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Kultur

»Wir sind längst mehr als ein Festival«

DOK Leipzig: Claas Danielsen zieht Bilanz – Rückblick und Ausblick des Dokfestivaldirektors

  »Wir sind längst mehr als ein Festival« | DOK Leipzig: Claas Danielsen zieht Bilanz – Rückblick und Ausblick des Dokfestivaldirektors

Vom 26. Oktober bis 1. November jährt sich zum 52. Mal das Internationale Leipziger Festival für Dokumentar- und Animationsfilm. Kurz danach steht die Vertragsverlängerung seines Direktors Claas Danielsen an, der seit April 2004 die Geschicke des Festivals leitet. Zeit für ein Fazit. Was ist erreicht? Wo geht es hin?

Vom 26. Oktober bis 1. November jährt sich zum 52. Mal das Internationale Leipziger Festival für Dokumentar- und Animationsfilm. Kurz danach steht die Vertragsverlängerung seines Direktors Claas Danielsen an, der seit April 2004 die Geschicke des Festivals leitet. Zeit für ein Fazit. Was ist erreicht? Wo geht es hin?

kreuzer: Ende des Jahres läuft Ihr Vertrag aus. Die Stadt möchte ihn um fünf weitere Jahre verlängern, Sie hingegen nur um drei. Was steckt dahinter?

CLAAS DANIELSEN: So einen Festivaljob macht man nicht sein Leben lang. Zum einen braucht ein Festival immer wieder frischen Wind. Zum anderen ist das auch kräftemäßig schwer zu schaffen. Die letzten fünf Jahre waren schon extrem heftig.

kreuzer: Vor zwei Jahren klagten Sie noch, dass das Festival personell und finanziell an seine äußersten Grenzen gestoßen sei. Trotzdem machen Sie nun weiter?

DANIELSEN: Eine wichtige Voraussetzung für meine Vertragsverlängerung war die Erhöhung der Festivalförderung. Vergleichbarer Festivals verfügen über doppelt so viele feste Mitarbeiter und ein zwei bis drei Mal höheres Budget. Im nächsten Jahr erhalten wir nun 100.000 € mehr von der Stadt.

kreuzer: Sie wurden nach Leipzig mit dem Auftrag geholt, das Festival wieder internationaler zu machen. Dafür hatten Sie einen Fünfjahresplan vorgelegt. Was ist daraus geworden?

DANIELSEN: Das Festival war damals chronisch unterfinanziert und hatte klar an Bedeutung verloren, aber es hatte als größtes deutsches Dokumentarfilmfestival ein Alleinstellungsmerkmal. Um international wieder in der ersten Liga mitzuspielen, war klar: Wir müssen die Leute nach Leipzig holen, die die Filme machen, produzieren, finanzieren und vermarkten. Mein Fünfjahresplan sah so aus, dass man um das Festival herum neue Plattformen für die Branche errichtet.

kreuzer: Welche dieser Vorhaben konnten Sie bisher realisieren?

DANIELSEN: Zum Beispiel gibt es den »DOK Markt« mit einer digitalen Videothek fürs Fachpublikum, wodurch die Filme von Leipzig aus noch besser ihren Weg hinaus in andere Länder finden. Das macht uns für viele Filmemacher sehr attraktiv. Daneben gibt es ein Koproduktionstreffen und ein Pitching für neue Filmprojekte, wodurch mit einem Schlag 80 Fernsehredakteure aus aller Welt nach Leipzig kommen. Daneben binden wir den Nachwuchs durch Meisterklassen, Podiumsdiskussionen und unseren Nachwuchswettbewerb »Generation DOK« ans Festival. Das sind nur einige von vielen Projekten.

kreuzer: Für den internationalen Nachwuchs tut das Festival viel. Was aber tut es für den regionalen? Auf diese Frage antworteten Sie dem kreuzer vor zwei Jahren, dass das Festival bei der Beratung von jungen Filmemachern »als Schaltstelle« mithelfen und eine »Plattform« bieten möchte. Bisher sind das leere Worte geblieben.

DANIELSEN: Ich bin hier in Sachsen mit den relevanten Einrichtungen im Gespräch, und möchte unseren Campus 2010 starten. Aber die Finanzierung gestaltet sich schwierig. Da braucht man Geduld und einen langen Atem.

kreuzer: Werfen wir einen Blick nach vorn: Wie sieht Ihre Vision für DOK Leipzig aus?

DANIELSEN: DOK Leipzig steht ja in erster Linie für das Festival. Aber um diese eine Festivalwoche herum sollen die verschiedenen Plattformen ausgebaut werden und über das ganze Jahr hindurch wirken. Ich möchte DOK Leipzig noch stärker als Kompetenzzentrum für den Dokumentarfilm profilieren. Wir sind längst mehr als ein Festival. Wir kriegen ständig Anfragen von Goetheinstituten, ob wir Programme kuratieren können. Demnächst starten wir ein Projekt mit der Bundeszentrale für politische Bildung. Durch die Mithilfe bei Magisterarbeiten und Dissertationen leisten wir auch einen Beitrag für die Wissenschaft. Daneben arbeiten wir mit Schulen zusammen und wirken an DVD-Editionen mit. Durch »DOC Alliance« – ein Zusammenschluss von fünf internationalen Dokfestivals – stellen wir sogar Dokfilme zum Download zur Verfügung. Damit tun wir etwas für die Verbreitung der Filme über das Festival hinaus. Dahinter steckt die Leidenschaft für den Dokumentarfilm, der im Fernsehen immer seltener zu finden ist und der es auch im Kino immer noch schwer hat.

kreuzer: Warum reizt Sie gerade die Gattung Dokumentarfilm?

DANIELSEN: Es ist eben jene Gattung, die es uns ermöglicht zu verstehen, was in der Welt passiert. Das Besondere an Dokumentarfilmen – auch in Abgrenzung zu Dokumentationen – ist, dass sie nicht nur über den Kopf funktionieren, sondern emotional und mit Zeit und Sorgfalt erzählen. Sie erlauben es uns, in andere Realitäten einzutauchen, mit anderen Menschen mitzufühlen und ein eigenes Verständnis von der Welt zu formen. Das ist im Endeffekt elementar für die Demokratiefähigkeit von Menschen. Dokumentarfilme geben in ihrer Subjektivität ein weitaus differenzierteres Bild ab als unsere auf Schlagzeilen reduzierte Medienwelt. Damit wollen wir auch zurückwirken ins Fernsehen. Wir wollen die Fernsehmacher ermutigen, Risiken einzugehen und ungewöhnliche Themen und Handschriften zuzulassen. Und den Zuschauern wollen wir zeigen, dass Welt viel größer, schöner, breiter und leidenschaftlicher ist als das, was ihnen geboten wird. Geht auf die Barrikaden! Sagt: Wir wollen diese Filme sehen! Und wenn ihr diese Filme nicht kennt, wisst ihr auch nicht, was euch entgeht.


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