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Kultur

Wir müssen reden

Eine fast verlassene Gemeinde auf dem Flughafengelände wird zum Zukunftsort

  Wir müssen reden | Eine fast verlassene Gemeinde auf dem Flughafengelände wird zum Zukunftsort

Ende Juni wird in Halle das nach eigenen Angaben bedeutendste deutschsprachige Theaterfestival »Theater der Welt“ stattfinden. Doch schon im Vorfeld wärmen sich einige Festivalteilnehmer mit speziellen Projekten auf. Benjamin Foerster-Baldenius und Cora Hegewald, die im Juni im Rahmen des Festivals mit ihrem Vorhaben »Ausflughafensicht“ auf den Flughafen Leipzig-Halle ziehen werden, beenden diesen Samstag einen dreitägigen Ausflug nach Diskursdorf.

Ende Juni wird in Halle das nach eigenen Angaben bedeutendste deutschsprachige Theaterfestival »Theater der Welt“ stattfinden. Doch schon im Vorfeld wärmen sich einige Festivalteilnehmer mit speziellen Projekten auf. Benjamin Foerster-Baldenius und Cora Hegewald, die im Juni im Rahmen des Festivals mit ihrem Vorhaben »Ausflughafensicht“ auf den Flughafen Leipzig-Halle ziehen werden, beenden diesen Samstag einen dreitägigen Ausflug nach Diskursdorf.

Diskursdorf? Das ist das, was entsteht, wenn Theatermacher, Zukunftsforscher, Science Fiction-Autoren, Wirtschaftsleute und Politiker in der kleinen Flughafengemeinde Kursdorf über die Zukunft reden. Foerster-Baldenius und Hegewald haben sich mit ihren Gästen im aufgegebenen Gasthof des Ortes, in einer leerstehenden Scheune und in der rund 700 Jahre alten, winzigen Dorfkirche niedergelassen. Einen Kilometer entfernt blitzt das hypermoderne Flughafengebäude, unten im Ort hat ein Anwohner eben noch gesagt: »Das hat ja keine Zukunft hier.«

Kursdorf ist etwas ganz besonderes: Die Gemeinde liegt komplett auf dem Gelände des Airports. Ein acht Meter hoher Betonwall grenzt sie seit über einem Jahr von der übrigen Welt ab. Hinter der Mauer dröhnt ein Flugzeugtriebwerk, auf der anderen Seite des Dorfes rauscht die Autobahn vorbei. Lärm, Kerosingestank und eine EU-Außengrenze, die mitten durchs Dorf geht, haben einen Großteil der Einwohner vertrieben. Von ehemals über 200 Menschen wohnen nur noch rund fünfzig hier.

Am ersten Tag von »Ausflughafensicht« ist es ungemütlich. Eiseskälte in der leeren Scheune, die rund dreißig Gäste wickeln sich in Decken. Foerster-Baldenius fühlt sich an eine Szene aus dem Film »The Day After« erinnert, dabei soll hier darüber gesprochen werden, woran man die Zukunft erkennt, wenn sie kommt. Science Fiction-Autor Karl-Heinz Steinmüller, Autor Ingo Niermann und Regisseur Julian Kamphausen diskutieren über das Spannungsfeld von Futurismus und Leere in entsiedelten Gebieten und landen schließlich bei Gentests, die der Früherkennung erblicher Krankheiten dienen – die Zukunft ist längst da. Am Abend drauf wird die Wiedereröffnung des Gasthofs als Ballsaal mit Tanzkurs und Sängerin Bernadette La Hengst gefeiert.

Diesen Samstag wird die Runde über die Zukunft des Formats Festival diskutieren. Theater der Welt – ein »Goodie« mehr auf der Liste städtischer PR-Manager? Samstag Nachmittag bricht der Tross wieder auf. Dann ist Kursdorf wieder so wie immer: leer und laut. Während Foerster-Baldenius und Hegewald hoffen, »dass die Dorfbewohner Interesse an unserer Arbeit bekommen«, sagt Ortsvorsteher Thomas Knauf: »Das kommt alles zu früh für uns. Ich werde nicht zu einer Tanzveranstaltung in unserer ehemaligen Kneipe gehen. Dazu hängen viel zu viele Geschichten dran.


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