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Kultur

Steuergelder »verbumsfiedelt«?

Die NPD beschwert sich über das Bordellkonzert des FZML. Unsere Musikredaktion kann das nicht so recht nachvollziehen. Ein Kommentar von Fabian Russ

  Steuergelder »verbumsfiedelt«? | Die NPD beschwert sich über das Bordellkonzert des FZML. Unsere Musikredaktion kann das nicht so recht nachvollziehen. Ein Kommentar von Fabian Russ

Am 20.11. hatte das Forum für Zeitgenössische Musik Leipzig (FZML) mal wieder ein angenehm kontroverses Stück Konzert auf die Bretter gebracht, dessen Spielstätte nämlich das illustre Eros-Center am Leipziger Wasserturm war. Noch vier Tage vor dem Konzert allerdings schoss die Bild Leipzig mit scharfer Munition auf das wertvolle Kleinod Leipzigs.

Am 20.11. hatte das Forum für Zeitgenössische Musik Leipzig (FZML) mal wieder ein angenehm kontroverses Stück Konzert auf die Bretter gebracht, dessen Spielstätte nämlich das illustre Eros-Center am Leipziger Wasserturm war. Noch vier Tage vor dem Konzert allerdings schoss die Bild Leipzig mit scharfer Munition auf das wertvolle Kleinod Leipzigs.

»Steuergeld für Bordellkonzert!« schrieb Autor Johannes Proft in kleingeistiger Umnachtung, war er doch der Auffassung, dass dort Steuergelder mit Sicherheit nur »verbumsfiedelt« würden. Aber nicht nur das. Auch die NPD empfand dies als ausreichend anstößig und stellte am 23.11. eine »kleine Anfrage« an den sächsischen Landtag in Dresden, in der sie um Stellungnahme seitens der Kulturstiftung wegen Sittenverstoßes und Verunglimpfung von Steuergeldern bat.

In der NPD-Verbotsdebatte von 2007 kam heraus, dass sich 42 Prozent der Parteifinanzierung schlicht und einfach aus Steuergeldern finanzieren – durch die staatliche Parteifinanzierung. 1,36 Millionen Euro gingen beispielsweise 2006 über den Tisch, 2008 waren es schon 1,49 Millionen und das mit steigender Tendenz. Runde 50 Prozent sind steuerlich absetzbare Spenden. Fast macht es den Anschein, als sei das FZML mit seinem Bordellkonzert zumindest nicht uninspirierend an der NPD vorbeigegangen. Kürzlich erst hatte diese zwei 0900-Nummern zur Möglichkeit der anonymen Spende erworben, aber das sei nur am Rande erwähnt.

Die Diskussion um die Rechtmäßigkeit solcher finanzieller Ausgaben ist uralt. Allerdings ist es wichtig, sie immer und immer wieder auszutragen, da die Gefahr einer gefälligen Hinnahme gesellschaftlicher Verhältnisse besteht und dies über kurz oder lang zum Stillstand führen würde. Selbstredend ist nicht für jedermann ein direkter Mehrwert eines Konzerts in einem Bordell einsehbar, weswegen an dieser Stelle aus dem Programm des FZML zum Bordellkonzert inhaltlich kurz zitiert sei : »Kaum ein emotionaler Zustand bringt die Phantasie so zum Blühen wie das Gefühl der Liebe, und in einer Gesellschaft, in der auch jenseits von Bordellen der Körper zur Ware wird, gehen die feinen Facetten jenseits des rein Körperlichen häufig verloren.«

In der Kunst geht es um eine Sensibilisierung für Vorgänge, die als alltäglich hingenommen werden und auf die mit Hilfe der Kunst erneut oft sehr komplex in verschiedensten Formen hingewiesen werden soll, um ein Bewusstsein für das Bestehen bestimmter Problematiken zu schaffen. Dafür steht in einer aktuellen, zunehmend hastigen und kurzatmigen Lebeform der Gesellschaft selten genug Platz und Geld zur Verfügung, was auch nicht Sinn der Sache sein kann. Immer wieder problematisch, aber zugleich auch förderlich, ist hier die konzeptionelle Umsetzung einer zunächst theoretischen Idee, deren Ausführung unter Umständen nicht 1:1 dem hier der Kulturstiftung vorgelegten Konzept entspricht. Die NPD hat sich wohl kaum über diese Hintergründe informiert.

Aber es ist doch immerhin erfreulich, dass Anstoß genommen wird an den freundlich exotischen Ideen des FZML und damit ist wohl der Kern der Idee peinlich genau getroffen, weswegen hier eindeutig Stellung bezogen werden soll zur Kunst, nicht aber zu einer der zänkischen Parteien. Die Idee ist gut, ihre Umsetzung aber komplettiert sich erst durch den Zuschauer und der bleibt ein stückweit immer Zufall – das ist gut so.


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