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Kultur

»Die 68er sind an allem Schuld!«

Von weißen Kaninchen und einsamen Pferden sang Rainald Grebe im Centraltheater

  »Die 68er sind an allem Schuld!« | Von weißen Kaninchen und einsamen Pferden sang Rainald Grebe im Centraltheater

Am programmreichen Eröffnungswochenende lockte das Centraltheater hunderte Leipziger in den ehrwürdigen Saal. Doch nicht die Matthäuspassion war Schuld am Strom der Neugierigen, sondern Rainald Grebe, Kabarettist, Liedermacher und Schauspieler, der sich Anfang der 90er aufmachte, den Osten zu erobern.

Am programmreichen Eröffnungswochenende lockte das Centraltheater hunderte Leipziger in den ehrwürdigen Saal. Doch nicht die Matthäuspassion war Schuld am Strom der Neugierigen, sondern Rainald Grebe, Kabarettist, Liedermacher und Schauspieler, der sich Anfang der 90er aufmachte, den Osten zu erobern. Das hat er spätestens mit seinen Hymnen »Thüringen« und »Brandenburg« geschafft. Die spielte er allerdings gestern trotz lautstarker Publikumsforderungen nicht, aber schließlich war es ja auch ein Record-Release-Konzert seiner neuen Platte »1968«. Mit der Kapelle der Versöhnung lieferte er dem überwiegend studentischen Publikum (war ja schließlich umsonst) eine zweieinhalbstündige Bühnenshow, die trotz einiger Längen überzeugte.

Mit dem Run auf blaue Bändchen, die den Einlass garantieren sollten, fing der Abend schon um 19.30 Uhr spannend an. Menschenmassen drängelten sich durchs Theater auf der Jagd nach besagtem blauem Armschmuck, Ellenbogen kamen zum Einsatz, und die Mitarbeiter des Centraltheaters mussten so manchen heftigen Diskussionen tapfer ins Auge blicken. Und mittendrin, in orangefarbener Sweatshirtjacke, hüpfte geschäftig Sebastian Hartmann über die Ränge.

Um 21 Uhr platzte der Saal aus allen Nähten und war bis auf den letzten verfügbaren Zehenspitzen-Stehplatz besetzt. Superstaratmosphäre für Rainald Grebe und seine Begleiter Martin Brauer und Marcus Baumgart. Während Letztgenannter das Publikum mit stoischem Schweigen zum Lachen brachte, hatte Brauer die Leute spätestens dann auf seiner Seite, als er Grebes Witzchen mit Qualmwolken quittierte, die aus einem zum Pfeifchen umfunktionierten lebensgroßen weißen Kaninchen aufstiegen.

Grebe hatte sich schlau gemacht: Die Bühne ist vom Rauchverbot in öffentlichen Gebäuden ausgenommen, denn »wenn ich auf der Bühne rauche, dann spiele ich nur, dass ich rauche«. Aus dieser Erkenntnis resultierte ein Service fürs Publikum, der nach anfänglichem Zögern reichlich in Anspruch genommen wurde: ein Rauchertisch am Bühnenrand. Dass, so Grebe in seinem Raucherlied, in der Prärie ein einsames Pferd steht, weil der Marlboro-Mann aufgehört hat (zu rauchen? zu arbeiten? zu leben?) stört wenige.

40 Jahre 68 Grund genug für Grebe, diesem Jahr ein Album zu widmen. Leider erst 1971 geboren, rächt er sich an der Geschichte: »Liebe Kinder, es gab ein Jahr, das eine Katastrophe war (...) die 68er sind an allem Schuld.« Mit »1968« nimmt Grebe in gewohnt humorvoll-nachdenklicher Manier die 68er und ihre Ziele leicht ironisch auf den Arm, berichtet vom harten Tag im Leben eines Präsidenten und begibt sich mit »White Rabbit« auf einen psychedelischen Trip.

Beifallsstürme und Standing Ovations ließen keine Zweifel: Grebe hat gerockt! Vor allem die drei Zugaben begeisterten. Spätestens die »Bengt«-Performance ließ keine Wünsche mehr offen: Bei Windstärke 6, mit wehendem Haar und flatterndem Hemd im Flackerlicht, »bängte« Grebe zum Abschluss noch mal gepflegt die Bühne!


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