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»My Home Is My Temple«

Mit dem <em>kreuzer</em> auf die sieben Weltmeere – Der neue Blog auf <em>kreuzer</em> online (Teil 9)

  »My Home Is My Temple« | Mit dem <em>kreuzer</em> auf die sieben Weltmeere – Der neue Blog auf <em>kreuzer</em> online (Teil 9)

Unsere »kreuzer-Auslandskorrespondentin« Ele Jansen hat sich auf große Fahrt begeben und berichtet in einem exklusiven Reise-Blog über ihre Erlebnisse vor Ort. In Indonesien lässt sie sich von der Schönheit, der Kultur und dem Glauben der Balinesen betören.

Unsere »kreuzer-Auslandskorrespondentin« Ele Jansen hat sich auf große Fahrt begeben und berichtet in einem exklusiven Reise-Blog über ihre Erlebnisse vor Ort. In Indonesien lässt sie sich von der Schönheit, der Kultur und dem Glauben der Balinesen betören.

Teil 9: »My Home Is My Temple«

Der lange Balkon vor meinem Zimmer in Seminyak ist so detailreich und gemütlich, dass er ein ganz gutes Krankenbett für mich abgibt. Die letzten Tage in Borneo hatte ich versucht, meine Erkältung zu kurieren, um meinen Flug nach Bali gesund antreten zu können. Und obwohl meine Nase dicht war, bin ich geflogen – bewaffnet mit Nasenspray und Taschentüchern. Nach dem Flug waren meine Nasennebenhöhlen bedient, so dass ich weder meinen Gleichgewichtssinn einsetzen noch irgendetwas hören konnte. Großartig, es war mitten in der Nacht und ich hatte noch keine Bleibe. Ächz ...

Auch ohne Gehör findet man auf Bali leicht einen Taxifahrer – ich fand einen, der mir dann auch gleich zu meinem tollen Zimmer verholfen hat. Meiner inzwischen ausgewachsenen Sinusitis habe ich mit einem Antibiotikum und einigen heimischen »Spirits« den Kampf angesagt. Mein Vermieter hat die Geister für mich beschworen, damit ich schnell wieder gesund werde. Und das geht so:

Im balinesischen Hinduismus gibt es über hundert Götter und Subgötter. Außerdem wohnen an allen Orten »Spirits«, die jedermann im Guten oder Bösen heimsuchen können. Wird man krank oder hat man Pech, dann sind die bösen Geister dafür verantwortlich. Um dies zu vermeiden, hegen und pflegen die Balinesen ihre Geister und Götter mehrmals täglich. Angeblich verbringen die Frauen hier zwei Drittel ihres Tages mit Zeremonien und Gaben. Das glaube ich gern angesichts der allgegenwärtigen »Offerings«, bestehend aus Palmschalen mit Blüten, Gräsern, Räucherstäbchen und kleinen Essensresten. Diese liegen auch gern tagelang auf den Gehwegen, bevor sie schließlich entsorgt werden. Ich mag das. Man muss ohnehin aufpassen, wohin man tritt, und der Blick auf den Bürgersteig ist hübscher mit all den kleinen Nestern. Die Bali-Hindus kurieren ihre Krankheiten meist mit einer Kombination aus pharmazeutischer Medizin und einer Heilmethode, die auf dem Rat eines Medizinmannes, geheiligten Wassern, Kräutern und einem felsenfesten Glauben basiert. So schnell wie ich meine Sinusitis in den Griff bekommen habe, neige ich inzwischen auch dazu, daran zu glauben.

Bali ist die einzige hinduistische Insel im gesamten indonesisch-malaysischen Archipelago, das ansonsten muslimisch geprägt ist. Die Balinesen sind historisch bekannt für ihren Stolz, ihre Verbundenheit und Stärke. Ein atemberaubendes Beispiel sind die »Puputan«-Märsche. Anfang des 20. Jahrhunderts wollten die Niederländer erneut ihre koloniale Vormachtstellung auf Bali festigen und bedrohten die Balinesen mit militärischer Übermacht. Der balinesische Prinz Gusti Gde Ngurah organisierte – angesichts seiner offensichtlich anstehenden Niederlage – eine Prozession, an der sein gesamtes Volk in festlichsten Gewändern teilnahm.

Nachdem alle Reichtümer im Ort vernichtet worden waren führte der Prinz die 250 Männer, Frauen und Kinder feierlich in die Arme der gefechtsbereiten Kolonialmacht. Augenberichten zu Folge näherte sich die Prozession stoisch dem Feind, allen Warnungen der bewaffneten Niederländer trotzend. Nachdem die ersten Schüsse das Blutbad begonnen hatten, seien die Balinesen stolz und ruhig geblieben, hätten sogar brüsk auf ihr Herz gewiesen, um ihrem Wunsch Nachdruck zu verleihen, eher den Tod als ein niederländisches Regime zu akzeptieren.

Das gleiche geschah am selben Tag in anderen Gemeinden. Insgesamt, so wird vermutet, haben an diesem Tag 400-2000 Menschen ihr Leben geopfert. Nach der darauffolgenden Machtübernahme der Niederländer, begingen auch der verbliebende Raja und der Prinz der Bastion Tabanan Selbstmord. Die Kolonialherren blieben bis 1945, gerieten allerdings unter internationalen Druck, nachdem die »Puputans« bekannt geworden waren. Die Konsequenz daraus war eine »Ethical Policy«, die den verbliebenen Balinesen erstmals eigene Herrscher innerhalb niederländischer Administration erlaubte.

Diese Widerstandskraft der Balinesen erklärt vielleicht auch ihre religiöse Sonderstellung in Indonesien. Zumindest scheinen sich die Historiker nicht einig zu sein, warum die starke Ausdehnung des Islam von Westen nach Osten auf Bali nicht Fuß fassen konnte. Eine alternative Vermutung ist, dass Bali nicht die Häfen und Exportgüter hatte, die es damals zu einem interessanten Handelsgebiet gemacht hätten. Ganz im Gegenteil zu heute, wo jeder zweite Westler, den ich treffe, Kunsthandwerk und Möbel zu exportieren scheint.

Auf dieser Insel kann ich nicht anders, als täglich aufs Neue beeindruckt zu sein. Das Gasthaus in dem ich wohne hat seinen eigenen Tempel. Und das ist ganz normal. Traditionell befindet sich ein Wohnhaus in einer von Mauern umgebenen privaten Tempelanlage. Im Aufbau und der Anzahl der Gebäude unterscheiden sich diese kaum von den öffentlichen Tempeln. Teils sind die privaten Heiligtümer sogar aufwändiger gestaltet und besser gepflegt. Unnötig zu erwähnen, dass darauf ebenso viel Energie verwendet wird, wie auf die zahlreichen Zeremonien im balinesischen Kalender.

Die Schönheit der Kultur macht mich sprachlos. Sie ist allgegenwärtig und lebendig. Sie zeigt sich in der Architektur, den Möbeln, der traditionellen Kleidung, der Musik, den Tänzen, den Mythen, den Gaben, Schreinen und Tempeln. Überall sehe ich fein ziselierte Holzarbeiten an den Türen, Geländern, Möbeln und Fenstern. Ich fotografiere jede grün bemooste Steinmeißelarbeit und die unzähligen kleinen Schreine, Tempel oder liebevoll hergerichteten Privathäuser. Ich stehe davor und möchte für einen Moment Teil des Ganzen sein, so sehr zieht diese Liebe zum Ornament mich in ihren Bann. Wie kommt es, dass einem so etwas Banales wie ein Hauseingang in einem fremden Land so verführerisch vorkommt? Was ist der Reiz der Exotik? Für mich ist es wohl das leise, wehmütige Versprechen des Fremdartigen, der Mystik und der alltäglichen Routine, an deren Oberfläche ich kratzen darf und derer ich in Ubud, meinem nächsten Reiseziel, für eine Weile Teil werde. Ele Jansen

Bildergalerie zu dieser Folge hier. Karte mit Routenverlauf und Etappenbeschreibungen hier.


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