anzeige
anzeige
Kultur

Where were you while we were getting high?

Eine Festivalsommerbilanz

  Where were you while we were getting high? | Eine Festivalsommerbilanz

Von wegen Sommerloch! Auch wenn hierzustädten nicht gerade der Veranstaltungsrummel losging, brauchte man nur jedes Wochenende die Stadt zu verlassen, und kriegte prompt ein Musik- und Gutelauneprogramm geboten, über dass man sich nun wirklich nicht beschweren kann. Im Gegenteil. Wir haben uns einige der diesjährigen Festivalhighlights angesehen.

Von wegen Sommerloch! Auch wenn hierzustädten nicht gerade der Veranstaltungsrummel losging, brauchte man nur jedes Wochenende die Stadt zu verlassen, und kriegte prompt ein Musik- und Gutelauneprogramm geboten, über dass man sich nun wirklich nicht beschweren kann. Im Gegenteil. Wir haben uns einige der diesjährigen Festivalhighlights angesehen.


Was hat dich bloß so ruiniert: Die Sterne beim Immergut
Immergut

Wie nun schon seit 10 Jahren, eröffnet das Immergut die Festivalsaison. Ein runder Geburtstag, den es zu feiern gilt. Und alle sind sie gekommen. All die Bands, die immer schon da waren und die man so liebt.

Highlights:

Der Soundtrack of our lives-Sänger läuft durch das niederkniende Publikum und verheiratet mit einer Kerze in der Hand einen Transvestiten an irgendwen.

In der ersten Reihe bei Die Sterne wird einem klar, was 10 Jahre eigentlich bedeutet. So lange fragt man sich nun schon, was dich bloß so ruiniert hat. Vielleicht der Kaktusgarten.

King Klatsche spielt in der Indiedisko die meisten Lieder doppelt. Ist er noch besoffener als das laut Wonderwall-grölende Publikum? Mag sein, stört aber auch keinen mehr. Vielleicht kriegt es auch schon keiner mehr mit.

Auf dem Zeltplatz führt ein über den Weg gesperrtes Absperrband dazu, dass unsere Nachbarn ununterbrochen »Ficken, Fotze, Limbo« brüllen. Ein Spaß! (Juliane Streich)

Stagediven: Diesmal ist es kein Mensch, der getragen wird, sondern ein selbstgebautes Auto vom Hafenklang
Fusion

Der Spaß beginnt mit Ernst und Strapazen: Offenbar hat sich die Einzigartigkeit der Fusion inzwischen flächendeckend herumgesprochen, so dass aus den geplanten 3 Stunden Anreise am Donnerstag ganze 10 werden. 15 Kilometer vor Lärz geht gar nichts mehr. Gegen 1 Uhr nachts sind wir auf dem Zeltplatz.

Highlights:

Die Nachricht von Michael Jacksons Tod macht vorsichtig die Runde und wirkt zunächst wie einer der üblichen Running Gags auf Festivals. Als klar ist, dass dem nicht so ist, wird der King of Pop allerorten geehrt: Hunderte von Leuten formieren sich spontan zu einem Flashmob-Gedenk-Moonwalk und eine Pizzabäckerei bietet verkohlte Pizzareste als MJ-Gedenknasen an.

Apropos Pizza: Am ersten Abend bäckt ein Steinofenpizzamann in einem Anfall von Gutmütigkeit und Nächstenliebe kostenlos Pizza für alle. So sieht sie aus, die gelebte Utopie.

Die Festival-Genderproblematik scheint zumindest in Teilen gelöst: Dank Fusionella, einer faltbaren Pappurinierhilfe, sieht man Frauen immer öfter und vollkommen selbstverständlich an den üblicherweise von Männern dominierten Pissrinnen stehen.

Wie jedes Jahr, so sind auch in diesem Jahr überall liebevolle Dekorationen und selbst- bzw. umgebaute Fusionmobile zu sehen. Eines davon fährt gar nicht von selbst, sondern eher Fred Feuerstein-mäßig und wird beim Stagediven während des Konzerts der japanischen Trommelwahnsinnigen GOCOO vom Publikum auf Händen getragen.

Die wahren Highlights sind die frühen Morgenstunden. Wenn der Mob sich leergefeiert hat, der harte Kern dem Sonnenaufgang entgegen tanzt und alle übrigen mehr oder minder wachen Geister ver- und zerstreut in den Zelten, im Sand oder auf den Hangars sitzen oder liegen. (Benjamin Dohmann)

Am Sonntag auf dem See beim Lapampa-See: Nackte entern die Holzinsel
Lapampa

Am östlichsten Ort Deutschlands fahren wir erstmal über die Grenze, Zigaretten holen. Dann kann’s losgehen. Die Zeltplätze sind in »Zeltplatz leise« und »Zeltplatz laut« eingeteilt, im Festivalkino läuft dreimal täglich »Sex in Brno« (sechsmal verpasst) und auf dem Gelände trifft sich Groß und Klein der aktuellen Indiebandlieblinge.

Highlights:

Bei The Notwist regnet’s. Das passt irgendwie und man beginnt sich daran zu gewöhnen. Später gibt’s Schnaps.

Auf der Bühne von Bonaparte tanzt eine nackte Frau herum und streckt uns den Mittelfinger entgegen. Too much, too much, too much.

Der Badesee ist nachts aufs Wundervollste beleuchtet. Ein Superambiente, um vor sich hin zu raven.

Bei A heart is an airport sind die CDs alle. Wer eine haben will, bezahlt und schreibt seine Adresse auf. Vertrauen allerorten.

Am Sonntag auf der Holzinsel mitten auf dem See. Bei entspannter Popmusik im Sonnenschein entern ein paar Nackte unsere Idylle. Zeit für Arschbombenwettbewerb. (Juliane Streich)

Zurück vom Stagediven: Gossip-Sängerin Beth Ditto klettert zurück auf die Bühne (Foto: Maurice Baker)
Melt!

Wie schön sind eigentlich Schaufelradbagger? Unter der nicht zu toppenden Kulisse spielt mal wieder jeder auf, der im letzten Jahr in der Intro stand. Wir zelten im Van und laufen jedes Mal eine halbe Stunde, um zum rummelplatzähnlichen Gelände zu kommen.

Highlights:

Die Gossip-Sängerin stürzt sich wie erwartet mit ihrem nicht zu verachtenden Körpergewicht in die johlende Masse. Phoenix lassen mich tanzen, mit jedem verdammten Lied. Röyksopp sind eh die besten. Patrick Wolf zeigt, was Glamour ist…

Zu viele Menschen, zu viele DJs, zu viel Bass. Ich werd’ verrückt. Verliere ständig alles und jeden. Zum Glück gibt’s den Treffpunkt Diskokugel. Und den Jungen, der immer wiederkehrt, frischen Alkohol in seiner Hand.

Es scheint, als gäbe es den unausgeschriebenen Wettbewerb »Wer sieht am beklopptesten aus?« Pink, Neon, Leggins, Leopardenfell, Schlumpfmützen, fast jeder scheint der Gewinner und keiner fällt mehr auf.

Regensturm morgens um fünf. Das Gelände wird geräumt. Wir laufen zurück und sind bis auf die Haut nass. Hätte man mal die Regenjacke eingesteckt.

Sonntag, Sonnenuntergang. Polarkreis 18 bespielen die Hauptbühne. Ein Mann lässt vor der Tribüne die Hosen runter und stiehlt ihnen die Show. Der Applaus gilt ganz offensichtlich ihm. Man nennt ihn auch den Melt-Flitzer.

Oasis stehen tatsächlich wenige Meter von mir entfernt, spielen emotionslos alle ihre Hits. Um mich rum Menschen aus Manchester. Wir singen alle »Where were you, while we were getting high?« (Juliane Streich)

Ein MTV Rockzone Extra vom Melt! 2009 findet sich hier auf den MTV-Seiten.

Nix mit BMX-Bande: Erstmal Regenwetter vom Feinsten
L*abore

Das L*abore ist so ziemlich das Gegenstück zum Melt! Klein ist es und fein sowieso. Aber auch hier regnet’s. Das Ganze entwickelt sich zu einer großen Schlammparty. Und was sich hier musikalisch trifft, ist unmöglich unter einen Begriff zu fassen.

Highlights:

Nachts am Feuer. Irgendwer hat Sekt gekauft. Er ist tiefgefroren. Die Flammen bekommen einen neun Sinn.

Samstag Nachmittag. Das Zelt wird zum Theater. Mio mein Mio läuft. Und alle basteln schwarze Papierflieger.

Zwischen Bands wie It’s A musical, Shandy Mandies, ka:mas oder Mintzkov immer wieder eine Stimme mit holländischem Akzent, die erklärt, eine Zugabe dürfe man noch. Wer ist dieser Mann? Was will er von uns?

Auf einer Leinwand läuft der Film »Die BMX-Bande«. Bewegungslose Kinder sitzen davor und starren. Plötzlich kurz vor Schluss ist das Bild weg und ein Word-Dokument erscheint: »So, Kinder, wie abgemacht, ist jetzt Schluss. Auf der Hauptbühne spielt eine Band. Also Zähne putzen und ab ins Bett.«

Im Morgengrauen legt DJ Peter Meier alle Hits auf, die es gibt. Wir können nicht mehr aufhören zu tanzen. Höchstens, um uns aufsteigende Nebelschwaden über dem See anzuschauen. Hach, wie schön! (Juliane Streich)

Heimliches Highlight des Nachtdigital: Modeselektor und Apparat aka Moderat
Nachtdigital

Wo ist eigentlich Olganitz? In der Dahlener Heide, umgeben von wunderbaren Feldern und Hügeln. Aus einer Senke mit einem kleinen See bei Olganitz kommen die Bässe dann langsam hervor. Ja, so entspannt die Umgebung, so lässig ist auch das Nachtdigital mit seinen 3.000 Freunden.

Highlights:

Mit dem Rad durch die Nacht fahren, den Beats entgegen. Eine völlig neue Festivalerfahrung, ebenso wie die, in einer sauberen Pension aufzuwachen. Auf dem Weg nach Olganitz dann ein toter Dachs, friedlich und von der gleißenden Sonne schon etwas aufgedunsen.

Nach einer kurzen Schweigeminute geht es zu DJ Koze. Der spielt von nachmittags bis Mitternacht. Das volle Programm mit großen und kleinen Rave-Wellen.

Der Tagesfloor, bespielt von Kassem Mosse, ist zeitlich leider nichts für Pensionsgäste. Aber Kassem war nicht allein, der Floor sieht am Abend ordentlich abgetanzt aus.

Auch bei Move D ist alles entspannt: er leert seine Rotflasche, baut sich auf dem Mixer einen Nachtdigital-Joint und ist einfach durch und durch House.

Wirklicher Höhepunkt waren aber schon am Freitag Modeselektor und Apparat, zusammen als Moderat unterwegs. Auf drei riesigen Leinwänden findet die Musik der Drei ihre perfekte visuelle Übersetzung. Es stimmt einfach alles – mal abgesehen vom etwas abschüssigen Dancefloor vor der Hauptbühne. (Jens Wollweber)

Anfangs- und Endziel eines jeden Sziget-Tages: Das Chill-out-Zelt
Sziget

Letztendlich ist es doch immer dasselbe: eine große Horde bunter, aufgekratzter Jungmenschen prallt zu gegebener Sommerzeit aufeinander, um es so richtig krachen zu lassen. Ab dann zählt nur noch der Moment und der hält beim Sziget verdammt lange an! Das Sziget tobt seit 17 Jahren für eine Woche im August auf einer kleinen Insel vor den Toren der bezaubernden Metropole Budapest. Trotz eines stolzen Kartenpreises punktet das größte Rockfestival Europas durch seine vielseitigen Musikrichtungen (Rock/Punk, Elektro/Dance, Hardrock/Metal, Jazz, Klassik, Hip-Hop/Trip Hop, Weltmusik) sowie seinem kulturellen Anspruch.

Highlights

Reizüberflutung! Ab nachmittags laufen bis in die frühen Morgenstunden Konzerte, Kunst- und DJ Events auf sechzig (!) verschiedenen Bühnen.

Clash der Kulturen! Gefühlte 50 % Franzosen und ein Mischmasch aus Ungaren, Deutschen, Holländern, Schweizern, Italienern wie auch zwei, drei Engländern sorgen für internationale Völkerverständigung!

Kreativ trotz Kater! Tagsüber wird in der Theater-Area erstaunlicherweise selbst bei sengender Hitze gewerkelt, getöpfert, geschneidert oder akrobatisch gekunststückt.

Wetter! Gibt es gratis und das Beste daran: hier sind immer 36° C, selbst wenn`s mal regnet!

Ausnahmekünstler! Akrobatik vom Feinsten in schwindelerregender Höhe, präsentiert von der spanischen Straßentheatergruppe »La Fura dels Baus«. Da bleibt dir die Spucke weg!

Flirtfaktor! Knackig gebräunte Bikinimädchen liebäugeln mit Jungs trotz ihrer dummen Spruchpappen (»Free Hugs«) oder Eisbärenfellmützen auf dem Kopf.

Musikalische Leckerbissen! Zwar kann man zur Musik von Lily Allen so gar nicht tanzen, aber dieses Persönchen hat eine goldige Ausstrahlung, die verzaubert. Ausrasten total ist dann zu Bloc Party und The Prodigy angesagt!

Chill-out! Das alternativ angehübschte Chill-out-Zelt ist Anfangs- und Endziel eines jeden Tages. Bester Chai von Welt, entspannte Beats und ein Wollknäuel aus hunderten Partymüden liegt auf-, neben- und aneinander gekuschelt. (Katharina Krischker)


Kommentieren


0 Kommentar(e)