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Politik

Leipziger beteiligen sich am organisierten Ungehorsam

Unsere Autorin Claudia Köppe reiste zum alternativen Klimagipfel nach Kopenhagen und hielt ihre Eindrücke für den kreuzer fest

  Leipziger beteiligen sich am organisierten Ungehorsam | Unsere Autorin Claudia Köppe reiste zum alternativen Klimagipfel nach Kopenhagen und hielt ihre Eindrücke für den kreuzer fest

Schon gewusst, dass es eine direkte Zugverbindung von Leipzig nach Hopenhagen gibt? Meine Fahrt dauert acht Stunden und endet am Hauptbahnhof der dänischen Hauptstadt, die kurzerhand umbenannt wurde. Nun trägt sie auch im Namen die Hoffnung, mit der tausende Menschen aus der ganzen Welt zur 15. Konferenz der Vertragsstaaten der Klimarahmenkonventionen der Vereinten Nationen anreisten. Verhandelt wurde über für alle verbindliche Regeln zum gemeinsamen Klimaschutz nach Ablauf des Kyoto-Protokolls 2012.

Schon gewusst, dass es eine direkte Zugverbindung von Leipzig nach Hopenhagen gibt? Meine Fahrt dauert acht Stunden und endet am Hauptbahnhof der dänischen Hauptstadt, die kurzerhand umbenannt wurde. Nun trägt sie auch im Namen die Hoffnung, mit der tausende Menschen aus der ganzen Welt zur 15. Konferenz der Vertragsstaaten der Klimarahmenkonventionen der Vereinten Nationen anreisten. Verhandelt wurde über für alle verbindliche Regeln zum gemeinsamen Klimaschutz nach Ablauf des Kyoto-Protokolls 2012.

Neben den offiziellen Delegierten, die sich im Bella Center der Stadt verschanzten, um hier über die Zukunft unserer Erde zu debattieren, kamen aus allen Teilen der Welt Menschen, denen Umweltschutz, Klimawandel und Alternativen nicht nur in Umweltfragen, sondern auch politischen, ökonomischen und menschlichen Reglements mindestens ebenso wichtig sind, wie den politischen Vertretern.

Ulrike aus Leipzig ist eine von ihnen. Es ist stürmisch auf dem Deck der Fähre von Rostock nach Gedser. Ohne große Vorbereitung sei sie aufgebrochen und erwarte sich vor allem Denkanstösse und Inspirationen für ihr eigenes Handeln. »Ich möchte unterschiedliche Positionen hinsichtlich des Umweltschutzes kennen lernen, um mir eine eigene Meinung bilden zu können.« Aber auch Ablenkung von den letzten Prüfungen ihres gerade abgeschlossenen Medizinstudiums hofft sie zu finden. Was Ulrike in Kopenhagen machen wird, wisse sie noch nicht genau. Erster Anlaufpunkt soll der zentrale Infopoint im Klimaforum sein. Dort finde man alles, was man braucht: Unterkunft, Infos zu Veranstaltungen, Fahrräder. Es gäbe sogar die Möglichkeit, sich sogar kurzerhand als Volunteer zu melden und eine Schicht Teller spülen, Essen verteilen oder als Wachposten in einem der Schlafsäle zu übernehmen.

Über die Kurzlebigkeit dieser großen Zusammenkunft hinaus wünscht sich Ulrike eine nachhaltige Wirksamkeit der Klimakonferenz. Dass ein Funke überspringt, wenn sich so viele Menschen zu ein und demselben Thema vereinen. »Vielleicht lerne ich ja auch Leute aus Leipzig kennen, die sich dort aktiv in einer Gruppe zum Thema Umweltschutz engagieren.«

Foto: Claudia Köppe
Das Klimaforum im Zentrum Kopenhagens, gleich neben dem Bahnhof, ist der Alternativgipfel zur Klimakonferenz. Organisiert wird er von einem Netzwerk dänischer und internationaler Umwelt- und Bürgerbewegungen. Hier trifft man sich, organisiert Workshops rund um Klima, Umweltschutz und alternative Systemideen. Die Besucher können Filme schauen, Konzerten und Vorträgen lauschen, sich von der Kälte aufwärmen oder sich über die zahlreichen Organisationen, die sich auf dem Gipfel vorstellen und ihre Arbeit anpreisen, informieren.

Gleich nebenan im Innenhof eines Backsteingebäudekomplexes stehen große Zelte, in denen Klappbänke aufgestellt sind. Junge und alte Menschen unterhalten sich und singen in den verschiedensten Sprachen. Viele sehen müde aus. Sie waren schon unter den mehr als 100.000 Demonstranten auf dem großen Protestmarsch am Samstag durch die Straßen Kopenhagens dabei, um mit ihren Schildern, ihrer Musik, ihren Parolen und ihrer Präsenz ihrem Widerstand gegen das bestehende System lautstark Ausdruck zu verleihen.

In Haus der Volunteers gibt es Kuchen und Kaffee. Hier treffe ich Peter, er ist halb Niederländer, halb Deutscher. Im Sommer lebt er im Grünen in der Nähe von Leipzig. Schon vor dem offiziellen Beginn der Klimakonferenz sind er und ein paar Freunde angereist. Seitdem ist er von morgens bis abends beschäftigt, um in einer der vielen Volksküchen für das leibliche Wohl der Aktivisten zu sorgen. Es sei ein 24-Stunden-Job mit wenig Schlaf: früh morgens mit 30 anderen Freiwilligen Brote schmieren, mittags und abends Suppen kochen, zwischendurch immer wieder Kaffe zubereiten und Teller einsammeln. »Das ist nichts Neues für mich, wir machen das das ganze Jahr über, fahren von Festival zu Festival und kümmern uns darum, dass die Leute gutes, gesundes Essen bekommen.« Seine Finger tippen schnell über die Tastatur, sind übersäht mir Schnittwunden. »Die kommen vom Kartoffelschälen in der Kälte. Da spürt man schnell seine Finger nicht mehr und rutscht leicht mit dem Messer ab. Aber für die gute Sache lohnt sich das allemal.« Beim Rausgehen dreht er sich noch einmal um und sagt mit einem Augenzwinkern, dass sie immer wieder Freiwillige suchen, die sich um den Abwasch kümmern.

Foto: Claudia Köppe
Peter ist Teil des sehr gut organisierten Rahmenprogramms, das den Angereisten Schlafplätze in alten Fabriken, Turnhallen und Gemeindezentren zur Verfügung stellt, und über die ganze Stadt verteilt Volksküchen anbietet. Im Infobüro neben dem Hauptgebäude findet die zentrale Organisation des »zivilen Ungehorsams« statt. Ein großer Wochenplan hängt an der Wand. Er gibt uns Auskunft über die unzähligen Aktivitäten, die jeden Tag stattfinden. Ob Vorbereitungen für bevorstehende Protestaktionen, Demonstrationen, Infoveranstaltungen oder Konzerte. Am kommenden Nachmittag treffen sich die Aktivisten zu den letzten Vorbereitungen für den Cycling Block. Dieser soll am Donnerstag auf der Reclaim Power Demonstration eine eigene Route nur auf Fahrrädern Richtung Bella Center fahren. Geplant ist, sich dort mit den anderen Blocks, die sich aus verschiedenen Richtungen zu friedlichen Protesten aufmachen werden, zu treffen, um dann auf das Gelände des Konferenzgeländes zu gelangen. Die Versammlung soll unterbrochen werden, um den Forderungen nach einem verbindlichen Abkommen durch zivile Protestanten Nachdruck zu verleihen.

Auf dieser Demonstration treffe ich Paul. Er ist Fotograf und kommt aus Ecuador, lebt seit einem Jahr in Leipzig. Er kenne Proteste der Bevölkerung aus seinem Heimatland. Dort liefen sie jedoch gewaltsamer und viel chaotischer ab. Ein »Aktivisten Trauma Support Team« bietet inmitten der Demonstration emotionale Erste Hilfe für jene an, die mit der bis oben hin mit Helmen und Schlagstöcken ausgestatteten Polizei in Berührung kommen. Nebenan wird warme Suppe aus einer Gulaschkanone geschöpft und an die seit Stunden auf den Beinen stehenden Protestler verteilt. Demonstrationen seien etwas Symbolisches, ebenso die Fotografie sagt Paul. Kopenhagen biete ihm die Möglichkeit, Ideen neuer Ansätze in Umweltfragen durch die Linse zu betrachten und abzulichten. Ein Manko sei jedoch die sprachliche Barriere. »Auch wenn die Fotografie ein Medium ist, das gänzlich ohne Worte funktioniert, so ist es doch hilfreich, gerade in der aufgeheizten Stimmung der Proteste, die Sprache zu verstehen, um besser einschätzen zu können, was um mich herum passiert.“

Der Marsch endet erfolglos. Die zivile Manifestation wird von der Polizei auf brutale Weise aufgehalten und übereilt aufgelöst. Abends trifft man sich wieder im Klimaforum, viele sind enttäuscht und wütend. Die Hoffnung über einen verbindlichen Vertrag schwindet, es bleibt nur noch ein Tag bis zum offiziellen Ende des Gipfels.

Am Ende werden Schlafsack, Isomatte, Kochlöffel und Kamera eingepackt und das »H« wieder durch das »K« ersetzt. Ich steige in Kopenhagen ein und fahre nicht ganz ohne Hoffnung zurück. Schließlich haben die Umweltaktivisten, NGO’s und Menschenrechtsorganisationen gezeigt, dass sie fähig sind, organisiert zu mobilisieren. Vielleicht sind sie ja dadurch handlungsbereiter und fähiger, als es die politische Führung je sein wird. Und Organisation von Widerstand kann ein Anfang für eine neue Ordnung bedeuten. In Zeiten, in denen die alte bröckelt.


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