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Stadtleben

Euter, Tod und FDP-Niederlage

Das 23. Badewannenrennen soll das letzte gewesen sein

  Euter, Tod und FDP-Niederlage | Das 23. Badewannenrennen soll das letzte gewesen sein

So richtige Melancholie wollte nicht aufkommen beim »aller-allerletzten Badewannenrennen«. Es war das 23. – immerhin. Bei nahezu idealen äußeren Bedingungen starteten diesmal acht maritime Kollektive, darunter zwei politische Parteien, in den zahlreichen Disziplinen und außersportlichen Wettbewerben, die ja bei der naTo traditionell einen hohen Stellenwert genießen. Statt Melancholie gabs aber reichlich Pathos.

Die routinierten Conferenciers Armin Zarbock und Larsen Sechert, beide in Leipzig weltbekannte Rampensäue, ließen den Spannungsbogen niemals abreißen. Als dann die vier wackeren naTo-Urgesteine unter Führung ihres Kommandeurs Elstermann in Ritterrüstungen (oben rum) und unter den Klängen von Mozarts Requiem die Zinkbadewanne aus dem Jahr 1015 versenkten, erlebten die zahlreichen Zuschauer zweifellos den Höhepunkt der diesjährigen Rennen. Der Geist Paul Fröhlichs wurde beschworen nebst allerlei hübschen Geschichtsklitterungen, was etwas angestrengt wirkte. Aber wahrscheinlich gab der 1.000 Jahre Leipzig e.V. viel Geld und musste irgendwie befriedigt werden.

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Das sportliche Glanzlicht war der mit Abstand letzte Platz der Jungen Liberalen, die tatsächlich glaubten, sich mit der Teilnahme an sportlichen Wettkämpfen bei der örtlichen Bevölkerung einschleimen zu können. Ist grandios misslungen. Die beiden wackeren FDP-Paddler mussten ins Ziel geschoben werden, sonst wäre der Zeitplan ins Wanken gekommen. Sieger wurde übrigens die HTWK, »die Intelligenz von morgen« (Moderator), knapp vor den Euterpiraten, die mit einer absolut überzeugenden Anzugsordnung völlig zu Recht den Designpreis der naTo-Ästhetikkommission errangen. Auf Platz 3 landete die Wanne des Todes, ein gut eingespieltes Kollektiv der todessehnsüchtigen schwarzen Szene, die viel zu fröhlich rüberkamen. Auch deren Boot schien so gar nicht der Endlichkeit geweiht, es gewann sogar, und auch dies ganz überzeugend, den »Sonderpreis der SWL für Umwelt- und familienfreundliche Ingenieurleistung«. Aber wer ein Wave-Gothic-Festival von Weltgeltung ausrichten kann, muss eben auch im irdischen Leben bestehen können. Platz fünf erreichte die Rote Zora, das Boot der Linken mit ihrem Star Jule Nagel, die auch selbst wacker mitpaddelte. Fünf Prozent reichen ja auch fürs Parlament und blinder Eifer schadet nur.

Aber warum nur sollen wir künftig auf diesen schönen Event verzichten müssen? Die naTo hat neue Pläne, die noch nicht verraten werden sollen (natürlich wird kreuzer online als Erster darüber berichten ...). Unter der Hand war aber auch zu hören, dass die städtischen Bürokratien immer größere Hürden auferlegten, somit natürlich auch Ausnahmeregelungen immer teurer wurden. Dass konservative Kreise schon immer gegen das Rennen wetterten als Entweihung eines nationalen Heiligtums, ist zwar bekannt, aber umso schöner fand man ja deswegen dieses Rennen. Denn dieser Platz, an dem ja noch immer das mindestens 10 m hohe Napoleondenkmal fehlt, ist und bleibt ein widerliches Mahnmal nationalistischer Selbstüberhöhung, das im Laufe seiner Geschichte immer wieder von falschen Seiten politisch vereinnahmt wurde. Ohne melancholisch werden zu wollen: Unterm Strich ist es schade, dass die naTo dieses Format aufgibt.


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1 Kommentar(e)

Jens 18.07.2015 | um 14:10 Uhr

Oh Mann, das ist wieder einer der Texte, die die Überschrift KOMMENTAR verdient haben müssten. Von neutraler Berichterstattung keine Spur. So etwas gehört in einen Blog, aber nicht in ein Stadtmagazin.