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Kultur

Der behauptete Elfenbeinturm

Eine Ausstellung in der HGB beschäftigt sich mit der Kunstproduktion im Spannungsfeld von Authentizität und Marktförmigkeit. Und verhebt sich am eigenen Anspruch.

  Der behauptete Elfenbeinturm | Eine Ausstellung in der HGB beschäftigt sich mit der Kunstproduktion im Spannungsfeld von Authentizität und Marktförmigkeit. Und verhebt sich am eigenen Anspruch.

»Welcome to the Ivory Tower!« tönt der Ausstellungstitel und lockt, den viel zitierten Elfenbeinturm intellektueller Abgeschiedenheit zu betreten. HGB-Schüler wollen künstlerisch Positionen vermitteln, die innerhalb eines Seminars mit Ulrich Bröckling, Professor für Ethik, Politik und Rhetorik an der hiesigen Universität, erarbeitet wurden.

»Welcome to the Ivory Tower!« tönt der Ausstellungstitel und lockt, den viel zitierten Elfenbeinturm intellektueller Abgeschiedenheit zu betreten. HGB-Schüler wollen künstlerisch Positionen vermitteln, die innerhalb eines Seminars mit Ulrich Bröckling, Professor für Ethik, Politik und Rhetorik an der hiesigen Universität, erarbeitet wurden. Zur Frage steht das Selbstverständnis des Künstlers sowie Grenzen und (Un-)Möglichkeit seiner Autonomie. Und welche Konsequenzen ergeben sich für die Ausrichtung der Kunsthochschulen zu Zeiten, in denen alles eine Marke zu sein hat?

Die theoretische Ausganglage ist demnach inspirierend, inhaltlich eingelöst wird der Anspruch jedoch nicht. Dafür operieren viele Arbeiten mit dem schönen Schein philosophischen Vokabulars. Da unterwirft sich ein Fotograf mit quasi-dokumentarischen Arbeiten angeblich bewusst »Dispositiven, Prägungen und Zuschreibungen«. Ganz so, als ob man in Diskursen freier Akteur sein könne. Ein Video zeigt den Aufbau eines pink gehaltenen Spielzeugturms, dessen Abriss als Akt des »Ausbruchs und Widerstandes« aus dem ökonomischen Zirkel verstanden werden soll. Das Zur-Verfügung-Stellen einer Fläche für wechselnde Präsentationen HGB-ferner Künstler wird zur »partizipativen Aktion« aufgeladen.

Bei Arbeiten, die sich immerhin explizit mit der Fragestellung auseinandersetzen, zeigen sich bisweilen Missverständnisse mit dem theoretischen Material. Etwa wenn man im Terminus »Regierung der Kunst« den doppelten Genitiv übersieht und nur darüber sinniert, ob Künstler in die Große Politik eingreifen können, statt zu fragen, wie wirtschaftliche Zwänge in die Kunst eingreifen. Und warum drei Bildschirme, die hauptsächlich Interviews mit HGB- und Uni-Studenten zeigen, gleich einen »Trialog« darstellen, bleibt ungewiss. Den Äußerungen einiger Sprecher immerhin ist Instruktives zu entlocken. Ein Video zu Georg Simmels Text »Über Kunstausstellungen« veranschaulicht mittels Fischbrötchen und Flaschenbier den Zusammenhang von Ausstellung und einzelnem Werk. Wenn auch visuell ansprechend, bleibt es Illustration. So ist als interessantester Aspekt ein Gespräch zweier Besucher über eine mögliche Sinnkrise Neo Rauchs zu nennen. Der habe vielleicht keine Lust auf die Bürokratie einer Professur und sich mit Ende 40 gefragt, warum er mit Malerei so viel Geld verdienen konnte.

Im Ansatz brisant wie wichtig, sind die ausgestellten Resultate ernüchternd. Den Sammelsuriumscharakter wird die Schau dadurch nicht los, dass sie die fehlende Tiefe mit begrifflichem Bimbamborium kaschiert. Solcherart Feuilleton-Postmodernismus hat mit intellektueller Auseinandersetzung nichts zu tun. Hier sei an den Satz erinnert, mit dem Bröcklings kluges Buch »Das unternehmerische Selbst« schließt: »Vielleicht besteht ja die Kunst, anders anders zu sein, genau darin: rechtzeitig aufzuhören – und anderswo von Neuem zu beginnen.«


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