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»Wir sitzen alle in einem Boot«

Kommentar zur Vollversamlung der SoPhi-Fakultät am 21. Juli

  »Wir sitzen alle in einem Boot« | Kommentar zur Vollversamlung der SoPhi-Fakultät am 21. Juli

Der Hörsaal in der Beethovenstraße füllte sich innerhalb weniger Minuten mit gefühlten 500 Studenten. Dabei ist das Thema Hochschulpakt ziemlich dröge. Auch die Organisatoren der Fachschaften Politik und Kulturwissenschaften überraschte die Zahl der Anwesenden.

Der Hörsaal in der Beethovenstraße füllte sich innerhalb weniger Minuten mit gefühlten 500 Studenten. Dabei ist das Thema Hochschulpakt ziemlich dröge. Auch die Organisatoren der Fachschaften Politik und Kulturwissenschaften überraschte die Zahl der Anwesenden. Wie dem auch sei.

Das Podium, bestehend aus Prorektor Wolfgang Fach (bekannt für seinen Zynismus), Wissenschaftsministerin Eva-Maria Stange (mittlerweile bekannt durch zahlreiche öffentliche Auftritte bei diversen Diskussionsveranstaltungen) und Institutsdirektor der Politikwissenschaftler Ulrich Bröckling (der immer ein gelungenen Beitrag liefern kann und die Zuhörenden auf seine Seite zu ziehen vermag – nicht umsonst ist er Rhetorikprofessor), lud zu einer unterhaltsamen Veranstaltung ein. Die wurde es dann auch!

Von oben wie von unten von hinten wie von vorn: Prorektor Fach fühlt sich wie das Würstchen im Sandwich und kündigte von vornherein an, ein passives Rädchen im Getriebe zu sein und zu bleiben, da sich angesichts der institutionellen Situation aus seiner Position ohnehin nichts reißen ließe. Frau Dr. Eva-Maria Stange hingegen ist so wahnsinnig engagiert, dass sie selbst ohne Anfrage beschließt, nach Leipzig zu fahren und mit zu diskutieren, wie es um die Zukunft der Hochschule steht. Ulrich Bröckling hat den einfachsten Part: er schickt ein paar Zahlen voraus, die die desaströse Lage am Institut für Politikwissenschaften mehr als deutlich werden lassen. Sein Aufruf an die Professorenschaft und die wissenschaftlichen Mitarbeiter zur Solidarität und geschlossenen Verweigerung, die anstehende Erhöhung von Erstsemesterzahlen zu akzeptieren, schlägt in tobenden Applaus um.

Dass die Grenzen der Belastbarkeit erreicht sind, gestehen alle Anwesenden ein. Keiner will mehr Stellen abbauen. Ministerin Stange erklärt: »Wir sitzen alle in einem Boot!« und erläutert ihren Vorstoß, mittels Beteiligung am Hochschulpakt 2020 die in der Hochschulvereinbarung 2010 getroffenen Kürzungsprogramme vorübergehend außer Kraft zu setzen. Chaos Hochschulpolitik.

Auf studentischer und Mitarbeiterseite wurden Stimmen laut, das Rektorat, hier in Vertretung von Fach, soll einen neuen Strukturplan erstellen. Es müsse auf die Situation von überbuchten Studiengängen, mangelnden Lehrkräften und Institutsschließungen reagiert werden, wenn Qualität der Lehre überhaupt noch eine Rolle spielt. Die nächste Hochschulreform lauert schon am Horizont.

Von links: Prorektor Fach, Studentenvertreter Walther, <br>Dr. Stange, Prof. Bröckling
Prorektor Fach zieht sich auf seine Systemfunktionsrolle zurück und verweigert jede Vermittlung zwischen studentischen Interessen und programmatischen Anweisungen aus dem Rektorat. Allein auf Vorschläge, die die Schließung von Instituten betreffen, könne er eingehen. Jedoch nur, wenn sich mit den zuständigen Dekanen dazu ein Konsens herstellen lässt, doch diesen Konsens sehe er nicht. Also schlug er vor, abzuwarten, wie sich die Sache mit den zu vielen oder zu wenigen Studierenden in den nächsten Semestern entwickelt.

Da ist einem die Haltung der streitbaren, aber klar positionierten Ministerin lieber. Immerhin versucht sie deutlich zu machen, was dort im Ministerium ausgetüftelt wird. Die Anerkennung für öffentlichkeitswirksame Wissenschaftspolitik in transparenter Art und Weise kann nur selten einem politischen Akteur zugesprochen werden. Ihr alle Mal!

Schlussendlich saß der Prorektor Fach in seiner ungewünschten Rolle des irrsinnigen Zynikers unmotiviert als Beiwerk in der Veranstaltung. Ministerin Stange verteidigte tapfer ihre Beschlüsse und wies die Pauschalkritik der Politologen an ministerialen Arbeits- und Entscheidungsmechanismen als unzulänglich zurück – sie müssten eigentlich besser wissen, welche Sprache im politischen System gesprochen wird.

Die Politologen hingegen versammelten sich hinter den Kampfansagen von Bröckling und besannen sich auf ihre urpolitische Tradition, die Rolle der Kämpfer für Gerechtigkeit qua Revolte gegen die Systemauflagen zu übernehmen.

Mehr Konsens geht einfach nicht.


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