.

kreuzer: Auf dem Album geht es auch viel um Einsamkeit nach dem Feiern, Ratlosigkeit, Liebe. In der Gala (!) sagtet ihr, das viele Touren zerstört auch Beziehungen. Wollt ihr trotzdem so intensiv weitermachen?

BOBZIN: Es ist wichtig, dass die Personen um einen herum sich auch mal in ihren Ansprüchen zurücknehmen können und man achtsam miteinander umgeht. Das ist wirklich nicht immer einfach und natürlich entstehen dadurch auch Reibungspunkte. Diese kann man aber in den allermeisten Fällen durch eine klare Kommunikation, viel Geduld und Aufmerksamkeit aus der Welt schaffen. Ob und wie lange wir so weitermachen, lässt sich nicht sagen. Bei einer Band mit sechs Leuten kann so viel dazwischen kommen, dass es sich nicht lohnt, weit voraus zu planen. Lieber sollte man das, was gerade stattfindet, genießen, so lange es so ist.


Kommentieren


0 Kommentar(e)