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Kultur

Singendes Durcheinander

Wie ein britisches Reiseunternehmen mit einem internationalen Chorfestival das Leipziger Musikleben revolutionieren will

  Singendes Durcheinander | Wie ein britisches Reiseunternehmen mit einem internationalen Chorfestival das Leipziger Musikleben revolutionieren will

Superlative, so sagt man, haben im anglo-amerikanischen Raum einen anderen Stellenwert als bei uns. Wenn für den Engländer oder Amerikaner eine Idee schon »excellent« ist, ist sie bei uns meist erst »gut«. Und ist ein Festival dort »spectacular« ist es hier vielleicht »gelungen«. Das gilt übrigens auch für Musikfestivals.

Superlative, so sagt man, haben im anglo-amerikanischen Raum einen anderen Stellenwert als bei uns. Wenn für den Engländer oder Amerikaner eine Idee schon »excellent« ist, ist sie bei uns meist erst »gut«. Und ist ein Festival dort »spectacular« ist es hier vielleicht »gelungen«. Das gilt übrigens auch für Musikfestivals.

Der feine Unterschied sollte beim Besuch der Homepage des britischen Reiseveranstalters Casterbridge Tours bedacht werden. Dort nämlich wird das erste International Choral Festival in Leipzig beworben und der unvorbereitete Leser könnte denken, dass etwa das a cappella-Festival, die 16.000 Bläser auf dem Augustusplatz und das gerade beendete Bachfest nur die Appetizer für den eigentlichen Musikhöhepunkt 2008 waren.

Denn nun kommen »Chöre aus der ganzen Welt«, um unter anderem im »großartigen Gewandhaus« ihre internationalen Stimmen bei einem »spektakulären Auftritt« zu verschmelzen. Ein »außerordentliches Ereignis der Chormusik« steht in der »musikalischsten Stadt Europas« bevor. Ein Ereignis, das bald schon ein Höhepunkt des europäischen Sommerveranstaltungskalenders werden soll – mit »neuartigen und aufregenden Erlebnissen«. Da freut sich die Musikszene!

Aber obwohl auf besagter Homepage noch der Thomanerchor den Besucher anlächelt, sind es zum Festival plötzlich die Sons of Orpheus aus Tucson (USA) oder die Männerchöre aus Torgau, Taucha und Ermlitz. Daneben singt unter anderen das Damenensemble enchore Leipzig neben einem High-School-Chor aus Großbritannien.

Wie die Auswahl der 15 teilnehmenden Chöre besticht auch das musikalische Programm durch – nun ja – Vielfalt. Von Beethovens Neunter über die schönsten Musical-Lieder bis hin zu Brahms, Rheinberger und Mendelssohn, die deutschen Trinklieder nicht zu vergessen, reicht das »neuartige« und »aufregende« Gesamtprogramm.

Die Idee zum Festival, bereits vor drei Jahren entstanden, ist dabei durchaus ehrenwert: Einen besungenen Kulturaustausch stellt sich Casterbridge Tours vor. 28 europäische Städte wurden angefragt, als Austragungsort des Festivals zu dienen, 14 haben sich beworben, darunter Leipzig, das letztlich den Zuschlag bekam – der reichen Musiktradition wegen.

Auch wenn der Musikfestivalmarkt gesättigt scheint – der britische Veranstalter will es trotzdem versuchen. Und bei aller gebotenen Skepsis kann das Fehlen großer Namen beim singenden Durcheinander auch inspirierend sein. Vielleicht nur hätte der Übersetzer das Fortissimo in der Werbung in ein moderates Mezzopiano verwandeln sollen – und auf eben jenen feinen kulturellen Unterschied achten sollen, den zu erkennen das International Choral Festival beitragen will.


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