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Kultur

Sinfonie in Plüsch

Beethoven meets Bollywood: Die Leipziger Kammerphilharmonie tourte drei Wochen durch Indien

  Sinfonie in Plüsch | Beethoven meets Bollywood: Die Leipziger Kammerphilharmonie tourte drei Wochen durch Indien

Vierzig Musiker warten angespannt in einer Hotellobby in Bangalore. Der Bus, der sie zum Konzertsaal bringen soll, kommt zwei Stunden zu spät, das Konzert ist in Gefahr. Dass solche Verspätungen in Indien die Regel sind, merken die Gäste aus Deutschland schnell und planen beim nächsten Mal nach indischer Zeitrechnung.

Vierzig Musiker warten angespannt in einer Hotellobby in Bangalore. Der Bus, der sie zum Konzertsaal bringen soll, kommt zwei Stunden zu spät, das Konzert ist in Gefahr. Dass solche Verspätungen in Indien die Regel sind, merken die Gäste aus Deutschland schnell und planen beim nächsten Mal nach indischer Zeitrechnung.

Drei Wochen lang war die Kammerphilharmonie Leipzig auf Konzerttournee in Indien. »Dort gibt es selten Konzerte mit klassischer westlicher Musik. Die Inder sind ein stolzes Volk in dem Sinne, dass sie ihre eigene Musik sehr lieben«, sagt Konzertmeister Holger Engelhardt. Um so erstaunlicher waren die Reaktionen auf die Konzerte. Das 2001 gegründete Orchester, dessen junge Musiker Studenten und Absolventen der Hochschule für Musik und Theater in Leipzig sind, fand sich auf den Titelseiten großer indischer Tageszeitungen und in ausverkauften Konzertsälen wieder. »Die Leute sind aufgesprungen und wir mussten Zugaben spielen. Dieser internationale Erfolg ist für uns ein großer Sprung nach vorn«, sagt Engelhardt.

Großer Auftritt: Schlagzeile in der Tagespresse
Den Höhepunkt der Tournee bildete das Aufeinandertreffen mit dem weltberühmten indischen Geiger Dr. L. Subramaniam, der eigens zwei Stücke komponiert hatte, in denen er westliche Klassik mit traditioneller indischer Musik verbindet. Während des Konzerts saß er im Schneidersitz auf einem Teppich, die Geige nach indischer Manier an der Schulter und nicht am Hals, inmitten von fünf Percussionisten. Um sie herum gruppierten sich die Musiker der Kammerphilharmonie. Für alle Beteiligten war dies eine Premiere. Auch das indische Publikum hatte mutmaßlich noch nie westliche Musiker traditionelle indische Musik spielen hören. Das Konzert unter dem Motto »Fusion of West and East« wurde vom indischen Fernsehen live übertragen. Auch ein Live-Mitschnitt existiert, bisher allerdings nur für den asiatischen Markt.

Nicht nur die Musik, auch die gesamte Konzertatmosphäre war neu für das Orchester. »Die Inder mögen es so plüschig wie möglich, was natürlich total schlecht für die Akustik ist«, sagt Engelhardt. Und so mussten die Musiker gegen die eigens für das Konzert ausgelegten, Töne verschluckenden Teppiche anspielen. Ebenso irritierend wirkte das Verhalten des Publikums. Wofür man in hiesigen Konzertsälen mindestens strafende Blicke ernten würde, das ist in Indien gang und gäbe: Unterhaltungen, Handyklingeln, kurze Gespräche. »Seitdem ich dort war, nehme ich das lockerer«, sagt Engelhardt. Ein wenig von dieser Leichtigkeit, auch in Hinblick auf das Musizieren, möchten sich die Kammerphilharmoniker gerne mit nach Hause nehmen.

Manche Dinge werden sie jedoch weniger vermissen. So erwies sich das indische Essen als ungewohnt bis unverträglich für manchen Musikermagen, so dass Schüttelfrost und Fieber sie tagelang ans Bett fesselten. Schwierigkeiten gab es auch mit dem Transport einiger Instrumente. Einmal wäre beinahe ein Konzert ausgefallen, weil die Pauke im Transportkoffer nicht in den Flieger passte und schließlich »nackt« transportiert werden musste – mit der Hilfe des Paukers, der sein Instrument bis aufs Rollfeld begleitete.

Fasziniert von Indien: Konzertmeister Engelhardt
Auch auf Indiens Straßen stießen die Leipziger auf ungewohnte Situationen. Ständige Verhandlungen mit Rikschafahrern, die die Wünsche der Kunden nicht ganz so genau nahmen, waren an der Tagesordnung. »Manchmal fuhren sie lieber in eine andere Straße, wo der Schwager sein Geschäft hatte und Saris verkaufte«, erzählt Engelhardt. Viel Zeit, um sich treiben zu lassen, war nicht – das ließ der Tourneeplan nicht zu.

Doch die Faszination der Musiker für das Land ist geweckt, und der Kontakt soll aufrechterhalten werden. Im Frühjahr nächsten Jahres ist ein Konzert mit Subramaniam in Deutschland geplant. Für die jungen Orchestermusiker sind solche Ereignisse eine gute Möglichkeit, Aufmerksamkeit zu erregen und neugieriges, aufgeschlossenes Publikum anzulocken. So auch bei ihrem nächsten großen Konzert am 16. November im Gewandhaus, wo sie zeitgenössische Musik mit Jazzelementen zu Gehör bringen werden – darunter die Uraufführung eines Werkes des österreichischen Komponisten Eugene Hartzell.


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