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Politik

Schatten des Halbmonds

Filmemacher aus der Türkei protestieren gegen Erdogan und Merkel

  Schatten des Halbmonds | Filmemacher aus der Türkei protestieren gegen Erdogan und Merkel

»Hier zeigt sich Erdogans faschistisches Antlitz«, die Sprecherin der Protestgruppe wird deutlich: »Wir sind verzweifelt, wissen nicht, wie es enden soll, wenn man gegen eine von sechs Millionen gewählte Partei einfach so vorgehen kann.« Zwanzig Filmemacher aus der Türkei haben spontan die kleine Kundgebung vorm DOK-Leipzig-Festival-Center organisiert. Ebenso viele Journalisten folgten ihrer Presseeinladung. Anlass ist die Verhaftungswelle in der Türkei. In der Nacht auf Freitag waren dort die Vorsitzenden und mehrere Mitglieder der Oppositions-Partei HDP verhaftet wurden.

Die Filmemacher halten Buchstaben in die Höhe: »Merkel stopp Unterstützung für Erdogan«. Eigentlich sind sie auf dem DOK für den Länderfokus auf der Türkei, dessen Titel wie ein Omen klingt: »Schatten des Halbmonds«.

»Wir sind entsetzt, es ist unglaublich, was in der Türkei passiert.« Auf Türkisch, Englisch und Deutsch drücken die Filmemacher ihren Zorn und Ohnmacht aus. Das sei ein neuerlicher Tiefpunkt in den ohnehin ungeheuerlichen Vorgängen im Land. Die Meinungsfreiheit gebe ohnehin nicht mehr, für Künstler fehle auch alle Lebenslust, kommentiert einer der Filmschaffenden. Ein Passant ruft einmal »Türkiye!«, dann ist der Störer wieder verschwunden. »Es heißt immer, es gibt so viel schlechte Dinge in der Türkei«, erklärt jemand. »Das stimmt, aber Europa ist nur oberflächlich gesehen besser. Es unterstützt Erdogan, finanziert ihn und sein Vorgehen in Syrien.« Deshalb richten sie ihren Protest gezielt gegen Merkel, weil sie nun einmal gerade in Deutschland sind. Können nicht einfach so auf dem Festival sein und schweigen, meint jemand. »Spread the news! In der Türkei ist selbst Whatsapp abgeschaltet!« Nach rund zehn Minuten ist die Protestaktion vorbei, viele Journalisten applaudieren. Dann schwärmen sie aus, um sich einzelne Interviewpartner zu suchen. Einmal mehr wurde DOK Leipzig zum Forum spontanen politischen Protests – den Unvernommenen eine Stimme geben, das ist die beste Seite des Festivals.


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