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Kultur

»Jetzt bin ich wirklich ein Independent«

Kinowelt-Chef Michael Kölmel über seinen Neustart in Leipzig, Risiko im Filmbusiness und die Leiden eines Stadionbesitzers

  »Jetzt bin ich wirklich ein Independent« | Kinowelt-Chef Michael Kölmel über seinen Neustart in Leipzig, Risiko im Filmbusiness und die Leiden eines Stadionbesitzers

Die Karriere des Dr. Michael Kölmel begann mit einem kleinen Göttinger Filmverleih. Mit seinem Bruder Rainer brachte ihn der Überraschungserfolg von »Der englische Patient« über Nacht ins große Geschäft. In der goldenen Ära der New Economy war die Kinowelt AG als integrierter Medienkonzern ein milliardenschwerer Senkrechtstarter. Doch dann verhob sich der Diplom-Mathematiker und promovierte Volkswirtschaftler an einem Warner-Filmpaket, legte sich mit Kirch und Bertelsmann an und sorgte für einen der spektakulärsten Totalabstürze am Neuen Markt. Nach der Insolvenz konnte Kölmel das Kernstück der Firma, die Rechte an einer der größten Filmbibliotheken Europas, zum Spottpreis zurückkaufen. Ein Kredit der Sparkasse Leipzig und DKB lockte den heute 53-Jährigen im Juni 2003 nach Leipzig, von wo aus die Kinowelt GmbH zielstrebig zurück ins große Filmgeschäft drängt.

Die Karriere des Dr. Michael Kölmel begann mit einem kleinen Göttinger Filmverleih. Mit seinem Bruder Rainer brachte ihn der Überraschungserfolg von »Der englische Patient« über Nacht ins große Geschäft. In der goldenen Ära der New Economy war die Kinowelt AG als integrierter Medienkonzern ein milliardenschwerer Senkrechtstarter. Doch dann verhob sich der Diplom-Mathematiker und promovierte Volkswirtschaftler an einem Warner-Filmpaket, legte sich mit Kirch und Bertelsmann an und sorgte für einen der spektakulärsten Totalabstürze am Neuen Markt. Nach der Insolvenz konnte Kölmel das Kernstück der Firma, die Rechte an einer der größten Filmbibliotheken Europas, zum Spottpreis zurückkaufen. Ein Kredit der Sparkasse Leipzig und DKB lockte den heute 53-Jährigen im Juni 2003 nach Leipzig, von wo aus die Kinowelt GmbH zielstrebig zurück ins große Filmgeschäft drängt.

KREUZER: Herr Kölmel, Sie haben sich unlängst als »ein Fan dieser Stadt« geoutet. Worauf gründet diese Begeisterung? MICHAEL KÖLMEL: Ich war ja in einer schwierigen Situation, als ich 2003 hierher kam. Damals wurde ich überall in der Stadt angesprochen und ermutigt. Das fand ich gut – auch für meine Mitarbeiter bei Kinowelt. Das wäre in München nie der Fall gewesen. KREUZER: Leipzig ist für Sie und die Kinowelt die Stadt Ihrer zweiten Chance. Dabei gab es durchaus Alternativen, »drei andere Medienstädte«, wie Sie sich erinnern – lockten die auch mit Millionenkrediten wie hier Sparkasse und DKB? KÖLMEL: Ja, es war ähnlich. Auch Berlin und Köln suchten damals nach einem interessanten Investor. Es war auch noch ein kleinerer Medienstandort dabei. Ich musste mich aber in einer frühen Phase für eine Stadt entscheiden. Und da hab ich mich relativ schnell für Leipzig entschieden – mit dem Risiko, es woanders nicht mehr zu schaffen, wenn die Bank nein sagt. Da haben alle Mut bewiesen, auch die Sparkasse. Es war ja kein alltägliches Geschäft. KREUZER: Den Kredit haben Sie inzwischen zurückgezahlt? KÖLMEL: Ja, vollständig. Für Leipzig brachte es gleich mehrere Vorteile: Unsere Firma hat hier ihren Sitz, die Sparkasse hat einen hohen Zinssatz erhalten und wir bezahlen auch noch relativ viel Gewerbesteuer. Mehr kann sich eine Stadt eigentlich kaum wünschen. KREUZER: Zum Neustart in Leipzig hat die Kinowelt eine Villa in der Karl-Tauchnitz-Straße gegenüber vom Reichsgericht bezogen. Ihre Belegschaft ist inzwischen auf 150 angewachsen. Wo bringen Sie die Leute noch unter? KÖLMEL: Wir haben hier die Nummer 10 und daneben das kleine Gebäude. Dann haben wir hinten die Nummer 4 angemietet, wo jetzt das Home Entertainment drin ist. Die Nummer 6 haben wir gekauft und renovieren sie gerade. Das passte ganz gut. KREUZER: Leipzig ist keine Filmstadt wie München. Macht sich dadurch ein Mangel an geeignetem Personal bemerkbar? KÖLMEL: Im Gegenteil. Nach vier Jahren in Leipzig würde ich sogar sagen, die sind hier besser. Aber wir erleben ein anderes Phänomen. Denn wir kommen mit einer Filmbibliothek der bundesrepublikanischen Filmgeschichte – Fassbinder, Herzog, politischen Themen wie RAF und Umweltschutz – und haben hier viele Mitarbeiter, die diese Filme in der DDR ganz anders aufgenommen haben. »Wir ziehen einiges nach Leipzig« KREUZER: Sie verhandeln ja auch noch über den DEFA-Filmstock. KÖLMEL: Das wäre natürlich ein Traum. Wir hatten früher eine Beteiligung an Progress, zu der das DEFA-Filmerbe gehört. Der MDR hat die Fernsehrechte gekriegt, und wir sollten die DVD-Rechte bekommen. Aber der jetzige Gesellschafter von Progress versucht das zu verhindern mit dem Argument, dass der Vertrag durch die Insolvenz der Kinowelt AG nicht mehr gültig sei. In erster Instanz hat er leider gewonnen. KREUZER: Neben einigen Fernsehproduktionsfirmen und dem MDR steht die Kinowelt in Leipzig allein auf weiter Filmflur. Ärgert es Sie vor diesem Hintergrund nicht manchmal, auf Berlin verzichtet zu haben? KÖLMEL: Die Kinowelt macht vieles neu. Wir entwickeln unsere Projekte erst einmal selbst. Dazu brauchen wir nicht den ständigen Kontakt zu Kollegen anderer Firmen, die man in Berlin auf Partys treffen kann. KREUZER: Auf den wenigen Leipziger Partys munkelt man aber durchaus, dass Sie doch noch nach Berlin gehen werden ... KÖLMEL: Ich auf gar keinen Fall. Natürlich haben wir in München noch eine Produktionsfirma mit drei, vier Mitarbeitern ... KREUZER: ... die Ihres Bruders ... KÖLMEL: ... ja, und in Berlin haben wir auch noch eine mit zwei Mitarbeitern sowie durch die Übernahme des Pegasos-Verleihs einen Mitarbeiter in Köln. Das hat auch mit der starken Länderfilmförderung in Deutschland zu tun. KREUZER: Sie betätigen sich in Leipzig unter anderem als Sponsor fürs Dokfestival. Gibt es noch andere relevante Kooperationen auf lokaler Ebene? KÖLMEL: Das Dokfest interessiert uns, weil wir auch Dokumentarfilme auf DVD herausbringen wollen. Mit Zweitausendeins und den Filmgarten-Filialen haben wir nun auch die ideale Vertriebsform dafür. Ansonsten denken wir daran, auch einmal mit dem MDR zu kooperieren, aber so weit ist es noch nicht gekommen. KREUZER: Woran liegt das? Der MDR scheint in dem Punkt eine harte Nuss zu sein. KÖLMEL: Der MDR ist stark im Serienformat und macht weniger Kinofilme – und wenn, dann nicht so erfolgreich. Aber falls sich was ergibt, würden wir auch Fernsehproduktionen machen – das würde auch sehr gut zur Kinowelt passen. Wir wollen im deutschen Filmbereich eine ernst zu nehmende Größe werden. Damit ziehen wir natürlich auch einiges nach Leipzig. KREUZER: Welche Chancen se-hen Sie für die hiesige Filmlandschaft? Sie sprachen in diesem Zusammenhang jüngst von Leipzig als einem »Außenseiter mit hohem Potenzial«? KÖLMEL: Ich bin kein Stadtentwickler. Aber so, wie die Kinowelt nach Leipzig gekommen ist, könnte man auch noch andere Firmen für die Stadt gewinnen. Man muss die Leute nur finden und vorfinanzieren. Denn die Spätfolgen der Kirch-Krise sind immer noch nicht vorbei. Mit Projektförderungen wie von der Mitteldeutschen Medienförderung baut man allerdings keine Studios auf. KREUZER: Wie kommt man als Film-unternehmer eigentlich in den Besitz eines Stadions? KÖLMEL: Das hat viel mit Film zu tun. Wir haben als Kinoverleih angefangen und hatten sogar eigene Kinos. Bald kauften wir die kompletten Auswertungsrechte an Filmen. Doch weil wir keinen eigenen Sender hatten, mussten wir die Fernsehrechte verkaufen. Da haben mir die Fernsehsender gesagt: Was wir wirklich brauchen, sind nicht Spielfilme, sondern Fußballrechte. Also habe ich mir überlegt, wie die Kinowelt da eine eigene Note entwickeln könnte. Denn Top-Vereine mal für drei Jahre zu vermarkten, das hatten bereits Bertelsmann und Kirch gemacht – unsere schärfsten Wettbewerber. Die Idee war, was von unten aufzubauen. So habe ich bekannte Fußballvereine, die sportlich und wirtschaftlich in desolaten Zuständen waren, wieder aufgepäppelt. Schließlich hatte ich von elf Vereinen die Medienrechte – für zwanzig und mehr Jahre. Das hat an sich auch funktioniert. Wir haben die Vereine in der dritten, vierten Liga übernommen – und einige spielen heute in der ersten und zweiten Liga. KREUZER: Welche Klubs gehören denn dazu? KÖLMEL: Hier in der Umgebung sind das Dynamo Dresden, Carl Zeiss Jena, Rot-Weiß Erfurt und Union Berlin, daneben Rot-Weiß Essen, Eintracht Braunschweig, Karlsruher SC, Borussia Mönchengladbach, Alemannia Aachen und Fortuna Düsseldorf. KREUZER: Aber Sie hatten auch jede Menge Ärger damit. Haben Sie unterm Strich nicht draufgezahlt? KÖLMEL: Ja, mit dem Fußball hatte ich viel Ärger. Aber mittlerweile habe ich einen sehr komfortablen Zustand erreicht. Die Vereine, die wir damals aufgepäppelt haben, spielen jetzt höherklassig. Für mich ist es wie eine Art Versicherung, im Fernsehbereich etwas zu haben, das auch in Zukunft ein Top-Produkt sein wird. KREUZER: Können Sie ein Beispiel nennen? KÖLMEL: Wenn Karlsruhe jetzt aufsteigt, kriegen wir ganz schön was zurück. KREUZER: Wie viel? KÖLMEL: In der Regel bekommen wir etwa 15 Prozent der Erlöse von den Fernsehrechten. Eingestiegen sind wir in der vierten Liga, da kriegt ein Fußballverein 20.000 €. In der dritten Liga 400.000 €, in der zweiten Liga 4 Millionen und in der ersten Liga 12 Millionen plus Platzierungsboni und Extras für den Pokal. KREUZER: Mit den Fußballrechten besaßen Sie aber noch nicht das Zentralstadion. KÖLMEL: Ich hatte nach ein, zwei Jahren dank mancher Aufstiege erste Erfolge. Was sich aber nicht verbessert hatte, war die Infrastruktur. Die Stadien in Dresden, Aachen oder bei Union Berlin waren in vollkommen desolatem Zustand. Da erfuhr ich aus der Zeitung, dass der Bund für die WM-Bewerbung einen Standort im Osten haben wollte. Dresden hatte abgewinkt, aber Leipzig hatte sich gleich gemeldet und gesagt, das nehmen wir. Da habe ich dann ein Angebot abgegeben. Gekriegt hat es ein libanesischer Investor, der aber bald wieder verschwunden war. Also hab ich gesagt, na ja, dann mach ichs vielleicht doch. Zudem bekam die Stadt Leipzig fürs Zentralstadion einen hohen Bundeszuschuss. Damit hat sie gegenüber Dresden, München, Schalke, Dortmund oder Hamburg einen extremen Vorteil: Hier hat man ein Stadion für relativ wenig Geld gekriegt. So ist in Leipzig alles rückwärts gelaufen. KREUZER: Gab es irgendwann im Juni letzten Jahres, während der Leipziger WM-Spiele im Zentralstadion, einen Moment emotionaler Überwältigung, in dem Sie zu sich selbst sagten: Ja, Michael, es war richtig, hier 32 Millionen hineinzustecken – und es wird immer richtig bleiben!? KÖLMEL: Ja, die WM fanden alle toll. Die Stimmung im Stadion war prima. Das war fantastisch. KREUZER: Stimmt es, dass Sie sich selbst Tickets kaufen mussten? KÖLMEL: Ja, 10 oder 20 Tickets aus dem DFB-Kontingent. Als Stadionbesitzer konnte man für sein eigenes Stadion Tickets kaufen! Interessanterweise bekam ich aber am Ende für einige Spiele Freikarten. Wahrscheinlich hatten da Leute abgesagt. KREUZER: Wie tief saß der Schock bei Ihnen, als der Red-Bull-Deal platzte und schlagartig klar war, dass es keinen Turboeffekt für den FC Sachsen geben würde? KÖLMEL: Das fand ich sehr schade, denn es wäre die Superchance gewesen. Red Bull hätte daraus einen richtigen Marketing-Zirkus machen können. Die haben das Geld dafür, und das macht für die auch Sinn. Ich hätte dann nur zuzugucken brauchen, wie die immer weiter aufsteigen. KREUZER: Theoretisch können Sie das immer noch, aber dafür brauchen Sie unendlich viel Geduld. Verfolgen Sie die Oberliga-Spiele des FC Sachsen eigentlich noch, oder verschließen Sie die Augen vor den Ergebnissen? KÖLMEL: Nee, nee, ich verfolg das noch. Aber ich gucke mir das nicht mehr so oft an, weil mich das zu nervös macht. Da würde ich sehr ungeduldig werden, und ich weiß ja, was auf dem Spiel steht. Jetzt ist man praktisch wieder zwei Jahre zurückgeworfen. Ich kenne das vom Präsidenten des SC Freiburg. Der ist auch lange nicht ins Stadion gegangen, sondern stand hinterm Stadion und hat Teletext geguckt. KREUZER: Dann könnte vielleicht – frei nach dem SC Freiburg – dies ein Erfolgsmodell sein: Sie einigen sich mit Trainer Ede Geyer auf eine Vertragsauflösung zum Saisonende, und von da an siegt der FC Sachsen nur noch ... KÖLMEL: Ich mache mir so meine Gedanken. Und ich habe immer noch die Idee, es müsste machbar sein. Es hat mit Menschen zu tun, die neue Entwicklungen sehen müssen. Sie haben es ja an der deutschen Nationalmannschaft gesehen: Es wurde alles heruntergeredet, dann sind andere Leute gekommen und plötzlich war was möglich. KREUZER: Sie haben hier ja auch dafür gesorgt, dass andere Leute kamen; Sie bezahlen sogar den Trainer und einige Spieler. Aber der erhoffte Geyer-Effekt ist nicht eingetreten. Warum nicht? KÖLMEL: Man muss jetzt gucken: Ist es einfach nur Pech? Ich sag mal: In der Bundesliga wird Bayern München auch nicht jedes Jahr Meister. Es scheint so zu sein, dass die Leute, die da zusammenarbeiten sollten, nicht so zusammengefunden haben, wie es nötig ist. KREUZER: Wie stehen Sie zu der jüngsten Äußerung des DFB-Präsidenten Theo Zwanziger, der Bau des neuen Stadions in Leipzig sei ein Fehler gewesen? KÖLMEL: Ich weiß nicht, in welchem Zusammenhang Herr Zwanziger das gesagt haben soll. Die Aussage kann ich auch nicht nachvollziehen, denn die Fußball-WM hat das Gegenteil bewiesen. Sie hat gezeigt, was wir geleistet haben und was in Leipzig machbar ist. KREUZER: Da Sie vorhin die Nationalmannschaft erwähnten – trösten Sie sich mit dem Verkaufserfolg der »Sommermärchen«-DVD über die Leipziger Fußball-Tristesse hinweg? KÖLMEL: Ja, das finde ich natürlich toll. Fußball im Film – das war immer ein Kassengift. Aber bei dem Film war ich total davon überzeugt, dass das auch im Kino laufen würde. Er hätte noch viel mehr Zuschauer gehabt, wenn das Fernsehen ihn später ausgestrahlt hätte. KREUZER: Vielleicht hätte er sogar den Deutschen Filmpreis gewonnen. KÖLMEL: Ja, das ärgert mich. Da waren vier Millionen Leute im Kino, aber der Film zählt nicht als deutscher Kinofilm! Das ist doch komisch. KREUZER: Bei welcher Verkaufszahl sind Sie im Moment angekommen? KÖLMEL: Wir haben 650.000 ausgeliefert und davon schon 250.000 bis 300.000 verkauft. Das ist eine relativ hohe Zahl. KREUZER: Beenden wir den Fußballblock mit der Frage nach Ihrem Verhältnis zur Stadtspitze. Sie haben sich in der LVZ erst kürzlich wieder über »die Stadt« beklagt und fühlen sich von »der Verwaltung allein gelassen«. Auf wen und worauf zielt Ihre Kritik konkret? KÖLMEL: Als ich hierher kam, gab es einen Optimismus, auch etwas zu wagen, was in den Sternen stand – die Olympiabewerbung war der Höhepunkt. Wer eine solche Vision hat, der kann auch den Alltag etwas optimistischer angehen. Doch seitdem das vorbei ist, herrscht Stillstand. Alle sind verunsichert. KREUZER: Ihnen fehlt der Mut zur Vision? KÖLMEL: Ja. Ich bin ein Partner der Stadt, mit mir haben sie doch nur Glück gehabt. Und da-rum war es für mich sehr ermüdend, dass ich bei so alltäglichen Problemen wie der Endfinanzierung des Stadions immer von einem zum anderen geschickt wurde. Jetzt regiert die Vorsicht, vieles ist nicht abgestimmt und zieht sich ewig hin. Ich hab mich da total rausgezogen, allein aus Selbstschutz. Jetzt verhandeln andere Leute für mich. KREUZER: Aber es geht ja um ganz konkrete Dinge, die Namensrechte der Arena zum Beispiel ... KÖLMEL: ... verstehen Sie, das ist so aberwitzig! Wir diskutieren schon seit drei Jahren, wer das Geld für die Namensrechte der Arena kriegen soll – dabei haben wir sie noch nicht mal verkauft! Man redet darüber, wer, wenn es verkauft würde, zu welchem Prozentsatz Geld kriegt. Statt zu sagen: Wir strengen uns alle an, um dieses Leipziger Areal zu präsentieren. Ich will das Geld ja gar nicht selbst haben! Ich will nur, dass es in den Sport investiert wird, der in diesem Areal stattfindet – und nicht für irgendeine Haushaltslücke benutzt wird. Und ich bin immer noch bereit, etwas Interessantes mitzumachen. KREUZER: Zum Beispiel? KÖLMEL: Nehmen Sie nur die Filmkunstmesse, das ist etwas ganz Angenehmes. Die wird ja immer größer, und da kommen viele Leute nach Leipzig, die noch nie hier waren. Die haben sonst was für Vorurteile und finden das hinterher fantastisch, dass die Messe hier ist. Das ist nur ne kleine Sache, aber viele solcher kleiner Sachen schaffen halt so eine Infrastruktur, dass man nicht nur von zwei, drei Großereignissen abhängig ist. Darum gehts jetzt. KREUZER: Herr Kölmel, im Laufe der Kinowelt-Pleite saßen Sie mehrmals über Nacht in Untersuchungshaft. Werden Sie in der Unternehmerwelt deswegen immer noch argwöhnisch beäugt? KÖLMEL: Ja, manche wollen immer noch einen Vorteil daraus ziehen. Wenn wir die bessere Strategie haben, sagen die: Das könnt ihr doch dem nicht geben, das ist doch ein ganz Windiger. Aber die Leute, die mich kennen, sehen mich nicht als Grenzgänger zwischen Geschäftsleben und Gefängnis (lacht). KREUZER: Wie viel Risiko muss man in Ihrem Business denn eingehen? KÖLMEL: Ich habe Mathematik studiert. Das hat mit dem Filmbereich direkt nichts zu tun. Ich gehe aber analytisch mit den Risiken um, die ich übernommen habe, und kann schnell reagieren. Deshalb hat mich damals auch der Vorwurf wegen zu riskanter Geschäfte gewundert, zu denen auch der Kauf der Fußballfernsehrechte gehörte. Dabei habe ich das Risiko auf elf Vereine verteilt. Das war ein geschlossenes Konzept. Ganz ohne riskante Geschäfte kann man im Filmbereich nichts machen. KREUZER: Dennoch haben Sie die Kinowelt mit dem Vorsatz neu gegründet, kein unüberschaubares Risiko mehr einzugehen. Mittlerweile ist die Kinowelt-Gruppe aber längst wieder zu einem beachtlichen Firmennetz angewachsen mit Home Entertainment, Filmverleih, Filmproduktion, Pay-TV-Sender und internationalem Lizenzhandel. Sie haben den Rechtehändler Epsilon, das Versandhaus Zweitausendeins und ganz nebenbei den Pegasos-Verleih geschluckt. Wo soll es noch hingehen? Haben Sie sich Grenzen gesetzt? KÖLMEL: Das ist alles überschaubar. Wir sind nur noch in Deutschland, Österreich und der Schweiz tätig. Außerdem haben wir viel weniger Bankkredite. Und wir sind nicht mehr vom Fernsehgeschäft abhängig. Dass sich wie damals die Privatsender weigern, uns Filme abzukaufen, kann bei DVD nicht passieren. Da sind wir von den einzelnen Käufern abhängig. Deswegen ist die Situation für mich im Moment am spannendsten. Jetzt bin ich wirklich ein Independent. Aber auf hohem Niveau: Wir haben eine riesige Filmbibliothek. Dagegen steht ein minimaler Kredit. Ich muss nicht zur Bank gehen und ewig diskutieren, sondern kann meine Projekte selbst finanzieren. KREUZER: Also stehen weitere Firmeneinkäufe und der erneute Börsengang direkt vor der Tür? KÖLMEL: Erst mal nicht. Das sind alles Konzepte, die wir noch diskutieren. Da sind ja viele juristische und steuerliche Fragen zu klären. KREUZER: Stattdessen geben Sie hier ganz den Entspannten. KÖLMEL: Ich finde das wirklich ganz toll so. Das wäre sonst auch ein zu großer Stress. Bei 150 Mitarbeitern muss man zusehen, dass jeden Monat das Geld reinkommt. Aber wir haben so viele Rechte, da ist das kein Problem.


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