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Kultur

»Wir haben eine Außenwirkung, die der Stadt zugute kommt«

Die Global Space Odyssey zwischen Kulturpolitik und Behördenknatsch

  »Wir haben eine Außenwirkung, die der Stadt zugute kommt« | Die Global Space Odyssey zwischen Kulturpolitik und Behördenknatsch

Kommenden Samstag findet in Leipzig zum achten Mal – 2007 fiel sie aus – die Global Space Odyssey statt. kreuzer online sprach mit Jan Stern, DJ und Mitveranstalter der GSO, über die politischen Ziele hinter dem Umzug, die Außenwirkung der Leipziger Subkultur und den jüngsten Ärger mit den Behörden

Kommenden Samstag findet in Leipzig zum achten Mal – 2007 fiel sie aus – die Global Space Odyssey statt. kreuzer online sprach mit Jan Stern, DJ und Mitveranstalter der GSO, über die politischen Ziele hinter dem Umzug, die Außenwirkung der Leipziger Subkultur und den jüngsten Ärger mit den Behörden.

kreuzer online: Was ist die Global Space Odyssey überhaupt?

JAN STERN: Die GSO ist eine kulturpolitische Demo, die es seit 2001 gibt und die aus einer Hanfparade – damals ging es um die Legalisierung von Marihuana – hervorgegangen ist. Seit letztem Jahr hat sich die GSO neu ausgerichtet und sich vor allem kulturpolitische Themen auf die Fahnen geschrieben.

kreuzer online: Was sind denn eure konkreten Forderungen?

STERN: Die Legalisierung von Cannabis ist immer noch darunter, aber in den Hintergrund gerückt. Außerdem wollen wir uns auch gegen rechte Tendenzen und Nazis stellen – deswegen laufen wir dieses Jahr durch Lindenau. Ganz oben steht jedoch die Kulturpolitik. Die freie Szene wird nicht unterstützt, ihr werden nur Steine in den Weg gelegt. Wir wollen dabei aber keine Förderung finanzieller Art, sondern wir wollen Akzeptanz, Zusammenarbeit und mehr Freiraum. Besonders wichtig ist es in diesem Zusammenhang, dass die Stadt eine Freifläche anbietet, auf der Veranstaltungen stattfinden können, die auch nach 22 Uhr genehmigt werden, und dort auch Musik gespielt werden kann.

kreuzer online: Zur Klarstellung: Euch geht es nicht um die institutionelle freie Szene im Sinne von Werk II, Nato, Lofft usw., sondern um die freien Partyveranstalter?

STERN: Genau. Wir sympathisieren zwar mit denen, finden deren Arbeit gut und unterstützen ihre Forderung nach 5 Prozent des Kulturetats. Aber wir sind eben in einer anderen Subkultur unterwegs.

kreuzer online: Die Stadt hat euch in allen drei Locations – Gieszerstraße, Damenhandschuhfabrik und Superkronik – die Aftershows untersagt. Mit welcher Begründung?

Von der Hanfparade zur kulturpolitischen Demo: Die Forderung nach einer liberaleren Drogenpolitik ist heute etwas mehr in den Hintegrund gerückt
STERN: Die Gieszerstraße steckt zur Zeit in Kaufverhandlungen mit der Stadt, die allerdings vor kurzem ausgesetzt wurden. Im Zuge dessen hat die Stadt auch das Gebäude geprüft, und aufgrund von Baumängeln alle weiteren Veranstaltungen untersagt. Es ist in diesem Fall schwierig, von Willkür zu sprechen, denn das ist durchaus verständlich. Schwierig ist nur, dass es bisher auch immer geduldet wurde, dass da Veranstaltungen stattfinden. Beim Superkronik ist es so, dass alle Genehmigungen vorliegen, die möglich sind. Da es jedoch in einem Wohngebiet liegt, werden dort keine Tanzveranstaltungen genehmigt. Dennoch finden sie statt, und das wird auch vom Amt geduldet. In der Damenhandschuhfabrik ist zwar baurechtlich noch nicht alles genehmigt, aber die Betreiber arbeiten mit der Stadt zusammen. Es gibt immer wieder Begehungen und Auflagen, die nach und nach erfüllt werden. Das kostet aber Geld und das muss auch irgendwo her kommen. Deswegen gab es dort immer wieder Sondergenehmigungen für Veranstaltungen. Das war jedoch für den 25. nicht möglich – und wir wissen nicht, warum.

kreuzer online: Im Grunde hat die Stadt ja das Recht auf ihrer Seite, und solche Verordnungen existieren ja auch, um Leute zu schützen. Meint ihr, dass diese Verbote gegen Euch als Veranstaltung gerichtet sind?

STERN: Ja, denn die Genehmigungen im Superkronik liegen ja vor. Da ist ja baurechtlich und brandschutztechnisch alles in Ordnung. Und wenn in der Damenhandschuhfabrik in der Vergangenheit auch schon Sondergenehmigungen ausgestellt wurden, dann kann ja die Gefahr nicht so groß sein. Die Stadt sitzt rechtlich am längeren Hebel, aber nicht inhaltlich. Dazu kommt, dass den Betreibern der Locations gesagt wurde, dass sie ihre Genehmigungen verlieren, wenn sie GSO-Partys machen, dass die Polizei das überprüfen und die Veranstaltungen gegebenenfalls auflösen wird. Das sind schon ziemlich überzogene Drohungen.

kreuzer online: Aber warum sollte die Stadt die GSO verhindern wollen?

STERN: Die Frage stellen wir uns auch. Letztes Jahr verliefen alle Aftershow-Parties ohne Probleme. Ich weiß nicht, ob die Polizei vermutet, dass von diesen Veranstaltungen Gewaltpotential ausgeht, oder ob die Stadt vor dem kulturpolitischen Druck Angst hat. Die GSO ist immer friedlich gewesen, wir haben uns immer von radikalen Antifagruppen und dem schwarzen Block distanziert, obwohl wir gegen Nazis ganz klar Flagge zeigen.

kreuzer online: Was macht ihr nun?

STERN: Wir haben jetzt mit dem Werk II eine Alternative gefunden, aber wir werden viel weniger Einnahmen haben, weil wir ein Vielfaches an Miete zahlen müssen. Diese Partys dienen ja dazu, die Crews, die diese Wagen gestalten, zu refinanzieren. Bei der Suche nach einem neuen Veranstaltungsort hat sich übrigens auch wieder gezeigt, dass andere Locations auch große Probleme mit der Genehmigungsprozedur und dem Amt haben.

kreuzer online: Steht dahinter eine Art Subkulturfeindlichkeit der Stadt?

Wollen keine finanzielle Förderung, sondern Akzeptanz, Zusammenarbeit und mehr Freiraum: GSO-Teilnehmer demonstrieren für die Entfaltung der Subkultur
STERN: Ja, genau das prangern wir ja auch an – und uns hat es jetzt am Härtesten getroffen. Die Subkultur erscheint als nicht wichtig, weil sie keine Hochkultur wie Oper oder Gewandhaus ist und sich nicht so leicht in die Außenwelt kommunizieren lässt. Diese Subkultur ist aber dennoch ein Teil von Leipzig. Gerade in Connewitz, Südvorstadt, Plagwitz und Schleußig passiert so viel in der Hinsicht. Wir bekommen keine Förderung und wollen auch keine, wollen aber einfach in Ruhe gelassen werden. Es gibt Auflagen, die sind selbstverständlich und müssen erfüllt werden. Niemand will, dass sich jemand in seiner Location das Bein bricht. Aber es gibt auch Auflagen, die viel Geld kosten und die man getrost sein lassen könnte. Das sind alles Sachen, die der Subkultur immer wieder im Wege stehen. Deswegen wünschen wir uns einen Dialog mit der Stadt. Wir haben Anfang des Jahres mit den Verantwortlichen von Ordnungsamt, Grünflächenamt und Emissionsamt ein Gespräch geführt. Die haben das Problem auch durchaus gesehen und gesagt, dass es da eine Lösung geben muss.

kreuzer online: Hat denn die Subkultur eine Außenwirkung für Leipzig?

STERN: Es gibt hier eine super bunte und alternative Szene, die die Stadt attraktiv macht. Deswegen ist Leipzig für viele z.B. eine Alternative zu Berlin, und nicht wenige junge Leute ziehen genau wegen dieser Szene und ihres Lebensgefühls nach Leipzig. Somit fließt auch wieder mehr Geld in die Kassen der Stadt. Mir ist Berlin einfach zu voll von allem, und hier hat man ein sehr gutes kulturelles und musikalisches Programm, aber auch die Subkultur in der Stadt. Klar ist uns bewusst, dass hier keine Massen von Touristen kommen, weil es die GSO gibt. Aber wir haben eben trotzdem eine Außenwirkung, die der Stadt zugute kommt. Außerdem bietet Leipzig durch den ganzen Leerstand eine sehr gute Infrastruktur, in der man Ideen verwirklichen kann. Für mich war dies unter anderem ein Grund, aus dem Westen hierher zu kommen. Hier ist noch nicht alles fertig, man hat das Gefühl, dass man hier noch etwas schaffen, bewegen und aufbauen kann. Es ist schade, wenn so etwas nicht unterstützt wird und man in seinem Tatendrang ausgebremst wird.


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