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„Da entsteht Konkurrenz“

Die Elefantenrunde – Das Original

  „Da entsteht Konkurrenz“ | Die Elefantenrunde – Das Original

Auf Einladung des KREUZER tragen sich Dr. Georg Girardet, Beigeordneter für Kultur der Stadt Leipzig, Dr. Herwig Guratzsch, Direktor des Museums für bildende Künste, und Dr. Klaus Werner, Vorsitzender des Förderkreises der Leipziger Galerie für zeitgenössische Kunst, zum Streitgespräch über die Zukunft der großen Museen. Die kontroverse „Elefantenrunde“ kam in dieser Besetzung erstmalig zum öffentlichen Dialog zusammen. Das Gespräch fand am 27. Juni 1995 in den Räumen der KREUZER- Redaktion statt.

KREUZER: Könnten sie eingangs kurz ihre Zukunftsvision von der Leipziger Museenlandschaft beschreiben?

Girardet: Leipzig ist als Musikstadt weltbekannt, als Kunststadt eher geprägt durch die Leipziger Schule. Wir haben in der Stadt bedeutende Sammlungen, die aber der Öffentlichkeit lange Zeit gar nicht oder nur begrenzt zugänglich waren. Das Ziel ist jetzt, diese Sammlungen wieder in ihrer vollen Pracht zugänglich zu machen. Mit großem Ehrgeiz gehen wir an den Neubau des Museums der bildenden Künste; wir hoffen, dass wir im Jahre 2000/2001 ein bedeutendes Museumsbauwerk ausweisen können. Hinzu kommt der Bereich des Grassimuseums, ein wunderschöner Bau mit einem Investitionsbedarf von über 100 Millionen Mark. Auch das Grassimuseum muß wieder an die Stadt herangeführt werden.

Guratzsch: Das Museum der bildenden Künste kann einerseits eröffnen, was im Keller ist. Andererseits soll es ein Veranstaltungsort für die unterschiedlichsten Medien werden und damit auch ein Kreuzungspunkt für die unterschiedlichsten Interessen. De Neubau würde 150 Millionen Mark kosten. 60 Millionen davon kommen aus der Kommune. Die Bereitschaft des Parlaments, lieber drei Straßen weniger zu bauen und dafür das Museum haben zu wollen, ist zur Zeit einmalig in der Bundesrepublik.

Werner: Wir mit unsere Leipziger Galerie sind die Neuankömmlinge, und das bereitet uns Schwierigkeiten. Man weiß, wie schwer sich das Land Sachsen tut, die bestehenden Einrichtungen am Leben zu halten. Umso schwerer fällt es da, neuen Gedanken und Initiativen Raum zu gebe. Leipzig hat bisher in Sachen Kunst unter seinen Verhältnissen gelebt. Die Stadt hat ein internationales Publikum, weil sie weltoffen ist, neigt aber im Umgang mit der Kunst dazu, konservativ zu sein. Dennoch hat Leipzig alle Anlagen, eines Tages den rang hinter den zwei großen Kunstszenen Berlin und Köln einzunehmen, ohne sich in die Rolle Frankfurts zu begeben und Museen aus dem Boden zu stampfen, die dann in der Luft hängen, weil ihre Finanzierung nicht gesichert ist.

KREUZER: Für den geplanten Neubau des Museums der bildenden Künste sind mehrere Standorte im Gespräch. Welche Lösung zeichnet sich ab?

Girardet: Nach den verschiedenen Ausleseprozessen sind der Sachsenplatz und die Rudolphstraße übriggeblieben. Andere Standorte spielen keine Rolle mehr.

KREUZER: Der Augustusplatz ist aus dem Rennen?

Georg Girardet

Girardet: Den Augustusplatz haben wir nicht weiterverfolgt. Die Verkehrssituation ist dort so problematisch, daß sich ein Museum nicht wohlfühlen würde.

KREUZER: Für Sie, Guratzsch, müsste doch gerade der Augustusplatz die Traumvariante gewesen sein. Dort stand schließlich früher das Bildermuseum.

Guratzsch: Das Bedauern ist groß, dass der alte Standort durch den Bau des Neuen Gewandhauses verlorengegangen ist. Aber dieser Standort ist gar nicht zu vergleichen mit der Ecke, an der jetzt das Hotel Deutschland oder „Mercure“ steht. Das hat psychologisch eine ganz andere Wirkung. Ich halte den Sachsenplatz für die stärkste Lösung, weil sie auch städtebaulich ein aufregendes Zukunftsbild im Zentrum der Stadt schafft.

Girardet: Der Sachsenplatz ist für mich besonders interessant, weil sich da eine neue Entwicklung ergeben hat. Die Konstruktion ergibt nämlich, dass die freibleibende Fläche – die wirtschaftlich genutzt wird – in einer auflockernden, urbanen Form gestaltet werden kann, so dass das Museum eine adäquate Umgebung mit Innenhöfen bekommt.

Werner: Aus meiner Sicht ist der Standort Sachsenplatz städtebaulich ein Fauxpas. Ich bedaure auch, dass sich dann unsere beiden Einrichtungen entkoppeln werden. Günstig wäre, wenn sich zwei verwandte Häuser ein wenig Konkurrenz machen und sich gegenseitig das Publikum übergeben. Unter diesem Gesichtspunkt käme der Standort gegenüber dem Neuen Rathaus eher in Frage.

Guratzsch: Beide Institute könnten gar nicht eng genug zusammenrücken! In den ersten 10,15 Jahren wäre sogar ein „Eheschluß“ sehr sinnvoll, zumal wir im Museum der bildenden Künste einen unglaublichen Aderlass bei Hitlerbeginn haben. Außerdem fehlt uns die ganze internationale Kunstszene von 1945 bis 90. ich hätte es besser gefunden, wenn man sich später getrennt hätte, um eigene, autonome Museen zu entwickeln.

Giradet: Die Rekonstruktion der Herfurthschen Villa wird noch in diesem Jahr beginnen. Die Baukosten werden zu 50 Prozent von der Galerie und zu je 25 Prozent von der Stadt und vom Land getragen. Ist das für Sie der Durchbruch, Herr Werner?

Werner: Ja, natürlich. Wir waren von zwei Faktoren abhängig: Standort und Trägerschaft. Der Standort ist jetzt gesichert. In puncto Trägerschaft gibt es vor allen drei Partner Zusagen, sie noch in diesem Jahr zu realisieren. Der Durchbruch für den ersten Bauabschnitt ist damit erreicht.

KREUZER: Offen sind noch die Betreiberkosten von 800.00 Mark jährlich.

Werner: Ein Entwurf sieht vor, dass sich die Stadt und Land diese Kosten teilen. Der Förderkreis übernimmt die Verpflichtung, für zusätzliche Ankäufe und Ausstellungsprojekte eine Zugabe zu leisten. Und vor allem übernimmt er die Aufgabe, die Sicherung der zweiten Phase vorzubereiten, für die wir 15 Millionen Mark aus privaten Mitteln aufbringen müssen.

KREUZER: Wann könnte die Galerie eröffnet werden?

Werner: Mit dem Betrieb der Herfurthschen Villa wollen wir Ende 1997, spätestens Anfang 1998 beginnen. Ich hoffe, dass der zweite Bauabschnitt noch in diesem Jahrzehnt folgt.

KREUZER: Herr Giradet, steht die Stadt bei einem gleich bleibenden, wenn nicht gar sinkenden Kulturetat in den nächsten Jahren vor einem finanziellen Balanceakt? Das Museum wie die Galerie werden ja ihren Tribut fordern.

Girardet: Wir müssen klar die Kosten vom Verwaltungs- und Vermögenshaushalt unterschieden. Im Verwaltungshaushalt sind die Kosten relativ überschaubar. Wir haben ein funktionierendes Museum, dessen Personal nur in eine andere Hülle umzieht. Auch die Folgekosten der Galerie sind überschaubar. Das sind keine Größenordnungen, die uns erschlagen. Ein anderes Problem, sind die notwendigen Bauinvestitionen für den Museumsneubau und die Rekonstruktion des Grassikomplexes. In bezug auf den Neubau des Museums haben wir die verbale Zusage von Land und Bund erhalten, die Hälfte der Kosten zu tragen. Die Stadt stellt das Grundstück und die andere Hälfte zur Verfügung.

KREUZER: Kommen wir auf Sammlungsprofile und Ausstellungskonturen zu sprechen: Sie, Herr Guratzsch, haben den Bestand des Museums mit den großen Expositionen in Paris und Bonn wieder ins europäische Bewußtsein zurückgeführt. Wo aber sehn Sie den Schwerpunkt künftiger Ausstellungen? Und wie wollen Sie sich von der Galerie für zeitgenössische Kunst abgrenzen?

Guratzsch: Wir visieren zwei Richtungen an. Ausstellungen wie Lukas Cranach, der hier in der Region wirkte, oder Julius Schnorr von Carolsfeld, der hier geboren wurde, und jetzt Max Klinger sind ganz wichtig gewesen, um das Bewußtsein kulturinteressierter Leute in Ostdeutschland zu stärken. Aber wir müssen auch Themen bearbeiten, die etwas nachholen, was hier überhaupt nicht stattgefunden hat. Das ist nicht ganz einfach. Die Ausstellung „Das offene Bild“ zum Beispiel hatte das schlechteste Besucherergebnis überhaupt. Wir dürfen da nicht Ruhe geben. Wir müssen provozieren, damit sich Interesse einstellt. Die Galerie für zeitgenössische Kunst hat sich als Testlabor für moderne Strömungen definiert. Das finde ich gut. Aber ich sehe auch, Herr Werner, dass sie sich als modernes Museum ins Gespräch bringen. Es ist für die Leipziger wichtig zu wissen, was damit gemeint ist.

Klaus Werner

Werner: Wir wollen uns vom klassischen Kunstmuseum, dass der Sammlung eine hohe Priorität einräumt, verabschieden. Wir werden auch eine Sammlung aufbauen. Aber das wird längerfristig, in kleineren Schritten und über ganz andere Wege geschehen als im Museum, dafür gibt es die Ateliers. Ich sehe die Sammlung nicht für immer an die Leipziger Galerie gebunden. Ich kann mir vorstellen, dass sie teilweise rotiert. Der Titel Galerie besagt: Sammlung ja, aber nicht in diesem Umfang. Wir sollten uns absprechen über unsere unterschiedlichen Strategien und Konzepte. Auf keinen Fall haben wir jemals dem Museum einen Sammlungsriegel verordnet, dass sie etwa den Ansatz nach 1945 nicht weiterführen sollten.

Guratzsch: Herr Werner, Sie haben als Startschuss im September 1922 aus der Sammlung des Bundesverbandes der Deutschen Industrie ein Bild von Ernst Wilhelm Nay, ein Bild von Emil Schumacher und ein Bild von Fritz Winter bekommen. Das sind Klassiker. Die Sammlung des BDI beginnt 1950 und ist über die Jahrzehnte gewachsen. Mit dieser Sammlungsbegründung öffnen Sie den Eindruck, dass Sie das Zeitgenössische unterfüttern mit Traditionellem. Das ist nicht in Ordnung. Im Museum sind das ja gerade die Bedarfsfälle! Mich wundert auch, dass sie mit dem Begriff „Museum“ inserieren und nicht mit dem Begriff „Galerie“.

Werner: Sie werden doch wohl trennen können zwischen dem Firmenbegriff „Galerie für zeitgenössische Kunst“ und der untergeschobenen Bedeutung, dass es auch ein Museum sein wird. Wir haben nirgendwo gesagt, dass es völlig ausgeschlossen ist. Es sollte ein Signal sein, dass wenigstens einmal in Deutschland jemand daran denkt, etwas nicht als Leihgabe weiterzugeben, sondern es tatsächlich zu übereignen. Das war die Signalwirkung dieser Aktion. Dass es jetzt in unserer Sammlung einen Akzent gibt, der nicht so eng mit unserer künftigen Sammlungs- und Ausstellungspolitik zusammenhängt, ist mir bewusst. Zu einem bestimmten Zeitpunkt können wir ja darüber reden, ob dieser Werke vielleicht dem Museum der bildenden Künste zur Verfügung gestellt werden. Vielleicht, wenn das Museum gegründet wird, wenn es eröffnet, das wäre doch eine Gelegenheit! Aber das können Sie doch jetzt nicht verlangen. Sie waren doch nicht der Urheber dieses Programmes.

Guratzsch: Mich stört die Definition der Galerie für zeitgenössische Kunst. Als sie mir zusammen mit Herrn Oetker vor anderthalb Jahren vorstellten, da haben sie dies alles nicht benannt. Sie haben beide damals ausdrücklich betont, dass von einem Museum gar keine Rede sein könne. Sie haben immer auf die absolute Aktualität gedrängt. Ich sage auch noch mal, bei dem „Eheschluß“ war nicht daran gedacht, diese Initiative in Frage zu stellen oder etwas „heimzuholen“. Nein, diese Autonomie muss sein, sie schafft ja erst die Vitalität der Arbeit. Und es ist überhaupt kein Thema, ob das dem Museum untergeordnet wird oder nicht. Aber dass eine Sammlung, die genau in das Loch der Leipziger Kunstsammlung fällt, bei Ihnen die Grundlage Ihrer Arbeit abgibt...

Werner: ...das ist doch nicht die Grundlage der Arbeit!

Guratzsch: Es wird gesagt, dass mit der Eröffnung der Galerie diese Kunstwerke geschenkt werden. Übrigen schreibt Arend Oetker mir wörtlich in einem Brief: „Ich kann mir vorstellen, dass eine Galerie ohne das Museum gar nicht möglich ist, aber das Museum ohne die Galerie schon.“ Der bewertet die Prioritäten durchaus so! Die Sammlung hat klassischen Nimbus. Das können Sie gar nicht abstreiten.

Werner: Ich würde mich doch auch nicht aufregen, wenn Sie eine Sammlung bekommen, die einen Akzent im Zeitgenössischen setzt, und sagen, was soll denn das dort, warum gibt denn der Sammler das dahin? Es hat eine bestimmte Bedingung , warum das so gelaufen ist.

Girardet: Der Hauptakzent der Galerie bleibt bei der Auseinandersetzung mit der aktuellen Kunst. Daran ist gar nicht zu deuteln.

Werner: Sie haben jetzt Leute aus Ihrem Förderkreis zu Herrn Oetker geschickt, die ihn umstimmen sollen. Herr Oetker ist in dieser Sache nicht umstimmbar!

Guratzsch: Wir haben unsererseits den Wunsch geäußert, dass wir uns überhaupt mal kennenlernen. Ich hätte mir gewünscht, dass umgekehrt eine Einladung erfolgt wäre!

Girardet: Ich habe mich mehrfach darum bemüht, solch ein Dreiergespräch zustande zu bringen. Es ist dann aus verschiedenen Gründen von beiden Seiten immer wieder abgesagt worden.

KREUZER: Wir wollten an dieser Stelle eigentlich von Inhalten reden. Wir wollen Sie ihre Konzepte öffentlichkeitswirksam umsetzen? Sie hatten ja ursprünglich vor, mit dem vorhandenen Personal zu arbeiten, Herr Guratzsch...

Herwig Guratzsch

Guratzsch: Hier in Leipzig ist es Tradition, dass die Schulklassen Schlange stehen. Das ist eine positive Erbschaft. In deutschen Museen haben wir das selten. Wir suchen nach Möglichkeiten, das junge Publikum auf Dauer zu interessieren. Dazu müssen wir die Kunsterzieher stärker einbinden, die stehen nämlich meist etwas ausgeruht daneben. Als ich nach Leipzig kam, war die Stelle eines Leiters der Abteilung Öffentlichkeitsarbeit vakant. Eine zweite Stelle wurde durch Pensionierung frei. Beide haben wir verstärkt in Ostdeutschland und weniger stark bundesweit ausgeschrieben. Merkwürdigerweise sind über 90 Prozent der Bewerber Westdeutsche, und die wenigen Ostdeutschen waren nicht richtig geeignet. Wir haben den Leiter der Öffentlichkeitsarbeit mit jemanden aus Düsseldorf besetzt und die zweite Position mit jemanden aus Duisburg.

Werner: Die Öffentlichkeitsarbeit spielt in der Vermittlung von zeitgenössischer Kunst eine ganz besondere Rolle. Wir stoßen hier offensichtlich auf Akzeptanzprobleme. Das ist uns bewusst. Wir werden im Zusammenhang mit der Eröffnung der Herfurthschen Villa eine Assistentenstelle für Ausstellungen und Öffentlichkeitsarbeit schaffen. Auch die Arbeit mit dem Förderkreis werden wir ganz gezielt verstärken – wir haben weit über 100 Mitglieder in ganz Deutschland, aber relativ wenige aus der Stadt Leipzig selbst. Es wird in der Herfurthschen Villa mit bescheidenem Materialkontingent weitergearbeitet. Wir werden aufstocken, wenn der zweite Bauabschnitt beendet ist. Unser Statut gibt uns eine gewisse Flexibilität, als Trägerschaftsmodell ist ja eine GmbH Leipziger Galerie angedacht. Aber diese Beweglichkeit müssen wir durch Sparsamkeit ausgleichen. Speck ansetzen dürfen wir nirgendwo.

KREUZER: Beide Museen sind natürlich zentrale Punkte für das Leben der bildenden Kunst in Leipzig, es gibt aber auch noch andere Orte. Welche wichtigen Impulse haben Sie, Herr Girardet, als Beigeordneter für Kultur außerdem im Blick – Stichwort Galerieszene, Stichwort HGB?

Girardet: Die Galerielandschaft ist in einer sehr schwierigen Situation, und wir als Stadt haben nur begrenzte Möglichkeiten, darauf Einfluß zu nehmen. Das Museum und seine steigende Bedeutung, die Galerie und ihre steigende Bedeutung – daraus ergibt sich ein Kunstleben in der Stadt, von dem auch die anderen Galerien profitieren werden. Aber zu einer direkten Förderung durch Mietszuschüsse oder Ankäufe über Galerien langen im Moment einfach unsere Mittel nicht. Die Hochschule für Grafik und Buchkunst befindet sich gerade in einem interessanten Prozeß. Ich bin selber Mitglied der Jury für den Kunstpreis der Dresdener Bank „Ars lipsiensis“ und kann die Entwicklung in den letzten Jahren beurteilen. Vor zwei Jahren waren wir erschrocken über das niedrige Niveau der Diplomarbeiten. Im letzten Jahr war das besser, und in diesem Jahr war deutlich ein viel höheres Niveau zu erkennen. Die Hochschule wird mit der Zeit eine zunehmend stärkere Rolle in der Stadt spielen. Ich sehe da eine innere Kraft, die es ermöglicht hat, starke und kontroverse Partner hinzuzuholen – mit denen sie es intern gar nicht so einfach haben.

KREUZER: Ihr Förderkreis, Herr Werner, hat sich bisher als wichtiger Finder temporärer Ausstellungshallen erwiesen. Wird diese Strecke jetzt in den Hintergrund treten?

Werner: Sie wird ergänzt. Wir werden weiter versuchen, neue Orte aufzufinden. Nicht allein, weil es in Leipzig eben keine geeigneten Orte gibt, sondern weil es natürlich auch ein spannendes Programm ist, Kunst mit der Stadt zu verbinden. „Leerstand“ zum Beispiel war ziemlich gut von Betroffenen besucht, also von Menschen, die in den aufgegebenen oder schwer beschädigten Wohnungen leben. Die wollten wissen, wie stellen sich denn die Künstler dazu? Den Weg werden wir weitergehen. Wir können ihn um die Möglichkeiten der Herfurthschen Villa ergänzen: Dort werden wir zwei Ausstellungsebenen haben, die wir auch vom Programm her unterschiedlich strukturieren wollen: einmal die Geschoßetage in der Villa und dann den Kellerbereich, der sich für experimentelle Installationen und Arbeiten, die nicht so dem Licht ausgesetzt werden können, eignet. Schließlich noch das Doppelatelier im Freien, im ehemaligen Gartenhaus, wo wir auch Zugang zur Bevölkerung schaffen wollen.

Guratzsch: Ich möchte noch die günstige Lage der Banken erwähnen. Ir haben durch das Vorangehen der Dresdener Bank eine gewisse Nachholbedürftigkeit der anderen Banken. Da entsteht eine förderliche Konkurrenzsituation. Man beobachtet jetzt, dass durch die Kontinuität kleinerer Ausstellungen in der Dresdener Bank über dem Paulaner andere Banken nachziehen und die Überlegung anstellen, wie können wir die junge Kunst, Absolventen der Hochschule, fördern? Wir dürfen zwar nicht alles von Sponsoren erhoffen, aber der Mangel an Ausstellungsflächen wird dadurch ein bisschen gutgemacht. Wir brauchen den Wirtschaftsbereich gerade in dieser Phase der Gesundmachung von kaputtgegangenen Dingen.

KREUZER: In den nächsten Jahren könnte es in der Leipziger Kultuzlandschaft eine große Wachablösung geben. Nicht nur, weil Herr Masur die Stadt verlässt, sondern auch weil Herr Engel kommt. Welcher Platz bleibt da für die Kunst noch übrig? Können die Museen, neben „Messe“ und „Musik“ , zum dritten „M“ werden, wie es Herr Guratzsch fordert?

Girardet: Sie haben das sehr stark auf die Personen abgestellt. Da zeichnet sich schon jetzt eine produktive und konstruktive Konkurrenz ab. Es gibt in der Kultur dieser Stadt einen Anspruch, den jeder für sich empfindet, und daraus entsteht ein Anspruch auch im Vergleich mit den anderen. Ich erhoffe mir davon, dass wir künftig nicht nur die beiden Spitzenhäuser – Gewandhaus und Oper – haben, sondern dass das Schauspiel mir dem neuen Intendanten aufrückt und eben auch die bildende Kunst ihren platz in der ersten Reihe wiederbekommt. Das Erscheinen von Herr Engel hat ja bei der Oper sofort Reaktionen ausgelöst: Engel und Zimmermann verstehen sich gut, aber Zimmermann empfindet Engel auch als Herausforderung.

Werner: Dieser atmosphärische Wettbewerb ist sicher nützlich. Ich persönlich beteilige mich nicht daran. Ich sehe meine Aufgabe darin, die Grundlagen für ein langlebiges – jetzt gebrauche ich noch mal das Wort – Museum so gut zu legen, dass man später darauf aufbauen und weiterarbeiten kann. Wir wollen versuchen, eine Ausgewogenheit zwischen der Anwesenheit namhafter Künstler herzustellen. Welcher Rang sich dabei herausstellt wird die Arbeit ergeben.

Guratzsch: Es geht nicht darum, Prioritäten der einen Sparte gegen die anderen darzustellen, sondern alle sind Identitätselemente in der Stadt. Die bildende Kunst hat in der Vergangenheit da nicht sehr gut abgeschnitten, dort ist ein Nachholbedarf, und der wird ja durch die hier angesprochenen Maßnahmen erheblich wettgemacht werden können. Mit dem „dritten M“ meine ich, dass es schade wäre, wenn diese Stadt sich allein mit diesen zwei Muster-Ms verkauft. Sie ist gut für Handel und Messe, wenn sie kulturell dynamisch ist – und die Musik und die Museen legen diese M förmlich nahe. Wir reden ja noch viel zu wenig von den übergreifenden Möglichkeiten der gemeinsamen Arbeit.


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