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Kultur

Humor, Kritik und Lebenslust

Street Art ist von Leipzigs Straßen nicht mehr wegzudenken

  Humor, Kritik und Lebenslust | Street Art ist von Leipzigs Straßen nicht mehr wegzudenken

Der schwarze Vogel ist leicht zu übersehen. Er ist klein, auf Papier gedruckt und hängt hoch über den Köpfen der Passanten. Er trägt grinsend eine Überwachungskamera auf seiner Schulter. Und so muss es auch sein. Anders funktioniert Überwachung nicht: selbst unauffällig, bemerkt sie doch alles.

Der schwarze Vogel ist leicht zu übersehen. Er ist klein, auf Papier gedruckt und hängt hoch über den Köpfen der Passanten. Er trägt grinsend eine Überwachungskamera auf seiner Schulter. Und so muss es auch sein. Anders funktioniert Überwachung nicht: selbst unauffällig, bemerkt sie doch alles. Die Kunst auf den Straßen findet in letzter Zeit zunehmend Anerkennung, etabliert sich regelrecht. So sorgte der britische Anonymus und Künstlerstar Banksy im Magazin art für eine Titelgeschichte und auch anderweitig für Aufregung. So verschönerte er die Mauer, welche die Israelis vor den Palästinensern schützen soll. Wie ihm das gelingen konnte, bleibt ein Rätsel – und Kennzeichen der Street Artisten.

Auch von immer mehr Wänden und Mauern in Leipzig lachen bunte Figuren, Engel, Hummeln und anderes Getier. Alle aber haben eines gemeinsam: Ihre Schöpfer bleiben anonym. Im Gegensatz zu „herkömmlichen“ Graffitis haben sie sich eine Art Ehrenkodex auferlegt. Gerade Tags („Ich war da!“) sind ja bekannt und oftmals verhasst dafür, dass ihr liebster Untergrund sorgfältig sanierte Stadthäuser sind. Street Art dagegen ist grundsätzlich nur an baufälligen oder leer stehenden Gebäuden aufzufinden. Das trägt zum Schutz der Werke bei. Wenn sie schon aus Witterungsgründen nicht für die Ewigkeit gemacht, sondern für die Gegenwart bestimmt sind, ist es an unsanierten Fassaden wahrscheinlicher, dass sie nicht gleich entfernt werden. Noch in anderer Hinsicht unterscheidet sich Street Art von Tag & Co: Ihre Bildträger, Materialien und technischen Mittel sind verblüffend vielfältig. Sie werden im Atelier entworfen, oftmals fertig ausgeführt und nach Vollendung „ausgestellt“. Mit Edding bemalte Fliesen, gesellschaftskritische Zeitungscollagen, Gemälde sowie Zeichnungen auf Papier und sogar auf Styroporplatten sind keine Seltenheit. Beliebt sind zudem nach wie vor die Paketaufkleber der Post. Sie lassen sich, gestalterisch modifiziert, überall leicht anbringen.

Gesprayt wird natürlich ebenfalls. Hier lassen sich zwei Arten unterscheiden. Zum einen sind die sogenannten Pochoirs zu nennen, die Schablonenbilder, für die Banksy so berühmt wurde und die auf der Straße sehr schnell und in unbegrenzter Zahl ausgeführt werden können. Zum anderen blicken einem von vielen Gebäuden unendlich variierte Motive entgegen, in Leipzig zum Beispiel ein schelmischer roter Kakadu. Er steht wartend in einer Tür, fliegt auf einer Tonne der Kleiderspende oder schluckt seinerseits einen kleineren Vogel. Der Begriff „serielle Graffiti“ trifft hier wohl am besten zu. Typisch für diese Kunst ist, dass trotz eindeutig wiedererkennbarer Handschrift der dahinter stehende Künstler unbekannt bleibt – ein Schatten, der sich nicht erwischen lassen darf. Das ist fester Bestandteil des Genres, schließlich ist es immer noch illegal, Bilder an Hauswänden zu platzieren. Von Leipzigs Straßen aber sind sie nicht mehr wegzudenken. Während Kunst im öffentlichen Raum ein beliebtes Thema von Politikern und Stadtplanern ist, hat sich hier unabhängig von den mit öffentlichen Geldern finanzierten Werken eine starke Szene entwickelt, die es leicht mit Berlin und anderen Großstädten aufnehmen kann. Wer einen Blick dafür entwickelt und mit offenen Augen durch die Straßen wandert, kann zahllose Kunstwerke vor allem in den Nebenstraßen der Karl-Liebknecht-Straße, in Schleußig und Plagwitz bewundern.

Aber nicht nur Witz, Humor und Ironie prägen das junge Genre. Oftmals finden sehr kritische Positionen Ausdruck, zum Beispiel wenn die überlebensgroße Schwarz Weiß Fotografie eines Kindersoldaten, aufgeklebt zwischen Werbeplakaten, dem Betrachter in die Augen blickt. Verstärkt wird die dramatische Wirkung noch von einer surrealen Figur im Stile Dalís. Leblos, aber in Farbe baumelt sie neben dem schwer bewaffneten, ernsten Kind. Die Wirkung? Stark.


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