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Kultur

Das hat Madonna nicht verdient!

Die Ausstellung »In guter Nachbarschaft« am MdbK hat kein Konzept

  Das hat Madonna nicht verdient! | Die Ausstellung »In guter Nachbarschaft« am MdbK hat kein Konzept

Das Museum der bildenden Künste absolvierte die 1.000-Jahre-Feierei bisher ganz souverän. Die Paul-Klee-Ausstellung im Frühjahr verwies auf die vielen Leerstellen im eigenen Bestand der Moderne und schaute so über den Tellerrand. Mit der Ausstellung »In guter Nachbarschaft. Vielfalt und Reichtum aus 25 Leipziger Sammlungen« allerdings verhebt sich das Haus ganz schön.

Am Freitagabend wurde im MdbK eine Ausstellung eröffnet, die 250 Objekte aus lokalen Sammlungen präsentiert. Da rollen schnell Begriffe wie Kosmos über die Lippen und Lobesworte auf die Kollegialität unter den Sammlungsleitern in der Stadt. Ein Konzept oder ein roter Faden werden dagegen abgelehnt und der Museumsraum als reiche Assoziationskammer beworben. Gefolgt von den Ergänzungen, dass Kunsthistoriker den »Niveausprung« wagen sollten, um die eigenen Ansprüche gegen einfache Vermittlungsansätze und knallige Überraschungseffekte auszutauschen.

Es irritiert bis entsetzt, wie ein öffentliches Museum mit Niedrigschwelligkeit kokettiert und damit der eigenen Arbeits- und Existenzweise misstraut. Zuerst sei erst einmal gefragt, ob nicht ganz allgemein professionelle Vermittlungsangebote dafür stehen, dass sie selbst komplizierteste Zusammenhänge allgemein verständlich aufbereiten können? Im Bildermuseum wird das offenbar etwas anders gesehen.

Was will nun die Ausstellung? Sie soll in Kabinetten die Atmosphäre von Kunst- und Wunderkammern erahnen lassen, »in denen das Skurrile ein Mitspracherecht hatte«, so Hans-Werner Schmidt im Ausstellungsheft. Die Kabinette basieren auf zwölf »Leitbildern« aus dem Museumsbestand. Sie stellten die Vorgabe an die lokalen Sammlungen dar, diese mit eigenen Objekten zu bereichern. Den Kabinetten wurden zudem noch Überschriften verpasst, die – das liegt nahe – ja irgendetwas mit dem Stadtjubiläum zu tun haben: Gelehrsamkeit, Protest, Lebensraum, Lebensquelle, Vernunftwelten, Traumwelten, Antikensehnsucht, Mutteridole, Selbstinszenierung, Punk, Abenteuersehnsucht, Opfertod. Na, allein diese Verkettung von Begriffen eröffnet doch einen sehr großräumigen Assoziationsraum vor dem inneren Auge. Und tatsächlich treten sich in den Kabinetten altbackene paternalistische Klischees und banale Geschichtsbilder gegenseitig auf die Füße. Bei der Lebensquelle wird eine Gebärmutter kredenzt, während bei den Vernunftwelten noch nicht mal eine Künstlerin oder Wissenschaftlerin vertreten ist. Bei den Traumwelten galt die Vorgabe von Francisco de Goya »Der Traum der Vernunft gebiert Ungeheuer«, weshalb sich nun Eulen aus dem Naturkundemuseum neben sehr schön gestalteten Schlafmittelverpackungen des Apothekenmuseums und einem Foto der Besetzung der Leipziger Stasizentrale zusammenfinden. Bei Protest – ausgehend von Bernhard Heisig Gemälde »Pariser Kommune III (Pariser Märztage 1871)« – sind neben Waffen, Pflastersteinen, Polizeiknüppel und Wendetransparenten eine große Zahl an Schriftplakaten von 1994 bis 2014 zu sehen. Warum? Klar, Schrift und Protest geht immer – aber warum diese Epoche? Gut, dass bei der Pressekonferenz der 1.000-Jahre-Chef Torsten Bonew dabei war. Er behauptete, dass »wir« 1989 nur eine Schriftart auf der Erika-Schreibmaschine gehabt hätten. Was nicht nur schlicht und ergreifend falsch ist, sondern sehr schön zeigt, wie Hängung und Anhäufung schiefe Geschichtsbilder zusammenbasteln – ganz von selbst.

Und so geht es weiter in den anderen Kabinetten. Skurriles an allen Ecken und Enden. Meistens wirkt vor allem die Wunderwaffe diagonale Blickachse. Im Kabinett Opfertod hängt dem am Boden liegenden blutüberströmten Siegfried einer Schullehrtafel das Blatt »Karl Liebknecht auf dem Totenbett« von Alfred Frank gegenüber. Das Museum liefert dafür die einfache Begründung, der selbst CDU-Mitglied Bonew nichts entgegnete: Beide kämpften für das Gute in der Welt. Bei den Mutteridolen steht diagonal zum Leitbild der kopierten »Sixtinischen Madonna« eine Vitrine mit Medienprodukten von Madonna aus der Stadtbibliothek. Im Hörsessel kann sitzend in Endlosschleife »Papa, don’t preach« gelauscht und auf weibliche Unterleiber geschaut werden.

Ja, das mutet wirklich alles sehr skurril an. Vielleicht hätte der konzeptuellen, wissenschaftlichen Arbeitsweise doch etwas mehr Mitsprache eingeräumt werden sollen. Denn entgegen aller Klischees kann diese intelligente und witzige Blickachsen schaffen.


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