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Kinder & Familie

Wild sein und tanzen

Die Tanzpädagogin Brit Böttge bringt Kindern bei, im eigenen Körper zu Hause zu sein

  Wild sein und tanzen | Die Tanzpädagogin Brit Böttge bringt Kindern bei, im eigenen Körper zu Hause zu sein

»Für mich stand früh fest, dass ich nicht Tänzerin werden wollte«, sagt Brit Böttge und lacht, »ich passte einfach nicht in das anatomische Schema einer Ballerina. Aber unterrichten – das wollte ich immer.« Wer die Tanzpädagogin heute in einer Klasse mit 4- bis 5-Jährigen am Leipziger Tanztheater (LTT) beobachtet, gibt ihr recht: Böttge ist eine pädagogische Ausnahmeerscheinung. Und so geschickt, dass sie die 19 Mädchen und den einzigen Jungen mitreißt, anfeuert und dazu bringt, Bewegungen zu machen, die früher einmal das schreckliche Etikett »Haltungsturnen« hatten. Heute geht das ohne Drill und Peitsche.

»Für mich stand früh fest, dass ich nicht Tänzerin werden wollte«, sagt Brit Böttge und lacht, »ich passte einfach nicht in das anatomische Schema einer Ballerina. Aber unterrichten – das wollte ich immer.« Wer die Tanzpädagogin heute in einer Klasse mit 4- bis 5-Jährigen am Leipziger Tanztheater (LTT) beobachtet, gibt ihr recht: Böttge ist eine pädagogische Ausnahmeerscheinung. Und so geschickt, dass sie die 19 Mädchen und den einzigen Jungen mitreißt, anfeuert und dazu bringt, Bewegungen zu machen, die früher einmal das schreckliche Etikett »Haltungsturnen« hatten. Heute geht das ohne Drill und Peitsche. »Am Anfang stand die Frage: Wie kann man die Technik des Modernen Tanzes zu Kindern bringen?«, erinnert sich die 40-Jährige an ihre Ausbildung, während der sie bereits in den achtziger Jahren in Leipziger Kindergärten und Schulen tätig war. »Das geht – anders als beim klassischen Ballett – über den natürlichen Bewegungsdrang des Kindes.« Den Kern des Lehrplans bilden dabei nicht abstrakte Vorstellun-gen vom Tanzen, sondern die alltäglichen Bewegungen. »Stellen Sie sich vor« – Böttge macht es sitzend mit den Händen und dem Oberkörper vor -, »ein Kind wird morgens zum Einkaufen geschickt und hüpft und schwingt so mit dem Beutel.« Böttges Einsatz ist total: »So kennen Kinder Erwachsene sonst nicht, dass die rumhüpfen und rufen, los, ihr dürft hier alles, hinfallen und einen Drehwurm kriegen und singen und die Füße über den Kopf strecken!« Doch dann zeige sie den Kindern, wie das Wilde in tänzerischer Fassung aussehen kann. »Danach funktioniert viel über den kindlichen Nachahmungstrieb, durch diesen Wiederholungstrick: Ich erfinde immer wieder Texte, gereimte Geschichtchen, mit denen ich sie dazu bringe, bestimmte Abläufe immer wieder zu wiederholen.« Das Ziel: Schon kleine Kinder sollen lernen, sich körperlich auszudrücken. Dazu braucht es neben Platz und Zeit vor allem Texte mit Bewegungsqualität. Weil ihr das meiste nicht gefällt, stellt Böttge ihre Materialien meist selbst her. Auch die Auswahl passender und spannender Musik sei eine ganz besondere Herausforderung, das Angebot an heute modischer Kindermusik »eine Verarschung der Kinder« und für ihre Zwecke »total unbrauchbar«. Mit einem gewissen Amüsement beobachten Brit Böttge und ihre LTT-Kolleg(inn)en die landauf, landab neu entdeckte Begeisterung für »Tanz in der Schule«. »Früher haben Tänzer gerne etwas auf mich herabgesehen, wenn ich gesagt habe: Ich unterrichte in Kindergärten und Schulen«, erinnnert sie sich, »doch inzwischen springen teilweise gerade diese Leute auf den fahrenden Zug auf. Aber so einfach ist das Unterrichten nicht.« Viele neuerdings tanz- und musenfreundliche Bildungspolitiker unterschätzen wohl, wie viel Durchhaltevermögen und Kraft Pädagogen brauchen, wenn sie Kinder angesichts allge-meiner Bewegungsarmut zu agilen und ausdrucksstarken Persönlichkeiten heranbilden sol-len. Schnellwirksame Instantkurse bringen da nichts. »Von kurzfristigen Bündnissen zwischen Grundschulen und pädagogisch unerfahrenen Tänzern halten wir nichts«, sagt auch Ronald Schubert, der Geschäftsführer des LTT. »Denn Tanzen bedeutet bei uns eben nicht: hier mit dem Popo wackeln und dort zu lustiger Kindermusik MTV nachahmen«, ergänzt Böttge, »sondern den eigenen Körper kennenlernen – als Instrument, als Mittel der Kommunikation, als (Sprach-)Werkzeug in der Welt.«


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