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Kultur

Präzise, erschütternd, brillant

Antje Rávic Strubels zweiter Roman »Kältere Schichten der Luft«

  Präzise, erschütternd, brillant | Antje Rávic Strubels zweiter Roman »Kältere Schichten der Luft«

»Kältere Schichten der Luft« war Antje Rávic Strubels erstes Hörspiel. Es wurde auf Anhieb zum Hörspiel des Monats gewählt. Mit dem gleichnamigen Buch wurde sie für den »Preis der Leipziger Buchmesse« nominiert. Der Roman spielt in einem Feriencamp in Schweden. Dort arbeiten Ralf, Anja, Sabine, Svenja und Marco. Alle stammen aus Ost- oder aus Westdeutschland. Jeder ist auf seine ganz spezielle Weise gescheitert oder entwurzelt. Und entwurzelt fühlt sich auch die Erzählerin, eine junge Frau namens Anja. Rávic Strubel hat bereits in ihrem letzten Roman »Tupolew 134« das Unvermögen thematisiert, vorgeprägten Lebensmustern zu entkommen, sie hat geschrieben über Sehnsucht und darüber, wie vergeblich Liebe außerhalb der Konventionen scheint. In »Kältere Schichten der Luft« steht nun Anja außerhalb ebendieser Konventionen. Mitten in der Wildnis trifft sie eine junge Frau, die allein an einem See wohnt und von sich selbst denkt, sie sei eine Elfe. Anja gibt ihr den Namen Siri. Siri wiederum nennt Anja nur »Schmoll«. Schmoll, das ist in Siris Erinnerung ihr Geliebter, ein Schiffsjunge. Später beginnt- Anja, Jungenkleidung zu tragen. Sie besucht Siri, und nachdem sie sich leidenschaftlich lieben, treiben sie im Kanu auf dem nächtlichen See. Anja wiederum entgeht, als »gay« gebrandmarkt, im Lager nur knapp einem Vergewaltigungsversuch durch Ralf. Den Leser lässt diese Geschichte ebenso verstört zurück wie seine Erzählerin. Am Ende ist Ralf tot, und der Leser stellt sich die Frage, ob es Siri je gegeben hat. Unklar bleibt, was Wahn ist, was Fantasie, wo die grausame Realität aufhört und die Flucht in eine heile Traumwelt beginnt. Rávic Strubel erzählt eine präzise und erschütternde Geschichte, die vordergründig vom langweiligen Alltag eines Jugendcamps erzählt, vor deren Kulisse ein Kampf ausgetragen wird. Sprachlich aber erinnert ihr Roman, nicht zuletzt durch die brillanten Beschreibungen von Landschafts- und Lichtverhältnissen, an Virginia Woolfs »Die Wellen« und an Goldings »Herr der Fliegen«.


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