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»Besudelung und Ejakulation«

Zu einem Leserbrief von Otto Reitsperger

  »Besudelung und Ejakulation« | Zu einem Leserbrief von Otto Reitsperger

An dieser Stelle beantworten KREUZER-Redakteure ausgewählte Leserbriefe. Aktuell reagiert Kunstredakteur Robert Schimke auf einen Leserbrief zum Beitrag »Besudelung und Ejakulation – Unterwegs mit Sexualtherapeut Kurz Seikowski in der Gunter-Sachs-Ausstellung« im Mai-KREUZER:

An dieser Stelle beantworten KREUZER-Redakteure ausgewählte Leserbriefe. Aktuell reagiert Kunstredakteur Robert Schimke auf einen Leserbrief zum Beitrag »Besudelung und Ejakulation – Unterwegs mit Sexualtherapeut Kurz Seikowski in der Gunter-Sachs-Ausstellung« im Mai-KREUZER:

Sehr geehrter Herr Schimke!

Mit einem Analytiker in eine Ausstellung zu gehen, ist eine interessante Idee. Herrn Seikowskis kurze Ausführungen seiner fachlich inspirierten Bildauslegung bleiben aber leider an der Oberfläche. (»... dann ist das Wasser natürlich Sperma«, »Das sind natürlich Ejakulationsformen ...«). Natürlich? Eine Erläuterung wäre interessant gewesen.

Naturgemäß ist Gunter Sachs kein großer Künstler, – wenn denn überhaupt einer. Sein Eklektizismus bediente sich quer durch den Gemüsegarten, Riefenstahl war vor ihm da und wenigsten originär. Aber er hatte Geld und Zeit und das machte einiges möglich.

Aber ist das der Punkt? Hans-Werner Schmidt hat eine gelungene Ausstellung vorgestellt. Er führt den Leipzigern, der Stadt der Wende, einen millionenschweren Sunnyboy der Regenbogenpresse vor. Herr Sachs hat die Räume bis zum Übermaß mit Devotionalien seines Lebens gefüllt: ... mit diesem Schlitten fuhr G.S.! Konsequent eigentlich, ist denn nicht das Phänomen »Gunter Sachs« oder seine Biografie das, was ein quasi-künstlerisches Interesse hervorrufen kann? Enge, überall Enge, wie auf der Kirmes. Die Bilder hätten kaum eine Chance, auch wenn sie besser wären. Die Naivität und Abgehobenheit dieses Werkes werden vorgeführt, ob mit Absicht oder nicht sei dahingestellt. (Und im Formalen ist es ein interessanter Aspekt, dass gerade die Ästhetik (das Sterile und die Kälte) wie sie von solchen Fotografien transportiert wird, sich bis heute in deutscher (Werbe)Fotografie einen bemerkenswerten Platz erhalten hat.)

Ich weiß nicht, wie Herr Sachs über seine Selbstdarstellung denkt. Ohne den sachs'schen Narzissmus im Gepäck wird es dem unvoreingenommenen Besucher aber eigentlich nicht schwer gemacht, diese Schau mit einem differenzierten Blick zu betrachten.

mfg

Otto Reitsperger

Sehr geehrter Herr Reitsperger,

Vielen Dank für Ihre Zuschrift. Dass Herrn Seikowskis Ausführungen nicht in die Tiefe gehen konnten, erklärt sich aus dem Unterfangen, auf einer einzigen Textseite zu protokollieren, was der versierte Sexualwissenschaftler während eines langen, ausgiebigen Rundgangs ins Mikrofon gesprochen hat. Eher ging es mir als Redakteur um eine natürlich witzig und provokant gemeinte Geste. Denn ob das Museum seine Reihe »Kunst und Psychoanalyse« eine Folge lang in die Sachs-Ausstellung verlegt, bezweifle ich.

Sie sprechen in Ihrem Brief einen wichtigen Punkt an: »Die Kunst ist weiblich« im Museum der bildenden Künste ist keine Kunst- sondern eine Personality-Ausstellung. Sachs’ Leben als Gesamtkunstwerk zu betrachten (wie vom Museum proklamiert), hätte bedeutet, das Wirken des Playboys kulturhistorisch zu beleuchten, hätte also ein Mindestmaß an kuratorischer Distanz erfordert.

Daran aber mangelt es der Ausstellung in jeder Hinsicht – das ist das Kernproblem für mich. Sachs hat das Museum als Display für seine penetrante Eitelkeit in Beschlag genommen. Das mag Ihnen und vielen anderen Besuchern zwar auffallen. In der Hoffnung auf ein wenig goldenen Bedeutungsstaub am Revers aber und in der (berechtigten) Annahme auf hohe Besucherzahlen spielt der Museumsdirektor willig mit. Sie schreiben, Hans-Werner Schmidt führe den Leipzigern einen millionenschweren Sunnyboy der Regenbogenpresse vor. Da höre ich die Doppeldeutigkeit des Wortes »vorführen« heraus. Ich glaube jedoch, Schmidt hat sich vorführen lassen – vom Quotendruck und von einem Sachs, der die Darstellung seines verzerrten Selbstbildes durchzusetzen wusste.

Mit schönen Grüßen aus dem KREUZER, Robert Schimke, Kunstredakteur


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