anzeige
anzeige
Kultur

Auch ein Traum muss organisiert werden

Deutschlands größtes Hip-Hop-Festival meistert Finanzsorgen und Umzüge

  Auch ein Traum muss organisiert werden | Deutschlands größtes Hip-Hop-Festival meistert Finanzsorgen und Umzüge

Mirko Roßner hat eigentlich keine Zeit für ein Interview. »Wirklich schlecht momentan. Es sind nur noch wenige Tage bis zum Festival, und wir organisieren alles nur zu dritt.« Roßner ist Chef der Splash! Entertainment AG, die alljährlich Deutschlands größtes Hip-Hop-Festival veranstaltet, das bis 2007 in Chemnitz beheimatet war und dann auf die Halbinsel Pouch umzog. Und der Stress wird nicht weniger. Denn das Splash! bekommt 2009 eine neue Heimat: »Ferropolis – Stadt aus Eisen« nahe Gräfenhainichen

Mirko Roßner hat eigentlich keine Zeit für ein Interview. »Wirklich schlecht momentan. Es sind nur noch wenige Tage bis zum Festival, und wir organisieren alles nur zu dritt.« Roßner ist Chef der Splash! Entertainment AG, die alljährlich Deutschlands größtes Hip-Hop-Festival veranstaltet, das bis 2007 in Chemnitz beheimatet war und dann auf die Halbinsel Pouch umzog. Und der Stress wird nicht weniger. Denn das Splash! bekommt 2009 eine neue Heimat: »Ferropolis – Stadt aus Eisen« nahe Gräfenhainichen.

Rund 20.000 Fans werden vom 10. bis 12. Juli die Halbinsel im Gremminer See bevölkern, um Künstler wie Method Man & Redman, Talib Kweli (kurzfristig eingesprungen für Mos Def) und Q-Tip – allesamt Legenden des US-amerikanischen Raps – bei ihren Gastspielen zu erleben. Und die Fans haben Erwartungen – Erwartungen, denen Roßner gerecht werden will. Denn Tradition verpflichtet. Mittlerweile findet das Splash! zum zwölften Mal statt. Was Roßner, der sich dann doch noch Zeit für Fragen nimmt, manchmal gar nicht so recht glauben kann. »1998 hat niemand von uns zwölf Jahre in die Zukunft geschaut«, erzählt er aus der Anfangszeit. »Damals galt es einzig, die Idee eines Festivals mit Musik, die wir mögen, umzusetzen.«

Amtlicher Ersatz für Mos Def, der kurzfristig alle geplanten Auftritte in Europa abgesagt hat: Talib Kweli
Weil aber Roßner und seine Freunde Thomas Rech und der 2002 verstorbene Jan Richter mit dem Wunsch nicht ganz allein in Deutschland waren, wurde aus der Idee einer Handvoll Anfang 20-Jähriger schnell eine Erfolgsgeschichte. Längst nicht alle, aber viele von Rang und Namen, kamen von 1998 an jedes Jahr im Juli oder August nach Chemnitz: Rap-Größen aus den USA wie Gang Starr und Mobb Deep, jamaikanische Dancehall-Stars wie Elephant Man und Bounty Killer, aus Deutschland Bands wie die Beginner oder Freundeskreis – sie alle förderten die Reputation des Festivals, auch international, und etablierten das Splash! als Publikumsmagneten. Bis zu 30.000 Fans aus Deutschland und ganz Europa pilgerten acht Jahre lang zum Stausee Oberrabenstein bei Chemnitz. Es lief bestens für die drei »Macher« Mirko Roßner, Thomas Rech und Thomas Schlett. Bis das Wasser kam.

Und wie es kam! Sogar zweimal. 2005 und 2006 litt das Splash! jeweils unter dreitägigem Dauerregen. Besucher blieben aus, riesige Folgekosten kamen auf die Organisatoren zu. Kurz vor dem zehnjährigen Jubiläum stand das damals größte Hip-Hop-Festival Europas ganz dicht vor dem Aus. Roßner erinnert sich: »Rückblickend war es die schwierigste und anstrengendste Zeit, da ja auch nichts sicher war«. Vor allem war ungeklärt, wie die Finanzierung weiterhin garantiert werden könnte. Ein Benefizkonzert und ein Spendenkonto unter dem Motto »Save Splash!« löschten zwar einen beachtlichen Teil des finanziellen Großbrandes. Trotzdem mussten Anfang 2007 die Gläubiger zusammenkommen – mit einem Sieben-Jahres-Plan, der die Tilgung der Verbindlichkeiten bis 2014 vorsieht, als Ergebnis.

Jener Plan war zwar auch eine Bürde, aber Splash! Nummer 10 und die Zukunft des Festivals über 2007 hinaus waren gesichert. Roßner ist dankbar: »Wir haben mit vielen Menschen gesprochen, sehr viel Unterstützung erfahren und dadurch die Energie geschöpft, diesen Weg zu gehen.« Der führte jedoch weg aus Chemnitz, hin zur Halbinsel Pouch. »Mit dem Betreiber des Geländes in Chemnitz gab es viele Diskussionen um die Wirtschaftlichkeit, das war auf Dauer sehr anstrengend«, begründet Roßner. »In Pouch erfahren wir eine hohe Wertschätzung. Alles funktioniert reibungslos.«

Ferropolis von oben: Hier wird das Festival in diesem Jahr stattfinden
Und dennoch wechselt das Splash! erneut den Standort. Es habe noch Zusagen von weiteren Künstlern gegeben, so dass ein weiterer Floor von Nöten gewesen sei. Dafür biete Ferropolis mehr Platz. Außerdem profitiere das Splash! von festen Einrichtungen wie Toiletten, begründet Philipp Helmers von der Kommunikationsagentur Visionauten die kurzfristige Entscheidung. Logistisch gebe es überhaupt kein Problem, da Ferropolis nur 15 Kilometer von der Halbinsel Pouch entfernt sei.

Vor drei Jahren die Regenfälle, jetzt die Wirtschaftskrise – drohen dem Splash! in 2009 am neuen Ort etwa auch neue Finanzsorgen? »Wir haben viele langfristige Partnerschaften mit Sponsoren, da merken wir es nicht. Es ist aber schwieriger geworden, neue potenzielle Partner zu finden«, erklärt Roßner und schiebt nach: »Wir sind schon etwas eingeschränkt, aber das ist nicht existenzgefährdend«. Der Organisator ist zuversichtlich. Er klingt gut gelaunt und entspannt, trotz hoher Arbeitsbelastung. Dass er im Sommer 2009 überhaupt noch Stress und Termindruck haben würde, war vor drei Jahren mehr als fraglich. Und deshalb ist Roßner zufrieden, auch wenn er fast täglich schon zwischen sieben und acht Uhr sein Chemnitzer Büro betritt und es meist erst gegen 20 Uhr wieder verlässt.

Nicht mehr nur Hip-Hop: Auch Künstler wie Peaches bespielen inzwischen die Bühnen des Splash!
Andere Festivals werden von großen Konzertagenturen organisiert, hier dagegen kümmern sich Roßner und seine beiden Kollegen hauptberuflich um alle Belange des Splash!. So ist es seit 1998. Damals war Roßner Anfang 20. Aus der Idee einer Clique ist ein hartes Geschäft geworden. Jetzt ist er 35, aber Hip-Hop gilt als Jugendkultur, das Publikum auf dem Splash! ist oft noch unter 20. Ein Zwiespalt? Nein, auch mit Mitte 30 hat sich Roßners Motivation nicht verändert: »Für mich hat die Hip-Hop-Kultur immer noch einen großen Reiz, das Positive, an dem viele Leute Halt finden«. Klar ist für ihn aber auch: »Je älter man wird, desto offener wird man für andere Musik. Und das spiegelt sich auch im Festivalprogramm wider.« Vor Elektro macht das Splash! mittlerweile keinen Halt mehr, auch wenn es früher fast ausschließlich um Rap ging.

Das Festival ist dabei, sich zu verändern. Aber besser Veränderung als Beendigung. Die hätte es ja vor drei Jahren beinahe gegeben. »Es hätte das Ende eines Traums bedeutet, für den wir bis heute kämpfen«, sagt er. Eben ein Hip-Hop-Festival mit guter Musik und barrierefreien Köpfen. Nach 30 Minuten ist das Gespräch beendet. Denn es gibt für Roßner noch viel zu tun, bevor der Traum wieder drei Tage lang Wirklichkeit wird. Jetzt eben in Ferropolis.


Kommentieren


0 Kommentar(e)