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Kultur

»Wir müssen endlich planen können«

Riccardo Chailly über seine Forderungen an die Stadtpolitik, seine Rolle als Generalmusikdirektor der Oper und seine Erwartungen an den neuen Intendanten

  »Wir müssen endlich planen können« | Riccardo Chailly über seine Forderungen an die Stadtpolitik, seine Rolle als Generalmusikdirektor der Oper und seine Erwartungen an den neuen Intendanten

Nach dem Sturz von Intendant Henri Maier sucht die Oper Leipzig nach einer neuen Identität. Generalmusikdirektor Riccardo Chailly, der den Rauswurf provozierte (KREUZER 08/07), will nicht länger sparen und erwägt im Gegenzug, öfter als bisher in der Oper zu dirigieren.

Nach dem Sturz von Intendant Henri Maier sucht die Oper Leipzig nach einer neuen Identität. Generalmusikdirektor Riccardo Chailly, der den Rauswurf provozierte (KREUZER 08/07), will nicht länger sparen und erwägt im Gegenzug, öfter als bisher in der Oper zu dirigieren.

KREUZER: Sie haben in einem LVZ-Interview von der Stadtspitze »finanzielle Garantien« für die Oper gefordert. Was meinen Sie genau damit? RICCARDO CHAILLY: Ich habe keine Geduld mehr, wenn ich die finanzielle Situation der Oper sehe. Das sage ich als GMD und als Vertreter vieler Mitarbeiter des Hauses. Es gibt keinen Konflikt mit Herrn Jung. Unser letztes Gespräch war sehr positiv. Wir sind uns einig, dass im künstlerischen Bereich nicht weiter gespart werden darf. KREUZER: Sie wollen mehr Geld – wie viel und wofür? CHAILLY: Ich bin kein Finanzmensch, und ich habe keine Zahlen im Kopf. Dafür haben wir Alexander von Maravic. Wichtig ist das Grundprinzip: Die Politiker müssen verstehen, dass Gewandhaus und Oper durch das Gewandhausorchester eine Einheit bilden. KREUZER: Ist der OBM bereit, Ihren Wünschen zu folgen? CHAILLY: Ich glaube, er versteht diese Einheit. Man kann mit diesem Opernhaus viel ambitionierter sein! KREUZER: Was hat Herr Jung Ihnen versprochen? CHAILLY: Er glaubt an das Potenzial des Hauses. Wir müssen das Repertoire verbreitern und die Zahl der Vorstellungen erhöhen. Aber Quantität mit höherer Qualität. Mit diesen finanziellen Beschränkungen kann man derzeit nicht mehr erreichen. Darüber sind wir uns einig. KREUZER: Was soll also geschehen? CHAILLY: Mit der Stadt und der Opernleitung gibt es einen ganz offenen und direkten Kontakt, um diese Ziele zu erreichen. Es gibt keinen Geheimplan für die Zukunft, und es gibt auch kein Marionettentheater! KREUZER: Bleiben Sie in jedem Fall Generalmusikdirektor, oder tragen Sie sich weiter indirekt mit Rücktrittsgedanken? CHAILLY: Ich habe nie von Rücktritt gesprochen. Wir werden sehen, wie erfolgreich wir mit dem neuen Intendanten sind. Ich hoffe, dass ich bleiben kann, denn wir haben Pläne über 2010 hinaus. KREUZER: Dass Sie als GMD nur eine einzige Opernproduktion in zwei Jahren dirigiert haben, begründen Sie damit, »in Leipzig kein immerwährendes Chailly-Festival geben« zu wollen. Wenn das so ist, warum wollten Sie dann überhaupt GMD werden? CHAILLY: Das war nicht mein Wunsch, sondern ich wurde danach gefragt. Von Anfang an habe ich gesagt: Ja, gerne, ich bin mit der Oper gewachsen. Ich sehe auch die einmalige Situation, dass das Gewandhausorchester in beiden Häusern spielt. Aber Vorsicht mit der Zeit! Deshalb bat ich darum, einen künstlerisch interessanten und erfahrenen Musikdirektor zu engagieren, den wir jetzt mit Axel Kober gefunden haben. KREUZER: Ihr Kollege und Landsmann Fabio Luisi leitet als GMD in der Semperoper 21 Aufführungen pro Spielzeit – Sie steigen in Leipzig nur fünf Mal im Jahr in den Operngraben. Können Sie die Kritik an Ihrer mangelnden Präsenz verstehen? CHAILLY: Nur wenn man Oper und Gewandhaus getrennt betrachtet. Man muss sehen, wie viele Wochen ich schon im Gewandhaus dirigiere. Dennoch denke ich darüber nach, künftig eine Wiederaufnahme mehr zu dirigieren. KREUZER: Sie sind also bereit, Ihre Präsenz in der Oper zu erhöhen? CHAILLY: Wenn die Organisation in eine neue Richtung läuft. KREUZER: Heißt, wenn es mehr Geld gibt? CHAILLY: Wir müssen endlich vier Jahre im Voraus planen können! Das war nahezu unmöglich bis jetzt, und das war eines der größten Probleme in meinen ersten beiden Spielzeiten. KREUZER: Was soll sich an der Oper nach dem Abgang von Henri Maier künstlerisch ändern – abgesehen davon, dass Sie zum Repertoirebetrieb zurückkehren wollen? CHAILLY: Henri Maier hat viel für das Repertoire getan. Das war richtig und nötig, und wir müssen es weiter verbreitern. Die Frage ist, wie sich die Qualität garantieren lässt. Auch, was die Inszenierungen betrifft. Daran arbeiten wir. KREUZER: Welche Eigenschaften sollte der neue Intendant haben, um Ihren Ansprüchen zu genügen? CHAILLY: Er sollte jung und kreativ sein, aber auch Erfahrungen im Fach Repertoiretheater mitbringen. Und er sollte möglichst aus Deutschland kommen.


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