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Stadtleben

»Wenn du tanzen willst, dann richtig«

Die Flamencokünstlerin Irene Álvarez über Kommunikation und Offenheit, Leidenschaft und Freiheit

  »Wenn du tanzen willst, dann richtig« | Die Flamencokünstlerin Irene Álvarez über Kommunikation und Offenheit, Leidenschaft und Freiheit

Flamenco ist meine Leidenschaft, mein Leben, meine Identität. Triana, der Stadtteil von Sevilla, in dem ich aufgewachsen bin, ist berühmt für Flamenco. Arabische, jüdische, afrikanische Einflüsse und die wichtigen musikalischen und tänzerischen Ursprünge der Zigeuner verbinden sich in Andalusien mit spanischer Folklore zu Flamenco.

Flamenco ist meine Leidenschaft, mein Leben, meine Identität. Triana, der Stadtteil von Sevilla, in dem ich aufgewachsen bin, ist berühmt für Flamenco. Arabische, jüdische, afrikanische Einflüsse und die wichtigen musikalischen und tänzerischen Ursprünge der Zigeuner verbinden sich in Andalusien mit spanischer Folklore zu Flamenco. In meiner Familie war ich die Einzige, die tanzen wollte, und meine Mutter sprach schon früh ein Machtwort: Wenn du tanzen willst, dann richtig. So begann ich bereits mit 9 Jahren bei Matilde Coral, einer sehr berühmten Bailaora, Unterricht zu nehmen. Das hieß jeden Tag 4 bis 5 Stunden hartes Training. Sie bereitete mich auf die Abschlussprüfungen des Konservatoriums vor, das ich mit 18 Jahren als Diplom-Tanzlehrerin für klassischen spanischen Tanz und Flamenco verließ.

Doch nur vom Tanz konnte ich in Sevilla nicht leben. Die Konkurrenz war groß und meine Eltern wollten, dass ich noch einen „ordentlichen“ Uniabschluss habe. Also entschloss ich mich, Mathematik zu studieren. Anfangs fiel es mir noch leicht, aber in den letzten Studienjahren musste ich mich ziemlich durchkämpfen, immer mein Ziel vor Augen: Flamenco tanzen! Dass ich nun als Doktorandin der Flamencostudien in Sevilla forschen kann, verdanke ich meinem Hochschulstudium. Ich brauche beides: Theorie und Praxis.

Immer ein Ziel vor Augen: Flamenco tanzen!
Der Plan, mit einer Freundin eine Tanzschule zu eröffnen, wurde von der Liebe durchkreuzt. Mein Mann war 2001 als Erasmusstudent in Sevilla und kehrte bald darauf nach Deutschland zurück. Eine Fernbeziehung kam für mich nicht in Frage, und obwohl ich Sevilla bis dahin nur für Urlaubsreisen verlassen hatte, beschloss ich kurzerhand, zu ihm nach Leipzig zu ziehen. Die Abwechslung tat mir gut. Es ist wie beim Flamenco: Wenn du offen bist, dann funktioniert es auch. Ich gründete mit Hector Corona und Silvina Machado, zwei argentinischen Tangoprofis, die Arrebato-Schule in der Kohlenstraße am Bayrischen Platz. Arrebato heißt: Ausbruch und Leidenschaft. Das ist Flamenco – er kommt von innen. Wenn ich als Tänzerin auf der Bühne stehe, will ich frei sein und mich gehen lassen. Auf der Suche nach diesen Augenblicken erlebe ich im Tanz die schönsten Momente. Kompromisslos tanzen heißt, zu zeigen, wie ich lebe, wer ich bin, was in mir ist. Ich erzähle meine Geschichte und die Geschichte des Flamencos.

Jenseits von kitschigen Vorstellungen will ich dem Publikum das universelle und gleichzeitig intime Moment des Tanzes zeigen. In der Schule ist es mir wichtig, zu vermitteln, dass Takte und Technik erlernbar sind, aber Ausdruck und Offenheit verinnerlicht sein müssen. Sogar im Anfängerkurs kann jemand so bei sich sein und mit der Musik ungezügelt seinen Gefühlen nachgehen.

Jenseits von kitschigen Vorstellungen
Vor zwei Jahren kehrten meine Partner nach Buenos Aires zurück, und ich suchte mir neue Räumlichkeiten für das Projekt. Knapp sechs Monate unterrichtete ich mal hier, mal da, bis ich im Zentrum-Ost das Tanzstudio fand. Mittlerweile lebe ich ganz gut davon und kann alle paar Monate zu meinem Meister nach Sevilla fliegen, um selbst Unterricht zu nehmen. Man lernt nie aus – immer wenn ich denke, ich kann etwas, werde ich eines Besseren belehrt. Deswegen bilde ich mich ständig fort auf Workshops und in Kursen, bei Flamencokünstlern in Spanien und Ballettmeistern in Leipzig.

Genauso entwickle ich mich weiter, wenn ich zeige, wie Flamenco getanzt wird. Denn jeder Mensch hat seinen eigenen Zugang, und die individuellen Interpretationen der Bewegungen und der Musik machen den Reichtum dieses Tanzes aus. Es ist nicht wichtig, ob ich einen Schritt zehnmal erkläre. Wenn die Schüler es verarbeiten und es dann einmal klappt, bin ich trotzdem zufrieden. Für mich ist das, was ich bekomme, immer größer und schöner als das, was ich gebe. Flamenco bedeutet ja genau das: Offenheit und Kommunikation und Freiheit auf der Bühne oder in der Tanzschule, mit Menschen oder Instrumenten, Gesang und Takten. Das macht mich glücklich.


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