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Kultur

»Es ist einfach eine gewisse Magie«

Der international gefragte Leipziger DJ und Musik-Produzent Matthias Tanzmann über Clubkultur, Reisen und sein Debüt-Album »Restless«

  »Es ist einfach eine gewisse Magie« | Der international gefragte Leipziger DJ und Musik-Produzent Matthias Tanzmann über Clubkultur, Reisen und sein Debüt-Album »Restless«

Moskau, Frankfurt, Mailand, München und Rotterdam stehen allein im März auf dem Tourplan von Matthias Tanzmann – immer dabei sein Koffer voller Schallplatten. Der Leipziger DJ und Produzent für elektronische Clubmusik hat seit ungefähr fünf Jahren kaum ein Wochenende mehr in seiner Heimatstadt verbracht. Der Grund: Er gehört zu den meist gebuchtesten deutschen House-DJs. Der KREUZER sprach mit dem 30-Jährigen über den Reiz der Clubkultur, das Reisen und über sein erstes Album »Restless«, das Ende Februar auf seinem Label Moon Harbour Recordings veröffentlicht wurde.

Moskau, Frankfurt, Mailand, München und Rotterdam stehen allein im März auf dem Tourplan von Matthias Tanzmann – immer dabei sein Koffer voller Schallplatten. Der Leipziger DJ und Produzent für elektronische Clubmusik hat seit ungefähr fünf Jahren kaum ein Wochenende mehr in seiner Heimatstadt verbracht. Der Grund: Er gehört zu den meist gebuchtesten deutschen House-DJs. Der KREUZER sprach mit dem 30-Jährigen über den Reiz der Clubkultur, das Reisen und über sein erstes Album »Restless«, das Ende Februar auf seinem Label Moon Harbour Recordings veröffentlicht wurde.

KREUZER: Was macht das Leben als DJ und Musiker so anziehend?

MATTHIAS TANZMANN: Eigentlich habe ich mich nicht bewusst dafür entschieden. Ich bin da rein gerutscht und schließlich mit der Entwicklung auch erwachsen geworden. Man ist als DJ eben sehr unabhängig, kann nebenbei seinen Lebensunterhalt damit verdienen, an tolle Plätze reisen und Leuten einen schönes Erlebnis bereiten, indem man Musik spielt, die man selbst liebt.

KREUZER: Was wolltest du als Kind werden?

TANZMANN: Architekt. Irgendwann im Teenie-Alter war ich aber unschlüssig, was ich werden wollte. Bei einem Aufnahmetest an der HTWK wurde ich abgelehnt. Ernsthaft verfolgt habe ich es aber auch nicht weiter. Danach war ich eine Weile untätig, habe dann aber doch in Weimar Mediengestaltung studiert.

KREUZER: Wie bist du zur Clubmusik und dieser Kultur gekommen?

TANZMANN: Anfang der Neunziger war ich zum ersten Mal in der Basis, einem damaligen Leipziger Techno-Club. Da war noch gar nicht klar, dass das später ein Weg für mich werden könnte. Irgendwann habe ich angefangen, mit einem Freund aus der Nachbarschaft Musik zu machen – mit sehr einfachen Mitteln im Kinderzimmer. Da war aber noch kein ernsthafter Wunsch, dass das mal größer werden würde, es schien einfach zu illusorisch. Wenn wir manchmal in den Tresor nach Berlin gefahren sind, dachten wir nur, wie toll es wäre, jemals dort auflegen zu können. Das ist dann aber doch relativ früh passiert.

KREUZER: Was ist der Reiz für dich an der Clubkultur nach über zehn Jahren, in denen du nun als DJ aktiv dabei bist?

TANZMANN: Grundsätzlich reizt mich noch immer die Musik und das, was man damit bewirken kann. Die Musik hat etwas Zeitloses, und trotzdem passiert immer wieder Neues. Toll ist natürlich auch, dass mit der Musik, die man selbst liebt, Clubabende ihre besondere Atmosphäre bekommen. Es ist einfach eine gewisse Magie, die in der Clubkultur aus der Verbindung aus dieser Musik und einem bestimmten Ort entsteht, an dem man mit anderen Menschen einen tollen Abend zusammen hat. Das reizt mich nach wie vor.

KREUZER: Kann man in der Clubkultur alt werden?

TANZMANN: Wohl zwangsläufig nicht. Irgendwann ist der Abstand zu den Jugendlichen, die ja doch die Mehrheit in der Clubkultur ausmachen, zu groß. Das muss bei mir aber nicht in den nächsten zehn Jahren passieren. Ich möchte schon noch eine Weile auflegen. Es gibt ja auch andere Kollegen, die mit weit über Vierzig noch vorn dran sind. Ich denke ab und zu daran, habe aber noch keinen Plan, was danach passiert. Auf jeden Fall werde ich mich weiter mit Musik beschäftigen. Zu Hause höre ich ja auch nicht nur elektronische Musik. Da ist das Feld schon breiter. Insofern werde ich beruflich in zwanzig Jahren sicher im Musikbereich tätig sein, dann aber hinter den Kulissen.

Die wichtigsten Instrumente eines DJs: Zwei <br>Plattenspieler und ein Mixer
KREUZER: Die Clubkultur wird schnell mit Drogen in Verbindung gebracht. Wie ist dein Verhältnis dazu?

TANZMANN: Drogen sind definitiv ein Thema im Clubbereich. Nicht nur bei elektronischer Musik. Ich glaube jedoch nicht, dass es Clubkultur nicht auch ohne Drogen geben könnte. Auch wenn es ein ausgetretener Spruch ist, aber grundsätzlich sollte die Musik das Party-Erlebnis ausmachen. Am Ende muss jeder für sich selbst einschätzen, was gut und richtig für ihn ist.

KREUZER: Der DJ kriegt die Schönsten ab, so ein oft gehörtes Klischee. Wie sieht es bei dir aus?

TANZMANN: Als DJ ist es sicher leichter, mit Menschen in Kontakt zu kommen. Aber das sollte man nicht überbewerten. Da wird vieles heißer gekocht als gegessen.

KREUZER: Wie kann man sich eine klassische Woche in einem DJ-Leben vorstellen?

TANZMANN: Das ist unterschiedlich. Ich bin unter der Woche meist im Studio bin und mache Musik. Ab und zu erledige ich ein paar Sachen im Büro, obwohl die meiste Arbeit dort von anderen gemacht wird. Ansonsten versuche ich mit Sport einen Ausgleich zu den Wochenenden zu finden – viel Schlaf natürlich.

KREUZER: Verliert das permanente Reisen und Auflegen nicht irgendwann an Reiz und wird zu einem routinierten Job?

TANZMANN: Das stimmt schon. Mit den zunehmenden Reisen habe ich gemerkt, dass die Begeisterung ein wenig nachlässt. Das betrifft aber eher das Reisen als die Auftritte. Wenn ich weiß mir steht ein Zwölf-Stunden-Flug nach Asien bevor, dann ist die Stimmung schon etwas gebremst. Wenn man aber in Tokio aus der Maschine steigt, durch die Stadt fährt und abends in einem Club spielt, dann ist das ein gutes Gefühl. Und beim Auflegen hat die Begeisterung nicht nachgelassen.

KREUZER: Ende 2007 wurdest du vom Goethe Institut zu einer Tour nach Australien, Neuseeland und China eingeladen. Wie fühlt man sich als Botschafter einer gewissen deutschen Clubkultur?

TANZMANN: Auf jeden Fall habe ich mich sehr geehrt gefühlt. Genauso wurde es auch kommuniziert, dass man tatsächlich ein Botschafter eines Bereichs deutscher Kultur ist. Dass das Goethe Institut elektronische Musik so wahrnimmt, fand ich schon sehr interessant.

KREUZER: Was hast du auf dieser Reise erlebt?

TANZMANN: Es war mein erster Auftritt in China. Das war bisher auch das Unwirklichste für mich, weil es eine komplett andere Kultur ist, anders noch einmal als Japan. In Japan ist elektronische Musik sehr bekannt, es gibt dort auch echt verrückte Musik-Fanatiker. Aber in Nanjing, Leipzigs Partnerstadt in China, ist solche Musik völlig unbekannt. Man wird da erstmal mit riesigen Augen angeschaut, die Leute wissen gar nicht richtig, was man da gerade macht. In den chinesischen Diskotheken gab es zwar elektronische Beats, aber eben nur in Kombination mit komischer Popmusik und einem anpeitschenden MC. Ich habe dort vor einem völlig perplexen Publikum aufgelegt, nach einer Stunde wurde das Set dann im gegenseitigen Einvernehmen abgebrochen. Andererseits habe ich auch auf einem großen Festival mit circa 5.000 Menschen aufgelegt. Vorher spielte die Band Mia aus Berlin. Obwohl die in Deutsch singen, sind die Leute total ausgeflippt. Danach habe ich noch »DJ-Musik« gespielt, und es hat funktioniert.

KREUZER: Was sind die offensichtlichsten Unterschiede zwischen der deutschen Clubkultur und der in anderen Ländern?

TANZMANN: Man könnte sagen, in Deutschland und ganz Westeuropa sind die Leute am gesättigsten, weil hier einfach die Kultur schon sehr weit entwickelt ist. In Osteuropa sind die Szenen etwa auf einem Level wie hier vor fünf bis zehn Jahren. Das ist alles noch etwas frischer, obwohl es sich auch schon sehr angepasst hat. Eine Zeitlang hatte die Kultur dort einen starken Rave-Charakter mit UK-Progressive-Trance-Sounds und hartem Techno. Am deutlichsten wird der Unterschied eben in den Ländern, die kulturell beziehungsweise technisch noch ein Stück weg von Westeuropa sind. Da ist solche Musik umso unbekannter und Nischen, in denen ich bin, sind dort noch nicht ausdifferenziert. China war in der Hinsicht das extremste Erlebnis.

KREUZER: Und in welchem Land sind die Leute am euphorischsten?

TANZMANN: Schon in Deutschland und auch Spanien, besonders auf Ibiza. Aber da sind die Leute eh in Urlaubsstimmung und dementsprechend schwingt eine grundlegende Begeisterung mit. Wahrscheinlich haben sie aber auch soviel Geld dafür zahlen müssen, um in die Clubs rein zu kommen, dass sie dann einfach nur alles rauslassen wollen. Teilweise ist es auch in Berlin sehr euphorisch, allerdings eher durch die Touristen als durch die Berliner selbst, die ja beinahe übersättigt von der Musik sind. Auch in Osteuropa, besonders in Rumänien, gab es sehr beeindruckende Erlebnisse. Ich wurde einmal mit dem Auto zweieinhalb Stunden von Bukarest in die Wildnis gefahren – und da stand dann plötzlich ein Zelt mit 3.000 Menschen.

International gebucht: Matthias Tanzmann bei einem <br>in Auftritt in Russland (April 2007)
KREUZER: Neben dem Auflegen produzierst du ja auch eigene Musik. Was würdest du als deine musikalische Handschrift bezeichnen?

TANZMANN: Ich glaube, dass der Deep House-Einfluss noch zu hören ist, gerade wenn man ältere Sachen von mir kennt. Ich versuche heute in diese clubbigeren Tracks noch Wärme und so etwas wie Seele einzubringen, was man aus diesem Deep House-Kontext kennt. Durch das viele Auflegen der letzten Jahre hat sich meine Musik eher in eine clubbigere Richtung entwickelt, so dass ich mich heute irgendwo zwischen Deep House und Minimal Techno sehe. Momentan produziere ich solche Musik, die ich auch gern auflegen würde.

KREUZER: Kannst du dir vorstellen, auch als Live-Act auf die Bühne zu gehen?

TANZMANN: Bisher sehe ich mich nur als DJ. Ich habe mich noch nicht an das Live-Spielen rangewagt. Ich sehe mich selbst nicht als Musiker. Da sollte auf der Bühne mehr passieren als nur ein paar Spuren und Patterns anzuklicken. Bei mir würde es wohl darauf hinauslaufen, was ich aber langweilig finde. Ich fühle mich als DJ einfach wohl und gehe darin auch voll auf. Mit den Platten kann ich an einem Abend einfach bessere Geschichten erzählen.

KREUZER: Wenn du dich nicht als Musiker siehst – als was dann?

TANZMANN: Nicht als Musiker im klassischen Sinn, auch nicht als Bühnenmusiker. Ich mag es im Studio zu sitzen, an den Maschinen rumzuschrauben und damit zu experimentieren. Das ist mein kleines Refugium, wo ich in aller Ruhe Dinge ausprobiere, laufen lasse und schaue, wie sie sich entwickeln. Das brauche ich auch. In einem Live-Umfeld muss man ganz anders funktionieren.

KREUZER: Wie lange hast du an deinem Album „Restless“ gearbeitet?

TANZMANN: Ungefähr ein halbes Jahr. Ich hatte mir einen Zeitraum bis Oktober 2007 gesetzt, also bevor die Reise mit dem Goethe-Institut begann. Überraschenderweise habe ich das auch geschafft.

KREUZER: Es ist ja recht vielseitig ausgefallen, wolltest du bewusst ein bestimmtes Spektrum abdecken?

Ein Konzept gab es nicht. Ich wollte hauptsächlich Sachen produzieren, die in irgendeiner Weise für einen DJ einsetzbar sind. In gewisser Sicht spiegelt es mein Leben in dieser Zeit wider. Ich war viel unterwegs, und lange am Stück kann ich nicht arbeiten, insofern sind die Tracks eher Momentaufnahmen. Eine bestimmte Bandbreite sollte es aber dennoch abbilden, also von ruhigeren und experimentelleren House-Stücken bis zu einem Track, der eigentlich schon Techno mit vollen, fordernden Beats ist. Es bewegt sich aber soweit alles in einem ähnlichen Kontext. Es ging mir nicht darum, ein völlig anderes Genre auszuprobieren.

KREUZER: Dein Label Moon Harbour gibt es seit acht Jahren. In diesem Zeitraum hat die Musikbranche einen enormen Umbruch durchgemacht und der klassische Tonträgerverkauf ist immer stärker eingebrochen. Wie bekommt ihr das als kleines Club-Label zu spüren?

TANZMANN: Man merkt es schon recht deutlich. Vor ein paar Wochen habe ich mit Leuten von einem befreundeten Label gesprochen und die hatten im letzten Jahr einen Einbruch von 40 Prozent, was immens ist. Bei Moon Harbour gibt es nicht so eine hohe Veröffentlichungsfrequenz, um solch einen Trend bestätigen zu können. Es sind sehr verschiedene externe Einflüsse, die den Erfolg einer Veröffentlichung ausmachen. Bei uns läuft es noch ganz gut im Moment. Wir legen viel auf, bekommen viel gutes Feedback von anderen DJs, die unsere Platten spielen. Da entsteht eine eigene Dynamik. Letztlich veröffentlichen wir eben die Musik, die wir mögen und für gut empfinden. Da treffen wir im Moment wahrscheinlich den richtigen Nerv. Wir sind nie auf irgendwelche Trends aufgesprungen und haben konstant unsere Sache verfolgt. Vielleicht haben wir jetzt einfach unsere Zeit.


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