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Kultur

Abschied vom Stelzenmann

Leipzig nimmt mit einer Feier Abschied von Paul Fröhlich

  Abschied vom Stelzenmann | Leipzig nimmt mit einer Feier Abschied von Paul Fröhlich

Im Juli dieses Jahres kam der Leipziger Moderator und Entertainer Paul Fröhlich bei einem Autounfall in Spanien auf tragische Weise ums Leben. Der 47-Jährige prägte wie kein anderer die Leipziger Off-Szene und bestimmte maßgeblich ihren Wandel seit den 1990er Jahren mit. Nun veranstaltet die Nato eine Abschiedsfeier, um seiner zu gedenken.

Im Juli dieses Jahres kam der Leipziger Moderator und Entertainer Paul Fröhlich bei einem Autounfall in Spanien auf tragische Weise ums Leben. Der 47-Jährige prägte wie kein anderer die Leipziger Off-Szene und bestimmte maßgeblich ihren Wandel seit den 1990er Jahren mit. Am 15. September veranstaltet die Nato nun eine Abschiedsfeier, um seiner zu gedenken.

Für die Feier, die um 19 Uhr auf dem Fockeberg beginnen soll, ist ein Rahmenprogramm geplant, dass sowohl Trauerarbeit und das Teilen des Schmerzes über den Verlust, als auch ein Feiern ganz im Sinne Paul Fröhlichs möglich machen soll. So wird es neben Besinnlichkeit auch Musik, Theater, ein Feuerwerk und schräge Typen geben. »Wir werden gemeinsam still sein – weil wir das brauchen. Wir werden gemeinsam laut sein – damit er uns hört!«, heißt es in der Einladung zur Feier.

Organisiert wird das Fest von der Nato, die gemeinsam mit Weggefährten, Bühnenkollegen und Freunden Fröhlichs die Vorbereitungen traf. Auch der kreuzer stand in engem Kontakt zu dem Moderator. Für unser aktuelles Heft baten wir deshalb den ehemaligen Chefredakteur Björn Achenbach, einen Nachruf auf Paul Fröhlich zu schreiben, den sie im Folgenden auch online lesen können. bed


Lieber Paul,

es war Mitternacht, und wir saßen am Feuer, als mich die Nachricht von deinem Tod erreichte. Schwarze Buchstaben auf hellem Grund, unabweisbar blinkend in der Dunkelheit. Eine brutale Gewissheit, so unwirklich sie uns in dieser Stunde auch anwehen mochte. In den Tagen danach, der Himmel: bleiern. Die Schwere, die sich auf uns gelegt hatte, würde bleiben für den Rest des Sommers.

Du bist einer von den Guten gewesen, das wird im Rückblick immer klarer. 21 Jahre hab ich dich gekannt. Für die meisten Leipziger wirst du vor allem als begnadeter »Entertainer« in Erinnerung bleiben. Und das warst du ja auch, all diese Jahre lang, auf erstaunlicherweise nie nachlassendem Niveau.

Aus den kleinen, feinen Szene-Events der frühen Neunziger – naTo-Cup, Seifenkistenrennen, Badewannenrennen – sind allesamt große Volksfeste geworden. Du immer mittendrin: der Stelzen-Mann mit dem Megafon, das Geschehen bergauf, bergab dauermoderierend, dabei live und spontan aus einem rätselhaft unversiegbaren Fundus an Wortkaskaden und Einfällen schöpfend.

Einer von den Guten: Paul Fröhlich
Aber auch wenn dein Talent zum Showmaster zweifellos umwerfend war (wovon das viel bejubelte Neujahrssingen, dein – wie absurd das klingt – Spätwerk, nochmals beglückend Zeugnis ablegte): Das Unverwechselbare, Einzigartige an dir speiste sich entscheidend aus deiner Herkunft, deinem So-Gewordensein dank der Prägung durch die Deutsche Demokratische Republik. Nie hättest du »DDR« gesagt, stattdessen hast du den staubtrockenen, vielsilbigen sozialistischen Bürokratensound in seiner ganzen Pracht ausgekostet, ja, neo-dadaistisch auf die Spitze getrieben und ihn, einem Fackelträger des Wortes gleich, lustvoll in die neue Zeit getragen: »Stolz auf Erfolge, Reserven im Blick« – immer schön (selbst)ironisch, aber nie denunziatorisch.

Denn da gab es ja auch noch deine eigene Vor-Geschichte, die du mir – ungefragt – erst in unserem letzten Interview für den kreuzer erzählt hast. Es ist dies die Geschichte des Panzerkommandanten Paul Fröhlich, der nach seinem Ausbruch aus dem System als Heizer strandete und als Kulturarbeiter noch einmal ganz von vorn anfing. An diesem Wendepunkt in der Hälfte deines Lebens haben wir uns kennengelernt: 1988 in der naTo, die damals noch »Kulturhaus der Nationalen Front« hieß und kurz vor der Eröffnung stand ...

Als das Kassettengerät ausgeschaltet war, sprachen wir auch noch über deine private Tragik, darüber, wie es ist, jahrelang mit einer von schwerer Krankheit gezeichneten, ans Bett gefesselten Frau zu leben. Die Reise nach Spanien, von der du nicht zurückgekehrt bist, war dein erster Urlaub nach langer Zeit.

Ende April, bei meiner Verabschiedung vom kreuzer, haben wir uns zum letzten Mal gesehen. Du hast mir – in bester naTo-Cup-Manier – einen Abo-Gutschein für das Stadtmagazin von Hannover, wo ich seit kurzem lebe, geschenkt. Ich werde ihn nun nicht mehr einlösen können.

Machs gut, Paul. Das nächste Neujahrssingen findet im Himmel statt – oder gar nicht.


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