anzeige
anzeige
Kultur

Zwischen Flucht und Papagei

Von allem etwas zeigt die Hochschule für Grafik und Buchkunst bis Sonntagabend

  Zwischen Flucht und Papagei | Von allem etwas zeigt die Hochschule für Grafik und Buchkunst bis Sonntagabend

Traditionell zum Ende des Wintersemesters lädt die HGB zum Rundgang, um die Diplome und Arbeiten aus allen Klassen der Öffentlichkeit vorzustellen. In diesem Jahr zeigt sich die Fülle mit recht schwankender Qualität.

Gewöhnlich beginnt der HGB-Rundgang bereits draußen vor der Tür. Dort fanden sich in den letzten Jahren immer mehr oder wenig aufwendig installierte Konstrukte, die auf den Kunstgang einstimmten. Dieses Jahr wirkt alles sehr sauber und kein gestalterischer Eingriff will sich in den Vordergrund spielen. Alles sehr gediegen und aufgeräumt – so der erste Eindruck, der sich im Lichthof festigt. Eine Infotheke hält die Raumpläne bereit – auch hier alles mit strengen Linien und in Schwarz-Weiß-Tönen gehalten.

In der Galerie wird es dann etwas bunter. Hier und im Festsaal werden die 38 Diplome bzw. Teile der Diplomarbeiten gezeigt. Das Spektrum des Dargebotenen ist wie immer ein breites aus allen Fachbereichen. Die Malerei hat im Vergleich zur Sommerdiplomausstellung ihre quantitative Spitzenposition verloren. Aber das sei völlig normal – so Prorektor und Galerieleiter Ralf Hartmann. Nun können bis Sonntag Bücher, Installationen, Malerei, Fotografien, Zeichnungen, Filme und Hörstücke angesehen und gehört werden. Ob Materialien und Reklame zum Büro-Offsetdruck, Hörstücke zu offiziellen Trauermomenten, eine aufgezeichnete Performance, die Geschmack machen soll auf ein Leben nach dem HGB-Studium als Event- und Immobilienvermarkter oder Relikte von Performances – es findet sich viel. Aber leider muss wie im Vorjahr festgehalten werden, dass alles sehr gemäßigt daherkommt.

Aus aktuellem Anlass sticht das Buchprojekt »Out of Syria, inside Facebook« von Dona Abboud aus der Klasse für Typografie und Schrift aus dem Rahmen. Es versammelt 1.660 Fotografien von Menschen aus Syrien, die ihre Erinnerungen an die Vergangenheit in die virtuelle Welt verlagerten. Mit Hilfe des hausinternen Instituts für Buchkunst entsteht aus dem Buch eine Publikationsvariante zur Buchmesse, die eine breite Streuung garantieren soll.

Im Innenhof erinnern eine Vitrine und ein Monitor daran, dass Studierende im Grassi-Museum für Völkerkunde innerhalb der Ausstellungsreihe »Grassi »invites: # 1 fremd« ihre Arbeiten bis Mai zur Museumssammlung und Konstruktion zum Fremden zeigen. Das Fremde beleuchtet – im wahrsten Sinne des Wortes – auch die Fachklasse für Typografie und Schrift von Günter Karl Bose. Genannt wird der Raum »Typografische Projektion«, die auf dem von Walter Benjamin oft verwendeten Karl Kraus-Zitat basiert: »Je näher man ein Wort anschaut, desto ferner schaut es zurück.« Laterna magica und Camera obscura helfen, um zu erfahren, dass weder das Eigene noch das Fremde feste Größen darstellen müssen.

In anderen Fachklassen finden sich ebenso aktuelle Bezüge – etwa in der Klasse für Fotografie und Bewegtbild bei Tina Bara zur Herstellung von Textilien im Ausland. Allerdings zeigen sich in dem Klassenraum so viele Arbeiten, dass der Platz zur Betrachtung fehlt. Eine andere Fotografie-Klasse löste das Problem auf eine andere Art und Weise. Anstelle von Arbeiten gibt es Nebelschwaden und Vorlesestunde. So konnte sich jeder sein eigenes, inneres Bild erschaffen – auch keine schlechte Variante. Damit wird galant einer Enttäuschung entgegengearbeitet.

Als feste Größe an der HGB haben sich die bewegten Bilder etabliert. Sie sind im Raum 2.41 ebenso zu sehen wie in der Klasse für Expanded Cinema oder etwa auch in der Malereiklasse von Tilo Baumgärtel und im Grundstudium für Medienkunst. Die Bilder der Malereifachklassen wiederum widmen sich vordergründig dem Figurativen. Frische versprühen nicht viele davon. Hier machen sich Motive breit, die eher an das Gestern erinnern.

Im Grundstudium wird hart gearbeitet. Andere Schlüsse lassen die vorgestellten Arbeiten in allen Studiengängen nicht zu.

So bleibt zu hoffen, dass wir in den nächsten Jahren entschlossenere Diplome wahrnehmen können und insgesamt einer oder mehrere Schritte aus dieser gediegenen Waber-Atmosphäre unternommen werden, die der Kunst das Temperament und Denken zu nehmen scheint. Das wäre dann etwas mehr, als einen blauen Papagei in ein Holzgerüst zu verfrachten, den gab es auch zu sehen. Aber schauen Sie einfach mal selbst nach.


Kommentieren


0 Kommentar(e)