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Ein Zentrum für die Pressefreiheit 



Eindrücke von der Eröffungskonferenz des ECPMF

  Ein Zentrum für die Pressefreiheit 

 | Eindrücke von der Eröffungskonferenz des ECPMF

In Leipzig nimmt das European Center for Press and Media Freedom seine Arbeit auf. Die Beteiligten erhoffen sich bessere Arbeitsbedingungen für Journalisten in Europa.

In Italien wurden in den vergangenen Jahren 25 Journalisten getötet. Bis zu 30 stehen unter Polizeischutz. Viele werden bedroht, allein, weil sie ihrer Arbeit nachgehen. Die Berichterstattung über Korruption und die Mafia kann dort lebensgefährlich sein. Doch ist das Land nicht das einzige in Europa, in dem Journalisten unter Druck geraten. Serbische Journalisten wurden an der ungarischen Grenze angegriffen, als die Riot Police im September dort Flüchtlinge zurückdrängte. Journalisten aus Ostdeutschland forderten kurz darauf mehr Schutz für Reporter, die von Pegida-Demonstrationen berichten und dort angefeindet werden.

Das European Center for Press and Media Freedom wird sich fortan Problemlagen der Presse- und Medienfreiheit in Europa widmen. Vertreter von 25 journalistischen Einrichtungen, Verlagen, akademischen Institutionen und Medienrechtsexperten aus 16 europäischen Ländern gründeten das Zentrum im Juni 2015. Auf dem Mediencampus der Medienstiftung der Leipziger Sparkasse fand vor einer Woche die Eröffnungskonferenz statt. Panels, Impulsvorträge und Diskussionsrunden beschäftigten sich mit Fragen zur Presse- und Medienfreiheit, die in Europa an vielen Stellen bedroht ist. 
»Europäische Werte müssen verteidigt werden und dabei spielt die Presse eine wichtige Rolle. Sie muss sich internationalisieren und organisieren«, sagte Lutz Mükke, Gründungsmitglied des ECPMF und ehemaliger Lehrbeauftragter an der Universität Leipzig. Das Zentrum will Initiativen, Einrichtungen und Einzelpersonen vernetzen, die sich für die Pressefreiheit in Europa engagieren.

Die Vorträge und Gesprächsrunden, die zum Beispiel die Rolle der Geheimdienste für den Journalismus oder die Kriminalisierung von Whistleblowern in Europa diskutierten, waren spannend besetzt und zeigten kritische Spannungsfelder auf, in denen Journalisten europaweit täglich arbeiten müssen. 
Laura Garavini sprach zum Beispiel über die prekäre Lage italienischer Lokaljournalisten. Sie sind wichtig für die Berichterstattung über die Mafia, da sie ihr lokales Umfeld besonders gut kennen. Doch werden diese Journalisten oft Opfer von Repressalien der Mafiosi. Garavini war Fraktionsvorsitzende des italienischen Partito Democratico im Antimafia-Ausschuss des italienischen Parlaments, gründete 2007 die Initiative »Mafia? Nein danke!« und findet den Grund für dieses Problem im schlecht bezahlten Journalismus: »Für 15 bis 20 Euro pro Artikel überlegt man zweimal, ob man kritisch über die Mafia berichtet.« Verleumdungsverfahren, die solchen Journalisten auf Betreiben der kriminellen Vereinigungen drohen, können sie in den finanziellen Ruin treiben.

Für Vorschläge aus dem Plenum, wie man die Arbeit des Zentrums gestalten könnte, waren die Veranstalter offen und dankbar. So hob Hans-Ulrich Jörges, stellvertretender Vorstandsvorsitzender des ECPMF und Mitglied der STERN-Chefredaktion, lobend eine Einladung aus der ersten Sitzreihe hervor, wonach man sich ja »einmal im Jahr in diesem tollen Haus in Italien« treffen könne. Allseits wurde betont, dass sich das Zentrum noch im Werden befindet. Plenen stimmten basisdemokratisch über Stellungnahmen ab, die Jörges bei der Anreise im Zug von Berlin nach Leipzig verfasst hat. So wirkte manches noch improvisiert, anderes hingegen sehr konkret.

In einem waren sich alle einig: Eines der größten Übel des Journalismus heute ist die schlechte Bezahlung vieler Journalisten überall in Europa. Qualitätsjournalismus und investigative Arbeit sind nur möglich, wenn man genügend Zeit und Mittel dafür hat. Die Frage, ob eine solche neugegründete Institution in der Lage ist, hier substantiell einen Unterschied zu machen, steht auf einem anderen Blatt. Denn es geht nicht nur um Journalisten, die in Serbien, Mazedonien oder Ungarn unter schlechten Bedingungen arbeiten. Auch hierzulande steht journalistische Qualität zusehends auf dem Spiel. Das ECPMF startet indes sein Journalists-In-Residence-Programm, in dem besonders prekär arbeitende Journalisten für sechs bis zwölf Monate nach Leipzig kommen können, um unter besseren Bedingungen ihrer Arbeit nachzugehen.


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