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Kultur

Gut aufgelegt!

Die Musik-Rubrik

  Gut aufgelegt! | Die Musik-Rubrik

Jede Woche stellt die kreuzer-Musikredaktion neue Musik vor – zum Hören, Tanzen, Schwelgen, Spazieren, Joggen, Arbeiten und mehr. In dieser Woche mit: Iggy Pop, Groupshow und Archive

Jede Woche stellt die kreuzer-Musikredaktion neue Musik vor – zum Hören, Tanzen, Schwelgen, Spazieren, Joggen, Arbeiten und mehr. In dieser Woche mit: Iggy Pop, Groupshow und Archive.


Iggy Pop – »Préliminaires« (EMI)
Iggy Pop – »Préliminaires«

Iggy Pop is back. Nach der strapaziösen Stooges-Reunion im vergangenen Jahr sieht er mittlerweile zwar aus wie gut abgehangenes Dörrfleisch, aber auch das ist ja gelegentlich ganz lecker. Und Iggy macht’s jetzt französisch. So richtig in den Kopf will das nicht. Wir erinnern uns: Der sehnige Körper in viel zu engen Jeans, zappelnd wie ein Fisch am Steinstrand und zwischen all den sexy Spasmen hatte er noch Zeit, seinem Publikum Beschimpfungen entgegenzuspucken oder mit David Bowie heißes Löffelchen in der gemeinsamen Berliner WG zu spielen. Sowohl mit Gürtel um den Arm als auch im Bett. Und dann plötzlich romantische Possen? Ja, der Mann will kein Wüstling mehr sein. Er hört jetzt Jazz. Und ein Faible für Balladen hat er angeblich auch schon immer gehabt. Jeder von uns hat schon mal besoffen »Candy« mitgegrölt, aber das Ganze jetzt mit System? Immerhin: Ganz ohne sexuelle Konnotationen kommt »Préliminaires« dann doch nicht aus. Das Wort, das – wenn man es auszusprechen in der Lage ist – bestimmt klingt, wie zum Kuss geöffnete Lippen, heißt nix anderes als Vorspiel. Schon besser. Was dann textlich so um die Ecke kommt, dreht sich laut Iggy um »Sex, Tod und das Ende der Menschheit«. Noch besser. Die Songs auf »Préliminaires« klingen dementsprechend getragen, morbide. Mr. Pops raue Stimme gurgelt aus den nebeligen Sümpfen New Orleans’ empor, führt uns zu den leichten Mädchen in die zwielichtigen Gassen des French Quarter. Klar, Nick Cave kann das besser. Doch auch, wenn Iggys akustischer Houllebecq-Roman in Teilen abgeschrieben ist: Schafft es auf jeden Fall ins Regal, das Ding. Ulrike Nimz


Groupshow – »The Martydrom Of Groupshow« (Scape)
Groupshow – »The Martydrom Of Groupshow«

Im letzten Dezember waren Groupshow im Centraltheater live zu erleben. Und es war ein spezieller Abend: In der Mitte stand ein riesiger Tisch voller Geräte, die in irgendeiner Weise Töne erzeugten und veränderten. Rundherum saß das Publikum. Jegliche Konzert-Konventionen waren aufgehoben. Keine erhöhte Bühne, keine Setlist, kein Song-Applaus-Schema – einfach zwei Stunden Live-Improvisation. Andrew Pekler, Hanno Leichtmann und Jan Jelinek sind die Groupshow. Alle drei für sich sind großartige, teils durchaus konträr agierende Musiker. Dass jetzt ein Album des Trios erscheint, hat beinahe etwas Reaktionäres: Warum sollte eine Musik festgehalten werden, die immer neu entsteht, die nur den gegenwärtigen Moment kennt? Eine Repeat-Taste gibt es im Konzertsaal nicht. »The Martydrom Of Groupshow« ist daher auch kein klassisches Album. Es besteht aus Mitschnitten der Konzerte. Fragmente und Skizzen, harmonisch und dissonant, mäandernd und sich hineinsteigernd. Sie schaffen eine Meta-Ebene, von der aus man den Groupshow-Sound in seinem gesamten Spektrum erst überblicken kann, was live schwer möglich wäre. Insofern ist dieses Album Erinnerung und Einstimmung gleichermaßen. Jens Wollweber


Archive – »Controlling Crowds« (Warner)
Archive – »Controlling Crowds«

Eigentlich sollten Archive-Alben nur im Herbst erscheinen. Die tief greifenden, melodramatischen Klänge passen einfach besser zu tristem Wetter. Sei es drum. Das achte Album der britischen Multi-Personen-Band funktioniert auch im Frühling. Dann aber mit Kopfhörern, zurückgezogen in Freiluftatmosphäre. Schwermütige Gitarrenmelodien, imposante Orchester- und Choreinlagen berauschen und entführen in die tiefsten Tiefen, in die Abgründe von Menschheit und Welt. Das Booklet verspricht eine Fantasy-Reise. Doch nicht nur textlich, sondern auch in musikalischer Hinsicht tragen Darius Keeler und Danny Griffiths dick auf und wühlen im Personalarchiv der Band. Fast jedes singende Mitglied der letzten 15 Jahre taucht in mindestens einem der 13 Songs auf. Rapper und Gründungsmitglied Rosko John rhythmisiert flächige Elektroparts mit gesprochenen Einlagen, Live-Support Maria Q haucht nun ein Solo auf Platte. Weggefährte Dave Pen und aktueller Sänger Pollard Berrier wechseln sich von Song zu Song ab. Nur einer fehlt: der begnadetste und gnadenloseste Archive-Sänger, Craig Walker – das »Unplugged«-Album ist unvergessen. Man kann eben nicht alles haben. Julia Gabler


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