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Kultur

»Es nützt unserem Profil«

Jason Starkie über unerfüllte Erwartungen, den Fortbestand von Pierogi Leipzig und schlechte Schwimmmöglichkeiten in New York

  »Es nützt unserem Profil« | Jason Starkie über unerfüllte Erwartungen, den Fortbestand von Pierogi Leipzig und schlechte Schwimmmöglichkeiten in New York

Mit dem Frühjahrsrundgang wurde die in der Baumwollspinnerei beheimatete Galerie Pierogi Leipzig ein Jahr alt. Mindestens so lange wollte der Brooklyner Galerist Joe Amrhein den Kunstraum hier betreiben. Trotz schlechter Verkäufe bleibt er der Spinnerei wohl für ein weiteres Jahr erhalten. Der Leipziger Leiter von Pierogi, Jason Starkie, verlässt diesen Monat vereinbarungsgemäß die Galerie. Sein Nachfolger wird der in Leipzig lebende Norweger Leif Magne Tangen, der zuletzt international als Kurator und als künstlerischer Leiter von D21 tätig war.

Mit dem Frühjahrsrundgang wurde die in der Baumwollspinnerei beheimatete Galerie Pierogi Leipzig ein Jahr alt. Mindestens so lange wollte der Brooklyner Galerist Joe Amrhein den Kunstraum hier betreiben. Trotz schlechter Verkäufe bleibt er der Spinnerei wohl für ein weiteres Jahr erhalten. Der Leipziger Leiter von Pierogi, Jason Starkie, verlässt diesen Monat vereinbarungsgemäß die Galerie. Sein Nachfolger wird der in Leipzig lebende Norweger Leif Magne Tangen, der zuletzt international als Kurator und als künstlerischer Leiter von D21 tätig war.

KREUZER: Ganz ehrlich: Haben sich nach einem Jahr Leipzig alle Ihre Erwartungen erfüllt? JASON STARKIE: Nein. Wir hatten zwar keine sehr spezifischen Ziele, als wir kamen, eher vage Vorstellungen. Wirtschaftlich gesehen hat sich dieses Jahr nicht gelohnt für uns. Natürlich nützt es unserem Profil, einen Kunstraum hier in Leipzig zu haben. KREUZER: Als die Galerie nach Leipzig kam, sagte Ihr Chef Joe Amrhein, er würde ein Jahr bleiben und dann sehen, ob er verlängert. Wie siehts denn jetzt aus, und warum gehen Sie? STARKIE: Pierogi bleibt in Leipzig, ich denke, mindestens noch ein Jahr. Ich gehe jetzt, weil ich bereits vorher andere Pläne für die Zeit danach geschmiedet hatte. Für die Karriere meiner Frau würde es keinen Sinn ergeben, nach Leipzig zu kommen. Für mich als Künstler, der ich auch bin, ist Leipzig natürlich ein spannender Ort. Die Ateliers sind billig, die Stadt ist schön. Und hier gibt es eine Wertschätzung und Unterstützung für die Kunst, die ich in einer Stadt dieser Größe noch nicht erlebt habe. Leipzig ist keine Metropole, aber es bringt der Kunst die Wertschätzung wie in einer Metropole entgegen. KREUZER: Wovon hängt es ab, wie lange Pierogi hier bleibt? STARKIE: Das ist Joes Entscheidung. Es wird davon abhängen, wie viel es kostet, hier zu bleiben. KREUZER: Gibt es sanften Druck aus der Spinnerei-Community, damit Sie bleiben? Das Profil der Spinnerei gewinnt durch Ihre Anwesenheit ... STARKIE: Nein. Da kam keiner zur Tür rein, um zu sagen: »Bitte geht nicht!« (lacht) Wir haben aber auch nie gesagt, dass wir Leipzig verlassen. Wir haben hier eine Option auf drei Jahre. KREUZER: Eine Ihrer Besonderheiten sind die Flat Files, frei zugängliche Portfolios in Flacharchiven. Dort bieten Sie zu sehr niedrigen Preisen die Arbeiten junger, oft unbekannter Künstler an und bekommen beim Verkauf einen geringeren Satz als üblich. Haben die Flat Files in Leipzig funktioniert? STARKIE: Wir haben ein paar Sachen ver-kauft. Aber bei weitem nicht in dem Umfang wie in New York. Dort waren am Wochenende drei Leute gleichzeitig damit beschäftigt, die Käufer zu bedienen. Das ist hier nicht passiert. An Leipziger habe ich nichts verkauft. KREUZER: Leif Magne Tangen wird der neue Galerieleiter von Pierogi Leipzig. Sie brachten als Zugereister den Blick von außen mit, Tangen lebt seit ein paar Jahren hier. Welchen Unterschied macht das? STARKIE: Ich habe immer versucht, das Programm zur Hälfte mit Leipziger beziehungsweise deutscher Kunst und zur anderen Hälfte mit Sachen aus Brooklyn zu bestücken. Es endete immer damit, dass mehr Sachen aus Brooklyn zu sehen waren. Vielleicht ändert sich das. KREUZER: Sie teilten Ihren Arbeitsplatz in der Galerie mit zwei weiteren Büros: mit Kristin Dittrich, die gerade das Fotofestival F/Stop organisiert, und mit Leif Magne Tangen. Wie kam es zu dieser Kooperation? STARKIE: Ich habe es ihnen angeboten. Ich habe hier einen riesigen Schreibtisch ... KREUZER: ... für hiesige Verhältnisse nicht übertrieben groß. STARKIE: Unser Büroraum hier ist so viel größer als in Brooklyn. Dort haben wir mehr Mitarbeiter als Stühle. Außerdem ist es schön, Leute um sich zu haben. KREUZER: New York und neuerdings auch Leipzig sind wichtige Orte für die Gegenwartskunst. Jenseits der – offensichtlichen – Unterschiede, was fällt Ihnen ein? STARKIE: Leipzig hat die besseren Schwimmmöglichkeiten ... Na ja, eine einzelne Person kann die Kunstwelt in Leipzig erfassen, in New York aber nicht. KREUZER: Leipzig geriet durch die Malerei in den amerikanischen Kunstfokus. Wurde auch bemerkt, dass es hier eine starke Tradition der künstlerischen Fotografie oder eine wachsende Szene für Installation und Medienkunst gibt? STARKIE: Die meisten der interessierten Leute kennen Leipzig aus den Medien, dort kommt hauptsächlich die Leipziger Malerei zu Wort. Das ist das, was wahrgenommen wird. KREUZER: Wissen Sie persönlich von New Yorker Sammlern, die etwas anderes als Malerei gekauft haben? STARKIE: Nein. KREUZER: Sie zeigten im letzten Jahr viel Zeichnung, vielschichtige Designs mit viel Text, oft sehr konzeptuell und bisweilen sehr langsam zu lesen. Man kann sich kaum vorstellen, wie das in einem schnellen Kunstmarkt und in einer rasanten Stadt wie New York erfolgreich sein kann. STARKIE: Ich weiß nicht, wie die New Yorker Galerien es damit halten. Wir selbst verkaufen wenig Konzeptkunst, aber wenn unsere Künstler welche machen, dann zeigen wir sie auch. So war es immer bei Pierogi. Dass etwas kommerziell nicht interessant ist, heißt nicht, dass wir es nicht ausstellen. KREUZER: Ist das, was Sie hier gezeigt haben, Teil der künstlerischen Gegenwart in New York? Oder unterscheidet es sich vom Galerien-Mainstream? STARKIE: Es hat ganz gut abgebildet, was in New York so läuft. Aber es gibt dort so viele Nischen, dass man gar nicht wissen kann, was eigentlich »in« ist. KREUZER: Wie Ihr Chef Amrhein arbeiten auch Sie als Künstler. Wie verträgt sich das mit dem Galeristen in Ihnen? STARKIE: Ich bin lieber Künstler und werde nicht für den Rest meines Lebens Galerist sein. Ich bin jetzt 38 Jahre alt und habe mich gegen das regelmäßige Geldverdienen entschieden. Aber haufenweise Geld mit der Galerie zu machen, stand für Pierogi eh nie zur Debatte. KREUZER: Was machen Sie als Nächstes, und was nehmen Sie mit aus Leipzig? STARKIE: Ich werde ab Januar 2008 wieder in New York sein. Davor werde ich zunächst bei einem Freund von mir, einem Geigenbauer, in Südfrankreich sein und Cellos bauen. Dann gehe ich nach Montreal, wo meine Frau als Choreografin arbeitet. Leipzig scheint ein außergewöhnlicher Ort zu sein. Die Leute sind sehr stolz auf ihre Stadt. Einzigartig ist, dass die erfolgreichen Maler selbst alle noch hier sind. In einer vergleichbar großen Stadt in den USA wären sie längst nach New York gegangen.


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