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Kultur

Kein Monopol der Thomaner: Bach in Leipzig

David Timm und der Leipziger Universitätschor begeistern mit der »Matthäus-Passion«

  Kein Monopol der Thomaner: Bach in Leipzig | David Timm und der Leipziger Universitätschor begeistern mit der »Matthäus-Passion«

Wenn an Karfreitag der MDR und etliche angeschlossene Sender die »Matthäus-Passion« live aus der Thomaskirche übertragen, liegt der Fokus der medialen Aufmerksamkeit einmal mehr bei der Bach-Tradition der Thomaner. Aber nicht nur hier oder mit den internationalen Stars der Alte-Musik-Szene, die in Leipzig gastieren, sind bemerkenswerte Interpretationen der Bachschen Werke zu erleben.

Wenn an Karfreitag der MDR und etliche angeschlossene Sender die »Matthäus-Passion« live aus der Thomaskirche übertragen, liegt der Fokus der medialen Aufmerksamkeit einmal mehr bei der Bach-Tradition der Thomaner. Aber nicht nur hier oder mit den internationalen Stars der Alte-Musik-Szene, die in Leipzig gastieren, sind bemerkenswerte Interpretationen der Bachschen Werke zu erleben.

Das beweisen etwa die jungen Sänger und Instrumentalisten der »amici musicae« um Ron-Dirk Entleutner mit ihrem über das Jahr laufenden Projekt »Bach bei uns«. Dass die Leipziger Bach-Pflege darüber hinaus um weitere Facetten reicher ist, belegte eine herausragende Aufführung der »Matthäus-Passion« am 18. März in der Peterskirche mit dem Leipziger Universitätschor unter Leitung von David Timm. Diese bot alles, was den Besuch einer Bachschen Passion zum besonderen und nachhaltig wirkenden Erlebnis macht. Der Chor zeigte sich bestens vorbereitet, agierte mit größter Aufmerksamkeit, Einfühlung und nicht nachlassender Energie, was bei einem immerhin drei Stunden dauernden Werk keine Selbstverständlichkeit ist. Der Rollenwechsel, den Bach hier von den Choristen verlangt, die in den Turba-Chören gleichsam zum Teil des dramatischen Geschehens werden, während sie in den eingestreuten Chorälen die Ereignisse der Passionsgeschichte aus einer höheren Warte betrachten und von außen kommentieren, gelang sehr überzeugend. Etwa in der Verurteilungsszene »Er ist des Todes schuldig!«, die ihre Expression ganz aus der präzisen und pointierten Sprachbehandlung bezog, dem höhnischen »Weissage uns, Christe, wer ist’s, der dich schlug« und dem folgenden Choral »Wer hat dich so geschlagen«, der – die Leiden Christi mitfühlend – den größtmöglichen Kontrast des Ausdrucks verlangt. Die Choräle kamen allesamt ohne Pathos aus, ohne Fermaten, sondern überzeugten mit einem natürlichen Fluss und einer lebendigen Ausdruckskraft.

Für die Solistenpartien hatte Timm eine Riege hervorragender junger Sänger gewonnen. Mit einer beeindruckenden natürlichen Würde, souveräner Textausdeutung und mitreißender gestalterischer Kraft rückte der Bassist Matthias Vieweg Christus ins Zentrum der Aufführung. Tenor Sebastian Reim gelang der Balanceakt, für die Partie des Evangelisten das richtige Verhältnis zwischen Singen und Erzählen zu finden. Mit Bravour meisterte er die Herausforderung, zugleich auch die Tenor-Arien zu übernehmen. Die russische Sopranistin Anastasiya Peretyahina faszinierte mit einer klaren, leichten Stimme, die dennoch Kraft und Volumen besitzt, verblüffender Technik und einfühlsamer Textausdeutung. Ihr Duett mit Altus Andreas Pehl »So ist mein Jesus nun gefangen« wurde in seiner Innigkeit im Kontrast zu den kraftvollen Einwürfen des Chores »Laßt ihn, haltet, bindet nicht!« zu einem der stärksten Momente. Die Alt-Arien gestaltete Pehl anrührend mit großer Wärme und Anteilnahme. Thomas Oertel-Gormanns fügte als Arien-Bass weitere Glanzlichter hinzu, etwa mit der filigranen Ausgestaltung von »Mache dich, mein Herze, rein«. Das »Pauliner Barockensemble« spielte auf historischen Instrumenten mit einem wunderbar transparenten und warmen Klang und setzte Timms Vorstellung von einem belebten, pulsierenden Musizieren hervorragend um.

Die zahlreichen Instrumentalsoli in den Arien ließen keinerlei Wünsche offen. Mit all diesen diesen Mitstreitern konnte David Timm eine Interpretation schaffen, die nie auf vordergründige Effekte setzte, sondern stets auf ein erfülltes Musizieren von innen heraus, die dem Geist des Wortes folgend einen großen Bogen schlug vom suggestiven Sog des mächtigen Eingangschores bis zum bewegten Aufbruch des Schlußchores, der schon die Botschaft der Auferstehung in sich trug.


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